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Donnerstag

Ich zünde einfach eine Kerze an

Jeder möchte gerne in seinem Herzen sagen können: „Ich bin durch ein Martyrium gegangen. Ich wurde geprüft und habe bestanden!“

Wilhelm Mensching (1887-1964) aus Petzen bei Bückeburg würde das natürlich nicht sagen. Trotzdem ist er einer der Friedensstifter Europas, die sich am besten bewährt haben. Die Quäker haben ihn ganz zu Recht für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.

Es hatte eine Zeit gegeben, in der er sich nicht sehr friedlich gefühlt hatte. Das war während des Ersten Weltkrieges. Er hatte damals als Missionar in Afrika gedient.
Dort hatte seine Familie unter der schlechten Behandlung durch Soldaten der Allliierten zu leiden, besonders seine Frau. Sie war schwanger und die Geburt stand nahe bevor. Es gab dort keine Frau, die bei der Geburt hätte helfen können. Dann wurde eine Politik der Vergeltungsmaßnahmen befohlen und er wurde nach Indien geschickt. Auf der Reise empfand er Angst und Bitterkeit. Er war in Indien interniert, durfte sich aber frei in den Straßen der Stadt bewegen und erlebte dort Gandhis gewaltfreie Bewegung des zivilen Ungehorsams. Er war davon fasziniert und studierte sie Tag für Tag, bis er schließlich zum Pazifisten wurde.

Natürlich gab es dafür auch noch andere Gründe. Ein englischer Medizinaloffizier leitete die Station in dem Krankenhaus, in dem er zur Genesung war. Mensching, der noch stark die Pflicht des Gehorsams dem Staat gegenüber empfand, stand stramm, so schwach wie er war. Dabei zitterte er am ganzen Körper. Der Engländer sah ihn verwundert an. Dann sagte er freundlich: „Fürchten Sie sich nicht, Bruder, Ich bin Arzt. Ich werde Ihnen nichts antun. Ich will Ihnen nur helfen. Dieser Krieg ist etwas Schreckliches … Wenn doch nur alle Menschen Brüder sein könnten.“
Damit war der Samen gelegt. Schließlich wurde er, immer noch als Gefangener, nach England geschickt. Er lebte in einem offenen Lager und musste oft im Regen schlafen. Nach dem Krieg wurde er der Kirche in Petzen zugeteilt, wo er seitdem Pastor war. Das könnte man eine konservative Situation nennen. Mensching trägt einen Zylinder zu einem schwarzen Anzug. In der Kirche gibt es ein pergamentenes Dokument, das ins Jahr 984 zurückreicht. Aber niemand soll aus diesen Einzelheiten schließen, dass er seiner Zeit hinterherhinkte. In Wirklichkeit ist er ihr Jahrhunderte voraus.

Als es Mode war, mit „Heil Hitler“ zu grüßen, sagte er, sowohl vor als auch während des Krieges, fest und fröhlich „Guten Tag“. Er blickte nicht zurück auf die Autorität von Reich und Militär, sondern vorwärts in eine demokratische Lebensweise.

Ein anderer Deutscher, der Mensching nahe stand, erzählte etwa 1933 Douglas Steere, dass es da einen Exkommunisten gebe, der nun ein strammer Nazi sei und der damit prahle, dass er während des Ersten Weltkrieges Menschen getötet und Gefangene gefoltert habe. Nun war er im Begriff, Mensching aus der Kirche zu werfen, weil der Pastor nicht mit dem Naziregime sympathisierte: Er hatte nicht einmal eine Fahne gehisst! Als Mensching das gehört hatte, ging er geradenwegs zu dem Nazi und erklärte ihm offen seine Einstellung.

Jahrelang hatte er die Armen besucht und Bedürftigen geholfen, ganz gleich zu welcher Klasse sie gehörten. Er hatte in seiner Kirche niemals eine Fahne aufgehängt, und zwar aus dem einfachen Grund, dass er in der Hauptsache Christus treu sei. Davon könne ihn nichts und niemand abbringen. Wenn der Mann, mit dem er sprach, ihn wirklich aus der Kirche vertreiben wolle, dann sei jetzt die rechte Zeit dafür: Er habe ja alle dafür nötigen Beweise in der Hand. Der Nazi hielt ihm schweigend die Hand hin. Er unternahm nichts gegen den Pastor.

