Vom Widerstand norwegischer Lehrer gegen die Naziherrschaft 1940 - 1943
Norwegen wurde im April 1940 von den Deutschen besetzt. Die Deutschen ernannten den pro-deutschen Norweger Vidkun Quisling zum neuen Regierungschef. Als die Deutschen die Gesetze nach NS-Grundsätzen umformen wollten, traten sämtliche Mitglieder des Obersten Gerichtshofes zurück. Eine Untergrundzeitung wurde in den fünf Jahren der deutschen Besatzung aufrechterhalten.
Im Februar 1942 machte Quisling den Versuch, einen korporativen Staat nach dem Muster Mussolinis zu gründen. Er begann bei der Lehrerschaft. Nach Aufhebung der ehemaligen Lehrerorganisation wurde eine neue mit dem Chef der Quislingschen Geheimpolizei an der Spitze gegründet.
Eine geheime Lehrerorganisation schlug den Lehrern vor, sich in vier Punkten zu widersetzen.
Am 20. Februar 1942 sandten etwa 9000 der 12000 norwegischen Lehrer eine handschriftliche Erklärung an das Unterrichtsministerium mit folgendem Wortlaut: "Ich erkläre, dass ich die Jugend Norwegens nicht nach den Richtlinien der Nasjonal Samling unterrichten kann, da ich dies mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann. Die Mitgliedschaft in dieser Organisation würde mich zwingen, auch andere Handlungen zu begehen, die im Widerspruch zu den Pflichten meines Berufes stehen. Ich sehe mich daher gezwungen zu erklären, dass es mir nicht möglich ist, mich als Mitglied der neuen Lehrerorganisation zu betrachten."
Am 25. Februar gab die Regierung Quisling bekannt, dass die Proteste der Lehrer als offizielle Amtsniederlegung angesehen und dass die Lehrer, wenn sie darauf beharrten, entlassen würden; das Unterrichtsministerium schloss unter dem Vorwand der Kohlenknappheit alle Schulen. Aus allen Teilen des Landes wurde daraufhin Heizmaterial angeboten, um den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten. Die offiziellen Zeitungen erwähnten nichts von dem Widerstand der Lehrer, aber die "Kohlenferien" verbreiteten die Nachricht überall. Das Unterrichtsministerium setzte eine Frist bis zum 15. März: Lehrern, die sich danach den Anordnungen der Regierung widersetzen würden, wurde mit dem Verlust ihrer Anstellung, ihres Gehaltes und ihrer Pension gedroht. Zehntausende, nahezu zehn Prozent aller Eltern Norwegens, protestieren dagegen schriftlich bei der Regierung.
Die Lehrer blieben hart. Nicht einer gab nach. Ab dem 20. März wurden Hunderte von Lehrern willkürlich herausgegriffen und verhaftet. Bei den Ostergottesdiensten verurteilten die Geistlichen diese Verhaftungen.
Die Lehrer wurden in ein Konzentrationslager nach Grini gebracht. Von einer nicht bekannt gegebenen Quelle - nicht von der Regierung - erhielten deren Familien den Gegenwert ihrer Gehälter für die ganze Dauer ihrer Internierung. Im Lager erließ die Regierung ein Ultimatum an die gefangenen Lehrer, aber nur drei lenkten ein. Die 687 Lehrer wurden in Viehwagen in ein anderes Konzentrationslager, etwa 200 Kilometer von Oslo entfernt, gebracht. Auf den Bahnhöfen versammelten sich die Kinder und sangen für sie bei der Durchfahrt des Zuges Lieder.
Im neuen Lager wurden sie zu noch härterer Arbeit unter extremen Bedingungen und Schikanen und minimalster Ernährung gezwungen. Nach zwei Tagen wurden 76 der älteren Lehrer zwischen 55 und 59 Jahren von den Lagerbeamten befragt, aber keiner gab nach.
An den meisten Orten Norwegens ließ die Regierung die Schulen am 8. April wieder öffnen. Die nicht inhaftierten Lehrer, die sich an diesem Tag zum Dienst meldeten, erklärten öffentlich, dass sie der neuen Lehrerorganisation von Quisling nicht angehörten und sprachen auch mit ihren Schülern über ihr Gewissen, vom Geiste der Wahrheit und von der Verantwortung, die sie trügen. Ein starkes Solidaritätsgefühl verband die gesamte Lehrerschaft.
