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Montag

Jerusalem im Jahre 26 n.Chr.

Jerusalem im Jahre 26 n.Chr. Josephus Flavius berichtet von einem Ereignis, an dem „Tausende von Juden” beteiligt waren (Bell. II,9,171f). Es ging um die verpönten Bilder des „Gott-Kaisers” in Rom, die Pilatus nächtens nach Jerusalem hatte bringen lassen, um die Juden zu dessen Verehrung zu veranlassen:
„Die Juden erhoben sich gegen Pilatus in Caesarea, um ihn zu bitten, die Bilder aus Jerusalem zu entfernen [...] Da Pilatus sich weigerte, lagerten sie sich um sein Haus und blieben dort fünf Tage und fünf Nächte. Am sechsten Tag begab sich Pilatus vor sein Tribunal im großen Stadion und rief das Volk unter dem Vorwand zusammen, auf sein Begehren antworten zu wollen; den bewaffneten Soldaten gab er den Befehl, die Juden zu umzingeln. Als die Juden sahen, wie die Soldaten sie mit einem dreifachen Ring umgaben, blieben sie vor diesem unerwarteten Schauspiel stumm. Pilatus, nachdem er ihnen erklärt hatte, er wolle sie töten lassen, falls sie das Bildnis des Kaisers nicht anerkennen würden, gab den Soldaten das Zeichen, ihre Schwerter zu ziehen. Doch die Juden warfen sich, wie auf einen gemeinsamen Befehl, auf die Erde und boten ihren Nacken dar, alle bereit, lieber zu sterben, als das Gesetz zu verletzen. Von diesem religiösen Eifer überwältigt [wörtlich: Das Lautere der Gottesfurcht überbewundernd] , gab Pilatus den Befehl, die Bilder aus Jerusalem zu entfernen.”

Falls Jesus von Nazareth nicht selbst dabei war, so hat er doch mit Sicherheit davon gewusst. Seine Seligpreisungen und die Worte zur Feindesliebe dürften davon beeinflusst sein. (Martin Arnold)

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Tusculum, 4. Jahrhundert v.Chr.

Tusculum, Rom, 4. Jahrhundert v.Chr. Krieg gegen Tusculum, Camillus solle ihn führen, dies beschloss der römische Senat, denn obwohl Tusculum mit Rom verbündet war, hatten Tusculaner mit Erlaubnis ihres Staates zusammen mit den Volskern gegen Rom gekämpft. Titus Livius berichtet davon in seiner Römischen Geschichte Seit der Gründung der Stadt (Buch VI, 25f). Unabhängig von der Frage, wie zuverlässig der Geschichtsschreiber hier erzählt,  können wir das Geschilderte einschließlich der ungewöhnlichen Fortsetzung zum Anlass für weitergehende Überlegungen nehmen. Camillus lässt das römische Heer gegen Tusculum ausrücken, ein Lager aufschlagen – und findet Tusculaner draußen auf den Feldern arbeiten und das Stadttor offen. In Scharen gehen Tusculaner zivil gekleidet den Bewaffneten furchtlos entgegen und bringen den Römern Lebensmittel ins Lager. Camillus vergewissert sich in der Stadt, dass dort ebenso beständiger und ruhiger Friede und normales Treiben herrscht wie vor dem Tor, die Haustüren sind offen. „Entwaffnet durch diese Gelassenheit der Feinde“ (Victus igitur patientia hostium) leitet Camillus das Ende des geplanten Krieges mit den Worten ein: „Tusculaner, ihr habt die wahren Waffen und die wahren Kräfte gefunden, mit denen ihr euer Eigentum vor dem Zorn der Römer schützen werdet.“ Er schickt sie nach Rom, sie sagen dem Senat u.a.: „Wir danken euren Feldherrn sowohl als euren Heeren, dass sie [...] wo kein Feind war, auch keinen finden wollten. [...] Soll uns die Übermacht eurer Waffen fühlbar werden, so wollen wir sie wehrlos fühlen.“ Rom zieht die Soldaten ab.
Durch patientia haben die Feinde den Feldherrn besiegt. Der Geschichtsschreiber lässt den als tugendhaft und vorbildlich dargestellten Feldherrn patientia als wahre Waffe und wahre Kräfte zum Schutz vor Krieg bezeichnen.
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Donnerstag