Den ganzen Krieg über nahm der Pastor die Worte: „Liebe deine Feinde“ ernst. Am Fußende seines Bettes hatte er ein Blatt Papier aufgehängt, auf das die Namen der Führer der feindlichen Regierungen gedruckt waren: Churchill, Roosevelt und Stalin. Wenn er aufwachte und die Namen sah, betete er für Völkerverständigung und –führung.
In seiner Tasche steckte eine Postkarte des Sekretärs des Versöhnungsbundes Englischer Zweig, die er über einen Schweizer Freund bekommen hatte. Es war eine Freundschaftsbotschaft und enthielt die Versicherung, dass nichts die Beziehung zerstören könne. Eine weitere Inspirationsquelle war ein Notizbuch, das er oft aufschlug, mit Worten von Sokrates, Paulus, Thomas More, James Nayler und Gandhi. Der Gedanke der Kraft der Wahrheit oder Satyagraha, zu dem Gandhi einlud, scheint ein Teil seines Nervensystems geworden zu sein.

Auch seine Fähigkeit zum Lachen half ihm. Als ein Offizier der Armee ihn eine halbe Stunde lang belästigt hatte, weil er „Guten Tag“ und nicht „Heil Hitler“ gesagt hatte, betete er. Dann lächelte er, als er an ein Erlebnis mit Hunden dachte, von dem ihm sein Vater öfter erzählt hatte. Diese Hunde hatten immer nachts sehr laut gebellt. Sein Vater hatte dann nur gesagt: „Ich will einfach abwarten. Irgendwann müssen sie ja aufhören.“ Ebenso würde der Offizier eines Tages aufhören.
Wahrscheinlich war es die bloße Kraft von Menschings Integrität, die ihn durch den Krieg brachte. Als der Krieg vorüber war, erzählte ihm der Major, der aus einem Internierungslager für Nationalsozialisten zurückgekommen war, von seinen Erlebnissen.

Während des Krieges wurde dieser von einem Gestapochef des Gebiets zu sich gerufen, der alles über den Pastor wissen wollte. Interessierte er sich für Kriegsgeheimnisse? „Nein, nie“, antwortete der Major. „Stand er mit ausländischen Freunden in Beziehung? Wahrscheinlich! „Aber alles, was er will, ist, dass der Krieg aufhört. Er würde uns nie verraten. Er ist mit allen Menschen Freund. Er würde uns nicht ausspionieren“, sagte der Major. Der Gestapomann war beeindruckt.
„Wären Sie bereit“ fuhr er fort, „mit Ihrem Leben dafür zu bürgen, dass dieser Mann uns nicht verraten würde?“
„Ja“, sagte der Major, „das würde ich.“
„Gut also. Bevor wir etwas gegen Mensching unternehmen, werden wir zuerst mit Ihnen Verbindung aufnehmen.“

Am 18. Mai wurde bei dem ersten Luftangriff der Alliierten in der Gegend eine junge Frau getötet, die zur Gemeinde gehörte. Das Opfer trug keine Uniform. Sie starb in ihrem Haus. Waren diese Alliierten nicht Teufel, wenn sie Bomben auf Unschuldige warfen? Die Nazis bemühten sich nach Kräften, dieses Ereignis für ihre Propaganda auszunutzen. Sie erschienen in großer Zahl beim Trauergottesdienst, um den Pastor zu stellen. Wenn er sich nicht gegen „die Grausamkeit“ aussprach, würden sie ihn dieses Mal bekommen und vielleicht auch seine Frau und seine Kinder.
Das war eine Prüfung! Mensching bestand sie in allen Ehren. Nicht ein Wort kam über seine Lippen, das Hass oder Vergeltung predigte. „Viele Tausende“, sagte er stattdessen, „in vielen Ländern erleiden ähnliche oder schlimmere Tragödien.“ Im Mittelpunkt seiner Ansprache stand nicht die menschliche Schwäche, sondern „die Gegenwart unseres gemeinsamen Vaters“.
Aber auch Mensching fühlte sich nach dem Gottesdienst schwach. Da kam ein Dorfbewohner zu ihm und sagte: „Sie haben genau das Richtige gesagt. Wenn sie ausgewichen wären und aus Furcht etwas anderes gesagt hätten, dann hätten Sie das Vertrauen der Menschen verloren, die so weiter auf sie zählen.“

