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Samstag

Eine ruhige Hilfe

Es war an einem ruhigen Abend in Frankreich, als ich gemütlich durch eine schon dunkle Straße ging. Da wurde auf einmal die Ruhe durch einige Aufregung gestört: In einiger Entfernung sah ich zwei Menschen - einen Mann und eine Frau - in heftigem Streit miteinander. Was vorgefallen war, konnte ich nicht erkennen.
Doch schon kurz nach meinem Auftauchen bemerkte mich wohl die Frau. Sie kam sofort auf mich zugerannt und hielt sich an mir fest. Es war mir gleich klar: Sie suchte Schutz. Ich legte die Arme um sie; und da kam auch schon der Mann auf uns zu - aggressiv und wütend. Ich sah ihm in die Augen. Es war so meine ganz normale Reaktion: Ich wurde ganz ruhig und sah ihn fest und scharf an. Wie eine große Spannung kam es mir vor - und sehr schnell zog der Mann ab. Der Frau konnte ich einige tröstende Worte sagen. Anscheinend war es hilfreich, auch wenn ich mir selbst dabei sehr passiv vorkam.



(Quelle: Bernd Ebding, Neuershausen)

Im U-Bahn Tunnel

Ich kam gerade aus der U-Bahn und ging meinen Weg nach oben. Wie immer ein etwas längerer Tunnel, durch den die FußgängerInnen gehen müssen, um nach oben zu gelangen.
Ich komme an zwei Leuten vorbei: ein Mädchen und ein Mann bei ihr. Wie sie zueinander standen, war unklar. Doch mir war ein wenig mulmig. So drehte ich mich nach ca. 20 Metern nochmal um und schaute zurück. Das Mädchen wurde von dem Mann angesprochen, und noch war die Situation uneindeutig. Doch als ich blieb und eine Weile beobachtete, sah es nach Streit aus, und das Mädchen fing an zu schreien:  "Laß mich!".
Nun ging ich wieder zurück. Ich ging direkt auf die beiden zu und sagte zu dem Mann in meiner festen, klaren und lauten Art:  "Du läßt sie jetzt sofort los!"
Es war nicht aggressiv, nur äußerst deutlich.
Er zeigte einen harten Blick. Ich war mir nun selbst unsicher und meinte schon: Vielleicht holt er gleich ein Messer hervor. Doch ich hielt einfach seinem Blick stand. Dann ging ich wieder; und als ich mich noch einmal umdrehte, war auch er gegangen und hatte das Mädchen losgelassen. Es hatte also anscheinend etwas genützt.



(Quelle: Ute Delor, Freiburg)

Kleine Rettungsaktion

Sandweg am Abend: Ein Mann steigt aus einem Auto aus, läuft einer jungen Frau hinterher, versucht, sie mit sich zu ziehen.
Sie macht sich immer wieder los, wehrt ihn ab.
Eine andere Frau beobachtet die Auseinandersetzung, zögert, rennt den beiden dann nach.
Sie begrüßt die Belästigte wie eine alte Freundin und zieht sie in eine Kneipe.



(Quelle: Bericht in der Frankfurter Rundschau, 17./18.11.92 (Dorothee Beck))

Die Radfahrerin

Eine junge Frau fuhr mit dem Fahrrad auf der Straße. Ein Auto kam angefahren, in dem drei Männer saßen, die aus dem Wagen sprangen, um sie zu ergreifen und festzuhalten. Was sie genau wollten, blieb undeutlich. Denn im selben Augenblick kam eine andere Frau vorbei, die so tat, als ob sie die junge Radfahrerin kenne. Und sie rief: "Hallo, Marian, wie lange habe ich dich schon nicht mehr gesehen."
Sie eilte auf "Marian" zu, umarmte sie und führte sie am Arm mit: "Komm mit, wir gehen irgendwohin."
Die drei Männer blieben verdattert zurück.



(Quelle: Han Horstink, s.o.2., S.31)

Lauter Schrei

Eine Frau berichtet, wie sie von einem Mann belästigt und bedroht wird. Die ersten Augenblicke kann sie keinen Laut herausbringen. Doch dann fängt sie an zu schreien; und das half sehr direkt.
Sie erzählt später:  "Es klang so alarmierend, daß Passagiere, die gerade an einer nahegelegenen Haltestelle aus der Straßenbahn stiegen, zu vielen in meine Richtung rannten. Wären es nur wenige Passagiere gewesen, hätten sie sich nicht getraut, wie sie mir später versicherten, dann hätte also auch die Empfehlung "Schreien" nichts geholfen. Außerdem hätte der Mann in Panik geraten können und seine Reaktion läßt sich nur erraten."