People Power, Philippinen, 1986, kommentierter Gütekraftbericht

Philippinen schrieben 1986 Menschheitsgeschichte
Systematisch geplant: Die gewaltfrei-gütekräftige Beendigung der Marcos-Diktatur durch Würde anbieten – People Power

Wie am 24. Februar 1986 die Menschenmenge die Panzer stoppte zeigt das Bild unten (WAZ-Titelseite 24.2.1986)

Erstmals in der Menschheitsgeschichte wurde 1986 durch systematisch geplantes gewaltfrei-gütekräftiges Vorgehen eine brutale Diktatur überwunden. Der philippinische Diktator Ferdinand Marcos wurde dazu gebracht, das Land zu verlassen. Die Befreiung beruht auf einer bewussten, 1984 getroffenen Entscheidung von Oppositionellen für die gewaltfrei-gütekräftige Vorgehensweise.

Diese bereiteten sich persönlich und methodisch intensiv auf die Anwendung dieses Konzepts vor. Der Erfolg hatte bald Folgen in den Bewegungen und Organisationen für die Menschenrechte in Thailand und anderen Ländern Asiens sowie auf Madagaskar. Diese Menschheitserfahrung ist jedoch weit darüber hinaus von Bedeutung: Gewaltfreies Vorgehen mit Gütekraft hat bei kompetenter Vorbereitung gute Erfolgschancen, hoch gerüstete Gewaltherrschaft zu überwinden

Was geschah in dem Inselstaat?
Anfang der 1980er Jahre nahmen sowohl der wirtschaftliche Niedergang großer Teile des Volkes als auch die Unterdrückung durch das Marcos-Regime auf den Philippinen erschreckend zu. Weitaus die meisten Einwohner der großen Inseln gehören der katholischen Kirche an. Viele Priester und Ordensleute setzten sich für die Armen und gegen die Verarmung auch politisch ein. Viele Oppositionelle, darunter Gewerkschafter/innen und Studierende, wurden von der Polizei geschlagen, verhaftet oder ermordet. Kommunisten bewaffneten sich im Untergrund und bekamen immer mehr Zulauf.
Benigno Aquino war einer der Hoffnungsträger des Volkes gegen Marcos. Seine lebenslängliche Gefängnisstrafe durfte er durch einen krankheitsbedingten Aufenthalt in den USA unterbrechen. Er entschied sich, in die Heimat zurückzukehren, um sich weiter für die Befreiung von der Diktatur einzusetzen und zwar auf dem Weg der Gütekraft, meist „non-violence“ genannt. Trotz der Warnungen von Marcos, er könne „für seine Sicherheit nicht garantieren“, flog der beliebte Politiker in die philippinische Hauptstadt zurück. In Manila angekommen, wurde er beim Aussteigen aus dem Flugzeug erschossen. Das war 1983. Seitdem demonstrierten viele Menschen regelmäßig gegen die Diktatur. Doch an der diktatorischen Politik änderte sich nichts. Immer mehr Menschen kamen zu der Überzeugung: „Man sieht es ja: Gewaltfreiheit bringt nichts.“ Immer weniger kamen zu friedlichen Demonstrationen. Immer mehr schlossen sich dem bewaffneten Untergrund an. Die Spannung steigerte sich, ein Bürgerkrieg drohte.
1984 folgte das Wiener Ehepaar Jean und Hildegard Goss-Mayr einem Hilferuf von Ordensleuten aus Manila. Sie fuhren zunächst durchs Land, um die Menschen und die Lage kennenzulernen. Dann erläuterten sie führenden Oppositionellen, Gewerkschaftsführern, Studierenden, auch Kirchenleuten und Menschen aus der bürgerlichen Opposition, darunter Benignos Bruder Agapito Aquino, das gewaltfreie Einsatzkonzept der Gütekraft und sagten ihnen, dass die Entscheidung dafür – bei einem skrupellosen Gegner – genauso die Bereitschaft zum Einsatz des Lebens erfordere wie das Vorgehen mit Gewalt. Sie erklärten ihre Bereitwilligkeit, Schulungen und Seminare durchzuführen, sobald eine Entscheidung für eigenes Handeln nach dem Konzept des gewaltfrei-gütekräftigen Vorgehens gefallen sei, und reisten nach Wien zurück.

