In den Jahren 1958-59 mußte ich aufgrund gesetzlicher Verpflichtung einige Monate in den Reihen der französischen Armee verbringen, während der Algerienkrieg tobte.
Kriegsdienstverweigerung war zu dieser Zeit in Frankreich nicht anerkannt. Ich konnte, nicht ohne Kampf übrigens, einen Status als Sanitäter ohne Waffe bekommen. Diese Monate in der Armee waren sicherlich die reichsten meines Lebens an gewaltfreien Abenteuern. Es war ein idealer Ort zur Erprobung der Kraft der Wahrheit, des Widerstands gegen die täglichen Ungerechtigkeiten, die in dieser Art von Institution häufig vorkamen. Ich versuchte die Kraft des Nein, aber auch die Kraft des Ja, die ganz genauso wichtig ist. Kaum verging eine Woche, in der ich nicht konfrontiert wurde mit Situationen, die es mir einbrachten, auch Militärgefängnisse kennenzulernen, unter anderem das der Kaserne von Reutlingen, wo ich im Sommer 1958 einige Tage verbrachte.
Ich fand Freude daran, Mißbräuche anzuzeigen und diejenigen solidarisch zu unterstützen, die man verfolgte oder bestrafte aus dem einzigen Grund, damit die große Maschine des passiven Gehorsams zur Demütigung laufen konnte. Vor allem seit der Zeit, als ich Sanitäter wurde, und besonders in Algerien stellte ich mich zum Dienen ein und darauf, meine Zeit zu geben ohne zu rechnen, um die Kranken zu pflegen. Außerdem gibt es nichts Befriedigenderes als gute Arbeit zu leisten.
Diese Kraft des Ja wird in der Armee genauso wenig praktiziert wie die andere (d.h. die Kraft des Nein). Die Militärpflicht war nicht nach dem Geschmack meiner Kameraden. Einerseits, angesichts der Schikanen, versuchten sie sich ruhig zu verhalten, um ihre Lage nicht zu verschlimmern. Andererseits gehörte es - dazu passend - zum guten Ton, sich möglichst wenig zu kümmern und zu versuchen, sich gut Zeit zu gönnen. Dieser gängigen Trägheit begegnet die Armee im Allgemeinen mit Zwang und großen Abhandlungen über die Ehre, die Verteidigung der Interessen der Nation und das Pflichtbewußtsein.
Ich verhielt mich also dauernd im Gegensatz sowohl zu den Militärs, als auch zu den Kameraden. Wegen der Arche und der Gewaltfreiheit hatte meine Haltung direkten Zugriff auf die Ereignisse, und zwar ohne jede Rede gegen den Militarismus oder den Kolonialismus. Auf diese Weise kam die Kraft der Wahrheit ins Spiel, weil ich zum Wesentlichen kam.
In den letzten sechs Monaten meiner Zeit in Algerien, angesichts meiner Aktivität im Krankenhaus, bot mir die Armee eine Ausbildung als Unteroffizier des Sanitätscorps an. Als ich dies zurückwies, schlugen sie mir vor, wenigstens Soldat erster Klasse zu werden. Die Armee hielt uns zu dieser Zeit über die gesetzlich verpflichtende Zeit hinaus unter den Fahnen, um eine bedeutende Truppe in Algerien halten zu können. Nach dieser gesetzlichen Verpflichtungszeit bekamen wir den gleichen Sold wie die Freiwilligen; im Dienstgrad aufzusteigen bedeutete also sicher zu sein, eine bedeutende Geldsumme zu bekommen - kein Vergleich zu dem, was ein einfacher Soldat erhielt.
Zu ihrem großen Bedauern hatte ich keine andere Antwort, als ihnen lächelnd zu sagen, daß ich ihr Gefangener sei. Es war mir daher unmöglich, die Ehre und die Vorteile, die sie mir als Anerkennung meiner Dienste anboten, anzunehmen.
Dabei hätte es bleiben können. Aber so kam es nicht. Zu meiner großen Überraschung kündigten sie mir einen Monat vor dem Ende meiner Zeit an, sie gewährten mir einen Monat Erholung am Meer. Außerdem strichen sie die Monate Zusatzdienst, die ich wegen meiner Zeit im Gefängnis hätte anhängen müssen, weil sie nicht als Dienstzeit gerechnet wurden.
Hier, in diesen kleinen Aktionen habe ich die Kraft der Wahrheit begriffen. Unter der Offiziersmütze existiert ein Mensch, der eine Haltung als gerecht und wahr verstehen kann - viel mehr als man zu glauben geneigt ist. Es war übrigens nicht der einzige Fall dieser Art, den ich traf während jener Zeit, die ich in der französischen Armee verbrachte.