Frau Mensching bemühte sich, seinen Mut zu unterstützen, aber es gab Sonntage, an denen sie vor Besorgnis zitterte, wenn ihr Mann auf die Kanzel stieg. Die stille, zarte Frau, die immer großzügig und freundlich war, hatte gute Gründe, für den Pastor zu fürchten. Oft sagten die Gottesdienstbesucher nach dem Segen zueinander: „Diesmal wird er sicherlich verhaftet.“
Einmal sah es so aus, als ob die beiden das Konzentrationslager nicht länger umgehen könnten. Alle mussten zur Wahl gehen. Entweder waren sie auf Parteilinie oder nicht! Die Wahl wurde geheim genannt. Tatsächlich – das teilte ihnen ein Freund mit – waren die Stimmzettel von Herrn und Frau Mensching merkiert, so dass ihre Wahl offensichtlich werden würde. Sie hatten nur eine Wahl und die war „Nein“. Aber das hätte eine schwere Strafe, auch für die Kinder, bedeuten können.
Als die beiden zu den Wahlurnen gingen, sagten sie beide laut und deutlich: „Guten Tag!“ Die Stille im Raum verkündete Unheil. Mensching suchte auf dem Zettel nach einer Markierung und konnte keine entdecken. Plötzlich brach die ruhige Stimme von Frau Mensching das Schweigen: „Entschuldigen Sie, meine Herren, aber mein Stimmzettel hat einen kleinen Fettfleck. Würden Sie mir wohl bitte einen anderen geben?“

Das Schweigen, das dem folgte, war noch stärker aufgeladen. Dann sagte einer der Wahlhelfer: „Ja, Frau Mensching, natürlich. Hier haben Sie einen anderen Stimmzettel.“
Beide stimmten mit „Nein“, falteten ihre Stimmzettel, warfen sie in die Wahlurne und gingen. Sie fragten sich, wann sie wohl verhaftet würden. Aber man ließ sie in Ruhe.
Mensching ist ein Mann, der die Brücken hinter sich abbricht und der seine Augen nur auf das höchste Ziel richtet, das es gibt. Als die Nazis an der Macht waren, ließ er sich nicht durch das Böse, das sich in ihnen manifestierte, hypnotisieren. Und er kümmerte sich auch nicht darum, was später die Kommunisten tun mochten. Stattdessen richtet er seine Aufmerksamkeit und Ergebenheit auf die Kraft, die zur Gesundheit führt, die Macht im Universum, die sehr stark, sehr lebendig und dauerhaft ist, deren Güte alle einschließt, selbst die, die ihn vielleicht töten würden.
Einem amerikanischen Besucher vertraute er sein Geheimnis an: „Wenn ein Mensch Böses tut, ist er in der Dunkelheit. Er kann nicht sehen. Wenn ich am Abend nach Hause komme und mein Haus ist dunkel, greife ich dann zu Bürsten und Schrubbern, um die Dunkelheit zu vertreiben? Nein, ich zünde einfach eine Kerze an.“

Aus dem Buch: 
Instead of cowardice or hate
COURAGE IN BOTH HANDS
Dramatic stories of real men and women who accomplished more than they believed they could
Allan A. Hunter
Copyright © 1962 by Allan A. Hunter Printed in the United States of America
BALLANTINE BOOKS, INC.
101 Fifth Avenue New York 3, N. Y.