Im Juni 1984 wurden sie zurückgerufen. Sie hielten Seminare für Multiplikatoren ab, darunter auch eines für 30 Bischöfe. Die neue Organisation AKKAPKA wurde gegründet, die auf breiter Ebene Schulungen und vielfältige andere Vorbereitungen ins Werk setzte. Die neue Zeitschrift „Würde anbieten” informierte und mobilisierte viele Organisationen und Gruppen. Der Glaube spielte eine große Rolle: Die biblische Botschaft mit ihren vielen Befreiungsgeschichten (Exodus usw.) wurde als Impuls zur Befreiung neu entdeckt; religiöse Riten wurden neu mit Inhalt gefüllt und immer mehr auf die eigene Situation der Unterdrückung bezogen – so wuchs der Boden für die „Rosenkranzrevolution“.
Als Marcos für den 7. Februar 1986 aufgrund des Druckes aus den USA sehr kurzfristig Wahlen ansetzte, trafen die Organisationen AKKAPKA, NAMFREL und andere mit Hochdruck Vorbereitungen für die Wahl: Verschiedene Szenarien der Regierung wurden durchgespielt von Stimmenkauf, Urnendiebstahl und Wahlbetrug bis hin zum Ignorieren des Wahlergebnisses, und es wurden jeweils verschiedene Aktionsmöglichkeiten dagegen ausgearbeitet. In einer Zeltstadt in Manilas Innenstadt-Park wurden permanent und massenhaft Schulungen angeboten und gütekräftige Haltung und Methoden, auch durch Fasten, eingeübt. Es war ansteckend, immer mehr machten mit. Am Wahltag retteten Ordensfrauen Urnen vor Bewaffneten, die sie entwenden wollten: Sie hielten die Stimmzettelbehälter mit den Worten „Nur über meine Leiche!“ fest. Nach der Bekanntgabe eines gefälschten Wahlergebnisses wurde zum massenhaften Boykott der Banken, die Marcos nahestanden, übergegangen usw.:
Nichtzusammenarbeit mit dem Unrecht. Marcos-Treue zerstörten den einzigen unabhängigen kirchlichen Sender Radio Veritas; darauf waren die Betreiber vorbereitet, sodass nach kurzer Zeit die Sendungen fortgesetzt wurden. Teile des Militärs begannen, sich von Marcos zu distanzieren, und verschanzten sich im Camp Aginaldo. Kardinal Sin rief die Bevölkerung auf, den Marcos abtrünnigen Soldaten Schutz zu bieten und Nahrungsmittel zu bringen, was sofort massenhaft geschah. Einer Kampfhubschrauber-Einheit befahl Marcos, das Meuterer-Camp zurückzuerobern. Die Soldaten dort bereiteten sich auf ihr Sterben vor, die Eroberer-Einheit aber solidarisierte sich mit ihnen. Dann rollten Panzer-Einheiten auf das Camp zu, aber die Bevölkerung begab sich, von Kardinal Sin aufgerufen, massenhaft auf die Straße und stellte sich, angeführt von Nonnen und Priestern, Brote und Blumen anbietend, singend und mit dem Vater-Unser und dem Rosenkranz-Gebet auf den Lippen, viele mit Tränen in den Augen, den Panzern entgegen. Die Panzer hielten an, die Demonstrierenden sprachen mit den Soldaten und nach Stunden kehrten die Panzer um. Die Herrschaft des Diktators war zerfallen.

 

Nach der Zusage der abtrünnigen Militärs, es werde nicht auf seinen Hubschrauber geschossen, verließ Marcos am 26. 2. 1986 mit seiner Familie den Regierungspalast.
Am 24. Februar 1986 erlebte die Welt, wie Würde-Anbieten politische Macht entfaltete: People Power. Seitdem wird dieser neue Ausdruck (neben Nonviolence und Power of Goodness) weltweit für die gewaltfrei-gütekräftige Vorgehensweise gebraucht. Die massenhafte Nichtzusammenarbeit mit der Diktatur steckte auch die „Sicherheitskräfte“ an. Marcos hatte sie zuvor als stärkste Stütze eingeschätzt – wie es viele Machthaber tun – ein Irrtum. Das gütekräftige Vorgehen war stärker.

Gütekraft:
  Eigentätigkeit,
  Ansteckung und

  Nichtzusammenarbeit mit dem Missstand sind die drei Hauptwirkungsfaktoren des gütekräftigen Vorgehens.