Randale mit dem Beil

Von FreundInnen wurden wir zur Hilfe gerufen; sie wurden von einer Gruppe faschistoider Jugendlicher bedrängt. Und wir konnten zunächst noch ganz gut mit ihnen reden. Doch da fand nun einer, der stark betrunken war, ein Beil und schwang es in der Luft. Sofort war da auf einmal eine ganz eisige Stimmung, wir hatten völlige Angst, daß es echt zum Blutvergießen kommen könnte.
Ich ging zu ihm hin. Andere aus seiner Gruppe wollten mich zurückhalten, weil sie Angst um mich hatten. Doch ich ging, und ich sagte zu ihm:  "Das macht Angst mit dem Beil, auch den anderen. Da kann sehr viel passieren; und das bedroht uns. Da kann noch viel mehr ausgelöst werden, was wir nicht wissen."
Er sah mich zögernd an. Er redete nicht, ließ sich auf kein Gespräch ein. Doch dann nahm er das Beil und schleuderte es in hohem Bogen ins Gebüsch. Wir haben es auch später nicht mehr gefunden. Was er sich gedacht hat, oder ob er gar etwas 'eingesehen' hat, weiß ich nicht. Jedoch die Reaktion war deutlich und hat geholfen.

Ich war in dieser Situation ganz ruhig gewesen. Mir war klar: Das ist jetzt das einzig Mögliche, da auf ihn zugehen. Die Angst war da, aber sie hat nicht mein Handeln bestimmt. Ich konnte etwas tun, ohne daß mich die Angst lähmte. Danach dann, so am nächsten Abend, kamen schlimme Erinnerungen daran, und ich wünschte sehr, daß so was nicht noch einmal passiert.



(Quelle: Ulli Laubenthal)

Kleine Frau - ganz groß!

Eine junge Frau, kaum einen Meter sechzig groß, von beinahe kindlicher Zerbrechlichkeit, wurde von einem Jungen in einer verlassenen U-Bahn-Station gegen eine Mauer gedrückt. Er wollte offensichtlich beweisen, daß er "Charakter" hatte. Er war nicht älter als zehn oder zwölf Jahre, aber größer und breiter als sie. Auch war er bewaffnet. Als er ein kleines Taschenmesser an ihre Kehle hielt, fühlte er sich so stark und mächtig wie zehn Fernsehhelden. Sie stand ruhig, sah ihn mit glühenden Augen an, beleidigt durch seine Berührung.
"Du hast Angst vor mir, nicht wahr?", freute er sich.
Aber sie war eher wütend als erschrocken; und sie schnauzte in seinem eigenen Sprachgebrauch zurück:  "Ja, ich habe ja eine solche Angst!"
"Wenn ich an Deiner Stelle wäre, hätte ich wohl Angst."
Er bewegte das Messer vor ihren Augen hin und her. Sie fügte noch ein grobes Wort hinzu. Da fiel seine jämmerliche Maske, und sein Spiel ging zu Ende. Er hatte gedacht, daß sie vor ihm zusammenbrechen würde, heulen oder betteln wie ein wimmernder Hund. Aber so gewann er daran keinen Spaß, kein Gefühl von Macht und Herrschaft, keine Phantasie von persönlicher Übermacht und Wichtigkeit. Mit einem Knurren drehte sich der Junge um und lief vom Bahnsteig weg.



(Quelle: Dorothy T.Samuel, zitiert aus: Han Horstink, s.o.2., S.44)

Harte klare Reaktion

Die Bürgersteige waren sehr belebt, als Polly zu ihrem Büro in Chicago Loop ging. Ein Mann lief einen halben Block lang nahe bei ihrem Ellenbogen, aber es war ja schließlich auch sehr voll. Dann kam der Mann näher heran und sagte: "Hallo, Schätzchen, gehst Du mit, etwas trinken?"
"Was, Du verdammter Dreckskerl! Schämst Du Dich nicht", reagierte sie scharf, während sie ihre schwere Schultasche gegen ihn schwang und ihn genau gegen den Rücken traf.
Er drehte sich um und flüchtete. Doch sie schrie ihm lauthals hinterher: "Einen Ehering am Finger, aber auf der Straße unschuldigen Frauen unehrenhafte Angebote machen. Was würde Deine Frau sagen? Du Scheusal! Du hast den Mut, Frauen auf der Straße zu belästigen, während Du eine Frau zu Hause hast." Und so noch einige Worte. Die Leute auf der Straße blieben stehen. Mehrere zeigten schockierte Blicke und Erstaunen; manche Männer schauten entrüstet.



(Quelle: Medea und Thompson, zitiert aus: Han Horstink, s.o.19., S.86)

Schul-Autorität

Eine pensionierte Lehrerin war einige Tage zu Besuch in New York. Am letzten Abend wurde sie auf dem Bürgersteig von einem jungen Mann angehalten. Er war mit einem Revolver bewaffnet und verlangte alles Geld von ihr. Andernfalls - so drohte er - würde er sie ermorden.
Da reagierte in der alten Frau die ganze Mentalität ihrer früheren Arbeit. Die Art der Schullehrerin kam in diesem Moment in ihrer ganzen Körperhaltung hervor: sie wurde groß, ihre Augen blinkten mit Autorität, und sie befahl:   "Hör sofort damit auf! Steck die Pistole weg!"
Die Reaktion zeigte Wirkung: In gleicher Weise mit der Körpersprache eines getadelten Schuljungen zuckte der Verbrecher zusammen. Er ließ die Hand sinken, in der er die Pistole hielt, und rannte aus der Straße weg.



(Quelle: erzählt von Dorothy T.Samuel, zitiert aus: Han Horstink, s.o.19., S.74)