Gefahr als Gelegenheit

M hatte sich oft gefragt, wie sie in der Prüfung reagieren würde und ob diese Prüfung überhaupt käme. Würde sie wütend werden? Würde sie wie ein Feigling reagieren? Oder würde sie irgendwie das Richtige und Tapfere tun? Sie wusste es nicht. Aber sie war bereit, es zu probieren und zu dann zu sehen.

Es war am 2. Dezember 1956, dem Glückstag für die Bus-Boykotteure in Montgomery, Alabama. Der Boykott hatte 381 Tage gedauert und sie feierte den Sieg oder den „Einsteige-Tag“, indem sie mit Würde in einem Bus fuhr.
M war eine große Frau. Als sie an ihrer Haltestelle ausstieg, sah sie einen jungen Weißen, der ebenfalls ausstieg. Er hatte einen harten Blick. Als der Bus anfuhr, kam er schnell auf sie zu und schlug ihr, so stark er konnte, ins Gesicht. Der Schlag war so stark, dass sie fiel. Er stand über ihr und ballte die Fäuste. Ein Wagen mit Weißen kam um die Ecke und die Türen öffneten sich. Offensichtlich hofften sie, sie könnten Ärger machen. Aber niemand gab ihnen einen Vorwand. M’s Gruppe nahm die Regel, die sie sich auferlegt hatte, ernst: „Wenn sich ein Zwischenfall ereignet, greif nicht zugunsten der Person, die angegriffen worden ist, ein. Wenn du das nämlich tust, wird das nur Weiße dazu bringen, dem Angreifer zur Hilfe zu kommen. Daraus ergibt sich eine Situation der Gewalt.“

M blieb einen Augenblick liegen und dachte darüber nach. Später gestand sie, dass sie zwar weder ein Rasiermesser noch eine andere Waffe bei sich trug, aber in dem Augenblick ihren Gegner gerne „in Scheibchen“ geschnitten hätte. Aber sie unterdrückte diesen Impuls und dachte an die Trainingsanweisungen: „Wenn dich jemand schlägt, schlage nicht zurück. Wenn dir Gewalt angetan wird, reagiere nicht mit Gewalt. Andererseits sollst du weder Feigheit noch Furcht zeigen, wenn es dir irgend möglich ist.“ Sie drehte sich auf dem Boden um und saß ganz bewusst ein paar Sekunden da, ehe sie aufstand. Sie klopfte sich den Staub ab und wischte sich das Blut vom Mund.
Sie ging drei oder vier Schritte und blieb stehen. Sie vermied es, den jungen Mann anzusehen. Niemand griff zu ihren oder zu seinen Gunsten ein. Das war eine unerwartete Wende der Ereignisse. Es verwirrte ihn sehr. Er sah schnell ringsum, sprang in den Wagen und floh mit den Männern, die auf ihn gewartet hatten.

Erst am Abend zuvor war M zum ersten Mal so weit, dass sie Gott und „dem kleinen Mann“ (Dr. Martin Luther King, dem Führer der Bewegung) dieses Versprechen geben konnte: „Morgen“, so hatte sie im Stillen versprochen, „werde ich, wenn ich in den Bus steige und deshalb geschlagen werde, nicht zurückschlagen.“

Aus dem Buch: 
Instead of cowardice or hate
COURAGE IN BOTH HANDS
Dramatic stories of real men and women who accomplished more than they believed they could
Allan A. Hunter
Copyright © 1962 by Allan A. Hunter Printed in the United States of America
BALLANTINE BOOKS, INC.
101 Fifth Avenue New York 3, N. Y.