Nach Tagen weiterer Einschüchterungsmaßnahmen im Lager fragte die Lagerleitung jeden einzelnen der Lehrer, ob er einen Widerruf des Protestschreibens unterschreiben würde. Von 637 Lehrern widerriefen 32. So wurden Demütigungen, Foltergymnastik und die Hungerrationen fortgesetzt. Auch verbreiteten die Behörden drohende Gerüchte, was mit den Lehrern bei weiterer Weigerung geschehen werde. Dennoch gaben die Frauen der Lehrer zu verstehen, dass sie ein Nachgeben ihrer Ehemänner nicht wünschten.
Erneut wurden die Lehrer weiter verfrachtet und in Kirkenes der Wehrmacht übergeben Diese zwang sie zu pausenloser Schwerstarbeit im Hafen. Ein Lehrer starb durch die Strapazen.
Die Deportation der Lehrer nach Kirkenes verhärtete die Stimmung und den Widerstandswillen der übrigen Bevölkerung Norwegens. Als Quisling am 22. März mit einer Gruppe von Lehrern in einer kleinen Stadt sprach, erging er sich in Drohungen, Ausfällen und Wutausbrüchen. Er schloss mit den Worten: "Ihr Lehrer habt mir alles verdorben!", und ließ sie verhaften. Am folgenden Tag begaben sich einige Lehrer, die bei der Unterredung nicht zugegen gewesen waren, zum Amtsgebäude und baten darum, mit den anderen gefangen gesetzt zu werden.
Ende August wurden 50 erkrankte Lehrer nach Hause gesandt. Am 16. September kehrte eine zweite Gruppe von rund 100 Männern aus dem Lager zurück. Am 4. November folgten die übrigen etwa 400 Lehrer nach acht Monaten härtester Zwangsarbeit. Man gestattete ihnen, ihre Lehrtätigkeit auszuüben, ohne dass sie ihre Grundsätze widerrufen mussten.
Über die Formen, die der Widerstand annahm, schrieb später einer der Führer, Diderich Lund, dass der wirtschaftliche Widerstand Norwegens völlig zusammenbrach. Sabotage war nur in geringem Masse wirksam, und die Geheimtätigkeit war ebenfalls nicht so wirksam wie die stolze, gerade Offenheit und das Verbleiben bei der Wahrheit. Diejenigen, die in diesem Sinne Widerstand leisteten, wurden - so Lund - ,’von einem eigenartigen Glücksgefühl erfüllt, selbst unter harten und schweren Bedingungen [...] (aus) unerschütterliche(r) Überzeugung des Kämpfens für eine gute Sache ...’
Ereignisse, in denen Gütekraft, Kraft der Gewaltfreiheit, eine Rolle spielte – mehr dazu: www.martin-arnold.eu Dies sind keine Rezepte, nicht zum Nachmachen! Gütekräftiges Handeln im Konflikt heißt, mit einem Aggressor eine Verbindung herzustellen, die ihn an seine Menschlichkeit erinnert. So können Wunder geschehen. Wo das nicht der Fall ist, soll aber keinesfalls Opfern die Verantwortung für das Erlittene zugeschrieben werden.
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Freitag
Harriet Tubman and the Underground Railroad - Power of Goodness
Born a slave, Harriett Tubman became a famous "conductor" on the Underground Railroad, leading hundreds of slaves to freedom.
Introduction
The Underground Railroad was neither underground nor a railroad. It got its name because its activities had to be carried out in secret, using darkness or disguise, and because railway terms were used by those involved with system to describe how it worked. Various routes were lines, stopping places were called stations, those who aided along the way were conductors and their charges were known as packages or freight. The network of routes extended through 14 Northern states and “the promised land” of Canada–beyond the reach of fugitive-slave hunters. Those who most actively assisted slaves to escape by way of the “railroad” were members of the free black community (including former slaves like Harriet Tubman), Northern abolitionists, philanthropists and church leaders like Quaker Thomas Garrett. Harriet Beecher Stowe, famous for her novel Uncle Tom’s Cabin, gained firsthand knowledge of the plight of fugitive slaves through contacts with the Underground Railroad in Cincinnati, Ohio.