Mitten im Kampf

Don war klein für sein Alter. Deshalb fühlte er die besondere Verpflichtung zu beweisen, was für ein harter Kerl er war. Dieser innere Zwang veranlasste ihn dazu, sich in recht viele Faustkämpfe einzulassen. Mitten in einem dieser Kämpfe, noch dazu mit einem besonders gehassten Rivalen und als er schon am Gewinnen war, überkam ihn ein seltsames Gefühl, das er nicht einordnen konnte. Es war weder Angst noch Hass. Er wusste genau, dass er dem Gegner nur noch näher zu rücken und ihm noch ein paar kräftige Schläge zu verpassen brauchte, um den Kampf zu gewinnen.
Aber das konnte er nicht. Er selbst drückt es später so aus: „Ich sah plötzlich im Gesicht des anderen dieselbe Angst und Erschöpfung, die ich gefühlt hatte, wenn ich verdroschen worden war. Dieser Anblick hinderte mich darin, ihn noch weiter zu schlagen. Natürlich sah er nicht dasselbe wie ich. Also schlug er mich k..o. Aber danach wurden wir Freunde und ich musste mich seitdem nie wieder mit jemandem schlagen.“

Danach führte Don ein konstruktives Leben. Er kam in die deutsche Stadt Kassel, wenige Kilometer von der Grenze nach Ostdeutschland entfernt. An seinem vierundzwanzigsten Geburtstag war er so damit beschäftigt, Maurerarbeit an einem Gemeindezentrum zu verrichten, dass er vollständig vergaß, dass die Familie, in der er lebte, ein Fest für ihn geben wollte. Am Abend – er hatte vierzehn Stunden lang gemauert – bat ihn ein deutscher Sporttrainer, einige Sportgeräte zu transportieren. Don benutzte dafür einen Lastwagen, den ihm die amerikanische Armee geliehen hatte. Es regnete. Die Räder mussten aus dem Schlamm gegraben werden. Als er zurückkam, war es drei Uhr morgens. Aber noch war der Fußboden des Saales nicht gestrichen und er hatte versprochen, ihn zu streichen. Das dauerte bis zum Frühstück. Im Rückblick meinte er, dies sei so etwa der glücklichste Geburtstag gewesen, den man überhaupt hätte feiern können.

Das Jahr darauf stürzte sich Don in eine noch aufreibendere Arbeit: Im Hafenviertel von Neapel, wo die Kriminalität die Polizei überforderte und 5 000 Flüchtlinge aus Russland, der Tschechoslowakei und anderen Ländern gemeinsam mit in Not geratenen Italienern – alle ohne Arbeit und ohne die notwendige Kontrolle – darum kämpften, irgendwie in Höhlen und in den Ruinen eines von der deutschen Armee im Zweiten Weltkrieg zerbombten Gebäudes ihre Existenz zu fristen. Gemeinsam mit fünf jungen Bandenchefs, die Don wegen seiner Härte schätzten, baute er einen Jungenklub auf, der bald mehr als hundert Mitglieder hatte. Zur Unterhaltung der Jugendlichen schrieb er kleine Theaterstücke, in denen sie mitspielen konnten, und führte dabei Regie. Er hielt auch Basare ab, in denen sie von ihnen produzierten Lederarbeiten verkaufen konnten. Ein Ergebnis seiner Arbeit war, dass viele, die dem Kommunismus zugeneigt gewesen waren, sich nun für mehr Demokratie engagierten.

Als er noch in Deutschland gewesen war, hatte er bei einigen Kurzstreckenläufen einen guten Platz belegt. Aber nun hatte er infolge einer Blinddarmoperation, auf die eine Hepatitis gefolgt war, fast 15 kg Untergewicht. Dieses Martyrium hatte ihn fast das Leben gekostet.
Da die zwei Jahre seines Friedensdienstes als Kriegsdienstverweigerer um waren, hätte er nach Hause fahren können, um sich zu erholen. Aber trotz seiner Erschöpfung blieb er weitere sechs Monate, um die Grundlagen für einen Traum zu legen.

Er kehrte in die USA zurück und wurde ein Hollywoodstar, der zusammen mit Marilyn Monroe vor der Kamera stand, und er arbeitete gleichzeitig weiter an seiner Idee. Aus ihr wurde ein gut gehendes Unternehmen auf einer Insel vor der italienischen Küste. Die Vereinten Nationen sind daran beteiligt. Jedoch halten vor allem Dons Filmeinnahmen und seine Begeisterung das Projekt in Gang. Auf den 60 Hektar guten Bodens trifft er, wenn er sich mal eine Woche von den Dreharbeiten freimachen kann, 14 oder mehr seiner alten Freunde, die nun keine „displaced persons“ mehr sind, und genießt mit ihnen ihre Freiheit, in der sie gleichzeitig mit Weizen, Orangen, Artischocken, Kühen und Schweinen auch ihre Selbstachtung pflegen. Dies ist, meint Don, „die beste und modernste Hühnerfarm auf Sardinien.“



Aus dem Buch: 
Instead of cowardice or hate
COURAGE IN BOTH HANDS
Dramatic stories of real men and women who accomplished more than they believed they could
Allan A. Hunter
Copyright © 1962 by Allan A. Hunter Printed in the United States of America
BALLANTINE BOOKS, INC.
101 Fifth Avenue New York 3, N. Y.


Sie bekam eine Eins in dieser Prüfung

Sogar die Wächter in Ravensbrück kannten Elizabeth Pilinko unter dem Namen „die wunderbare russische Nonne“. Niemand konnte leugnen, dass sie das gewisse Etwas hatte.

Sie gehörte einer wohlhabenden Familie in Südrussland an und hatte an der Frauenuniversität studiert. Danach unterrichtete sie an der Abendschule einer Fabrik. Nach der Oktoberrevolution 1917 setzte sie ihr Leben dafür ein, Terror-Opfer zu retten. Sie tat als Bürgermeisterin ihrer Heimatstadt Dienst und setzte sich sehr für gute Beziehungen zwischen Kommunisten und Antikommunisten ein. Dadurch geriet sie in Schwierigkeiten. Ein Prozess fand statt, aber irgendwie kam sie davon. Schließlich war sie die Grausamkeiten beider Seiten leid und floh nach Paris. Dort trat sie einem religiösen Orden bei. Unter dem neuen Namen „Mutter Maria“ stürzte sie sich in die Arbeit, den Allerärmsten zu helfen.

Sie trug ausrangierte Männerschuhe und ging, einen Sack auf dem Rücken, durch die Stadt, um Nahrungsmittel zu sammeln, die sie in den schmutzigen Bruchbuden am Seineufer verteilte. Außerdem tat sie für russische Flüchtlinge, was sie nur konnte, besonders für die geisteskranken. Schließlich übernahm sie ein Haus und richtete darin eine Heimstätte für Verzweifelte ein. Als die deutschen Truppen Paris besetzten, versteckte sie verfolgte Juden in den Mauern ihres „Hospitals“.
Kurz darauf wurde sie von der Gestapo gestellt und in das berüchtigte Konzentrationslager in Polen befördert. Das war ihre letzte Prüfung auf dieser Erde. Dort stand ein erst kurz zuvor errichtetes Gebäude.

Die Beamten hatten erklärt, dass es nur ein Badehaus sei. Aber Elizabeth wusste es besser.
Einige Dutzend Frauen wurden in einer Reihe aufgestellt. Es konnte kein Zweifel mehr daran herrschen, wozu das führen sollte. Sie sollten alle durch diese finsteren Tore gehen und sie würden nicht mehr herauskommen. Eine der Frauen, sie war noch sehr jung, brach zusammen. Obwohl Elizabeth nicht auf der Liste stand, ging sie zu der verzweifelten Mitgefangenen und sagte: „Du hast große Angst. Sieh mal, ich will deinen Platz einnehmen.“ Dann ging sie mit den anderen in die Gaskammer.

Seltsamerweise war es Karfreitag 1945.

Aus dem Buch:
Instead of cowardice or hate
COURAGE IN BOTH HANDS
Dramatic stories of real men and women who accomplished more than they believed they could
Allan A. Hunter
Copyright © 1962 by Allan A. Hunter Printed in the United States of America
BALLANTINE BOOKS, INC.
101 Fifth Avenue New York 3, N. Y.