The Underground Railroad was the term used to describe a network of persons who helped escaped slaves on their way to freedom in the northern states or Canada. Although George Washington had commented upon such practices by the Quakers as early as the 1780s, the term gained currency in the 1830s, as northern abolitionists became more vocal and southern suspicions of threats to their peculiar institution grew.
Did You Know?
Rewards offered by slaveholders for the capture of Harriet Tubman eventually totaled $40,000.
The popular perception of a well-coordinated system of Quaker, Covenanter, and Methodist “conductors” secretly helping fugitives from “station” to “station” is an exaggeration. The practice involved more spontaneity than the railroad analogy suggests. By the time escapees reached areas where sympathetic persons might assist them, they had already completed the most difficult part of their journey. A successful escape was usually less the product of coordinated assistance and more a matter of the runaways’ resourcefulness–and a great deal of luck.
The most active of the Railroad workers were northern free blacks, who had little or no support from white abolitionists. The most famous “conductor,” an escaped slave named Harriet Tubman, reportedly made nineteen return trips to the South; she helped some three hundred slaves escape. A number of individual whites also aided runaways, as did “vigilance committees,” often biracial in character, in northern cities.
Estimates of the number of slaves assisted vary widely, but only a minuscule fraction of those held in bondage ever escaped. Few, particularly from the Lower South, even attempted the arduous journey north. But the idea of organized “outsiders” undermining the institution of slavery angered white southerners, leading to their demands in the 1840s that the Fugitive Slave Laws be strengthened.
The Reader’s Companion to American History. Eric Foner and John A. Garraty, Editors. Copyright © 1991 by Houghton Mifflin Harcourt Publishing Company. All rights reserved.
Underground Railroad
Author
History.com Staff
Website Name
History.com
Year Published
2009
Title
Underground Railroad
URL
http://www.history.com/topics/black-history/underground-railroad
Access Date
July 23, 2015
Publisher
A+E Networks
Introduction
The Underground Railroad was neither underground nor a railroad. It got its name because its activities had to be carried out in secret, using darkness or disguise, and because railway terms were used by those involved with system to describe how it worked. Various routes were lines, stopping places were called stations, those who aided along the way were conductors and their charges were known as packages or freight. The network of routes extended through 14 Northern states and “the promised land” of Canada–beyond the reach of fugitive-slave hunters. Those who most actively assisted slaves to escape by way of the “railroad” were members of the free black community (including former slaves like Harriet Tubman), Northern abolitionists, philanthropists and church leaders like Quaker Thomas Garrett. Harriet Beecher Stowe, famous for her novel Uncle Tom’s Cabin, gained firsthand knowledge of the plight of fugitive slaves through contacts with the Underground Railroad in Cincinnati, Ohio.
The Underground Railroad was the term used to describe a network of persons who helped escaped slaves on their way to freedom in the northern states or Canada. Although George Washington had commented upon such practices by the Quakers as early as the 1780s, the term gained currency in the 1830s, as northern abolitionists became more vocal and southern suspicions of threats to their peculiar institution grew.
Did You Know?
Rewards offered by slaveholders for the capture of Harriet Tubman eventually totaled $40,000.
The popular perception of a well-coordinated system of Quaker, Covenanter, and Methodist “conductors” secretly helping fugitives from “station” to “station” is an exaggeration. The practice involved more spontaneity than the railroad analogy suggests. By the time escapees reached areas where sympathetic persons might assist them, they had already completed the most difficult part of their journey. A successful escape was usually less the product of coordinated assistance and more a matter of the runaways’ resourcefulness–and a great deal of luck.
The most active of the Railroad workers were northern free blacks, who had little or no support from white abolitionists. The most famous “conductor,” an escaped slave named Harriet Tubman, reportedly made nineteen return trips to the South; she helped some three hundred slaves escape. A number of individual whites also aided runaways, as did “vigilance committees,” often biracial in character, in northern cities.
Estimates of the number of slaves assisted vary widely, but only a minuscule fraction of those held in bondage ever escaped. Few, particularly from the Lower South, even attempted the arduous journey north. But the idea of organized “outsiders” undermining the institution of slavery angered white southerners, leading to their demands in the 1840s that the Fugitive Slave Laws be strengthened.
The Reader’s Companion to American History. Eric Foner and John A. Garraty, Editors. Copyright © 1991 by Houghton Mifflin Harcourt Publishing Company. All rights reserved.