Ein nicht hässlicher Amerikaner -

„In der Grundschule war ich eine Heulsuse“, gestand G. ganz offen dem Militäranwalt, der ihn befragte, um herauszufinden, ob G., als er einberufen worden war, der Status eines Kriegsdienstverweigerers zuerkannt werden sollte. In der Highschool dauerte es dann nicht lange, bis er herausfand, dass er daran etwas ändern musste, wenn er für die Friedensarbeit in der Welt von irgendeinem Nutzen sein wollte. Also trainierte er sich im Ringen.

Im College nahm er dann an Ringkämpfen teil und stellte sich vor, wie sich wohl sein Gegner fühlte. Wenn er ihn am Boden festhielt, flüsterte er ihm, bevor er ihm erlaubte, sich aufzurichten, etwas Ermutigendes zu, wie etwa „Dein Griff vorhin hat mir wirklich Mühe gemacht!“ Wenn der andere ihn selbst am Boden festhielt, dann gratulierte er ihm ganz aufrichtig dazu.

Monatelang weigerte sich die Einberufungsbehörde, seine ursprüngliche Einteilung zum I A-Kämpfer-Dienst in den Einsatz zum zweijährigen alternativen Zivildienst umzuwandeln, wie er beantragt hatte. Dieser Student sah nicht wie ein Fanatiker aus. Offensichtlich war er auch kein Muttersöhnchen. Warum wollte er also nicht riskieren, sich in der Luftwaffe oder bei der Infanterie den Hals zu brechen? Der Grund dafür sei, so versuchte G mit wenig Erfolg zu erklären, dass er glaube, es gebe einen besseren Weg, und er sei bereit, so gut wie jeden Preis dafür zu zahlen, diesen Weg auszuprobieren.

Schließlich ging man auf seinen Fall ein und teilte ihn schließlich einem Team von Eirene in Marokko zu. Die Lebensbedingungen dort waren genau so primitiv und stellten so hohe Ansprüche an ihn, wie er sie sich gewünscht hatte. Er unterrichtete algerische Flüchtlingswaisen in einem roh errichteten Schuppen. Am Morgen darauf in aller Frühe sollte er eine durch ein Erdbeben beschädigte Zisterne reparieren. Er wanderte also über einen Hügel, um die Betonierarbeiten zu überprüfen.
Als er gerade die andere Seite erreicht hatte, sauste ein Felsbrocken an ihm vorbei. Er war groß, etwa 5 Kilo. Wenn er nur ein paar Zentimeter näher gewesen wäre, wäre es ihm wahrscheinlich nicht mehr möglich gewesen, das was nun folgte, zu berichten.
G wollte natürlich wissen, woher der Felsbrocken gekommen war, und drehte sich gerade rechtzeitig um, um einen weiteren Brocken genau auf seinen Kopf zusausen zu sehen. Er duckte sich. Der Felsbrocken traf einen linken Arm und prallte ab.
G. war zwar erst seit ein paar Monaten im Land, aber er konnte schon etwas Französisch und Arabisch. „Warum“, fragte er in beiden Sprachen, „Warum tust du das?“
„Tahmout – Tahmout“, (du musst sterben, du musst sterben) schrie der andere.
G. stürzte sich auf ihn und ergriff seine Hand. Er wollte unbedingt herausbekommen, so schrieb er einen Monat später, „warum er so wütend war oder mich so sehr hasste. Er schlug seinen Kopf gegen meinen, deshalb ließ ich ihn los, da ich ja keine Gewalt anwenden wollte, und ich versuchte, mit ihm zu reden.“

In G.s Brief heißt es weiter: „Er schlug mir ein paar Mal mit der Faust ins Gesicht. Dann lief er, als er (vermute ich) sah, dass ich keine Angst hatte, ein Stück weit weg und nahm einen Felsbrocken auf, den er mir wieder an den Kopf warf. Ich hielt den Stein mit der Hand auf und versuchte dann, den Mann festzuhalten, aber er hatte schon einen weiteren Stein aufgehoben. Er schlug ihn mir auf den Kopf, so dass ich eine tiefe Wunde davon bekam. Nun gebrauchte ich meine Ringerfertigkeiten, ergriff ihn, drehte ihn herum und hielt ihn auf dem Boden fest.“
Das Spektakel erregte Aufsehen. G.s Angreifer wurde ins Gefängnis gesteckt und G. wurde in die Stadt gebracht, um medizinisch versorgt zu werden.

Zwei Tage danach erfuhr er, was geschehen war. Der junge Mann war verwirrt. Wenige Stunden, bevor er G. angegriffen hatte, hatte er zwei andere Menschen mit Steinen geworfen. Einer von ihnen war zu der Zeit, als G. den Brief über den Zwischenfall schrieb, noch im Krankenhaus. Zwar wollten die Beamten der lokalen Regierung, dass G. Anklage erhob, aber das wollte er nicht. Schließlich wurde der Kranke in die Psychiatrie in Casablanca geschickt.

„Zwei Tage nachdem ich von diesem Burschen verletzt worden war“, lesen wir
 weiter in seinem Brief, „war ich wieder in die Berge gegangen, um dort zu arbeiten (da wusste ich noch nicht, dass er krank war). Ich hatte nun vor allen Menschen dort Angst und traute ihnen so wenig, dass ich ihnen nicht den Rücken wandte. Ich denke, das war normal, aber nachdem ich erfahren hatte, dass er krank war, ging es mir besser. Vermutlich wurde ich darum nach diesem Erlebnis so ängstlich, weil ich den Grund dafür, dass er mich verletzt hatte und mich hatte töten wollen, nicht kannte. Am Tag nach diesem Ereignis wusste das ganze Dorf davon und sie testeten mich, denn sie hatten noch nie etwas von Gewaltfreiheit gehört. Sie hoben Felsbrocken auf, als wollten sie sie auf mich werfen. Sie verpassten mir eine und machten schnelle Bewegungen auf mich zu, , um zu sehen, ob mir das Angst machte. Ein Bursche packte mich am Halt (so, wie der Kranke es getan hatte) und tat so, als wollte er mich erwürgen. Ich zeigte ihm, wie ich mich dagegen wehren konnte und brachte ihn durch einen Trick, den ich einmal gelernt hatte, zum Aufgeben. Ein anderer tat so, als wollte er mir eins verpassen, als ich aus der Zisterne stieg. Ich wandte mich um, ergriff ihn und hielt ihn in die Luft. Das war ein einfacher Ringergriff, aber er veranlasste ihn, mich zu respektieren. Ich musste an diesem Tag den Leuten noch oft beweisen, dass ich keine Angst vor einem Kampf hatte, wenn er nicht im Ernst stattfand. Ich denke, ich bewies ihnen, dass ich kein Feigling war, nur weil ich den Jungen nicht verletzt hatte.“

G. bewundert die Geschicklichkeit, mir der diese Menschen Steine werfen. Damit, sagt er, hüten sie ihre Tiere. Er dankt Gott nicht nur dafür, dass er nicht von einem der 5 oder 6 Kilo schweren Felsbrocken erschlagen wurde, sondern auch dafür, dass er „(damals) keinerlei Furcht oder Hass empfand und dass er ihn nicht verletzte.“

„Ich muss wohl recht erregt gewesen sein“, fügt er hinzu, „denn alles ging mir so schnell durch den Kopf. Ich hatte damals keine Angst vor ihm und ich hasste ihn nicht. Aber etwas ging mir durch den Kopf, wofür ich mich schämte. Haben Sie das Buch Der hässliche Amerikaner gelesen? Ich dachte, mir könnte so etwas nicht passieren, weil ich ein Amerikaner bin. Ich denke, das war in meinem Unterbewusstsein. Mir gefällt das, was ich damals dachte, überhaupt nicht, aber ich bin wohl auch nur genau so schwach wie alle anderen.“

Aus dem Buch:
Instead of cowardice or hate
COURAGE IN BOTH HANDS
Dramatic stories of real men and women who accomplished more than they believed they could
Allan A. Hunter
Copyright © 1962 by Allan A. Hunter Printed in the United States of America
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