Underground Railroad
Author
History.com Staff
Website Name
History.com
Year Published
2009
Title
Underground Railroad
URL
http://www.history.com/topics/black-history/underground-railroad
Access Date
July 23, 2015
Publisher
A+E Networks
Donnerstag
The Voice of Peace – Der Traum des Abie Nathan
TV-Kritik: The Voice of Peace – Der Traum des Abie Nathan, Nathan der Weise
Von Daland Segler
Eric Friedler erinnert in einer spannenden Dokumentation an den fast vergessenen israelischen Friedensaktivisten Abie Nathan.
„Ev’rybody’s talkin’ `bout...“ beginnen John Lennon und Yoko Ono jeweils die Strophen ihres Songs „Give Peace a Chance“. Zu denen, über die jeder redet, gehört demnach auch ein „Abie Nathan“. Davon abgesehen, dass der Name in den schriftlichen Wiedergaben des Liedtextes nicht auftaucht, sondern nur in einer Live-Version, weiß heute außerhalb Israels so gut wie – nein: so schlecht wie – kein Mensch mehr, wer Abie Nathan war.
Das hat der Mann nicht verdient. Und deshalb ist der Dokumentarfilmer Eric Friedler umso mehr zu loben, dass er Abie Nathan dem Vergessen entrissen hat. Denn der Israeli war so etwas wie eine Verschmelzung aus Mahatma Gandhi, John Lennon und Mutter Teresa. Klingt übertrieben. Ist es aber nicht. Denn die Taten aufzuzählen, mit denen dieser Mann die Menschheit bereichert hat, dafür reicht nicht der Platz einer Filmkritik noch der eines anderthalbstündigen Dokumentarfilms, wie ihn die ARD heute Abend (wieder einmal viel zu spät) zeigt.
So wird die rastlose Arbeit dieses Helfers der Notleidenden nur angerissen: Er reiste von den sechziger bis zu den neunziger Jahren immer wieder in die Katastrophengebiete wie Biafra, Kambodscha oder Äthiopien, um den Hungernden Lebensmittel und andere Hilfsgüter zu bringen – auf eigene Kosten und nur von ein paar Freunden unterstützt. Es sei „einfach die Pflicht eines jeden menschlichen Wesens, hierher zu kommen und zu helfen“, sagte er 1968 in Biafra, und wer die verhungernden Kleinkinder auf den Armen der Helfer sieht, muss schon aus Stein sein, um nicht erschüttert zu sein (und daran zu denken, dass es heute im Südsudan die gleichen Bilder wieder gibt).
Der selbstlose Helfer war nur eine der erstaunlichen Seiten des Abie Nathan, der findige Friedensaktivist eine andere. Überzeugt davon, dass Frieden zwischen Israel und seinen Nachbarn möglich sein müsse, provozierte er die Regierung seines Landes, das damals noch „in der Kibbuz-Atmosphäre verharrte“, wie Autor Dan Almagor formuliert, immer wieder mit pazifistischen Aktionen. So flog der als Pilot ausgebildete Nathan mitten in den Krisenzeiten 1966 von Israel nach Port Said in Ägypten oder durchquerte mit einem Schiff den Suezkanal – und nahm damit vorweg, was später politische Realität wurde: die Friedensverhandlungen zwischen Israel und Ägypten.
Er ging 1978 in den Hungerstreik gegen den Siedlungsbau (wer würde das im heutigen Israel tun?); und drei Jahre bevor Schimon Peres und Yassir Arafat den Friedensnobelpreis bekamen, schüttelte Abie Nathan 1991 die Hand des Palästinenserführers und wurde dafür ins Gefängnis gesteckt – obwohl der einflussreiche Schimon Peres (90) sich heute im Interview als „sehr guten Freund“ des Pazifisten bezeichnet. Aber der Nestor der israelischen Politik sagt eben auch solche Sätze wie: „Eine Regierung will doch immer nur Ruhe“.
Schwimmende Radiostation
Seine Prominenz und die Mittel für seine wagemutigen Alleingänge erlangte der 1927 geborene und in Indien aufgewachsene Nathan dann durch eine dritte, seine John-Lennon-Seite: Er kaufte sich in Holland ein Schiff und ließ es zu einer schwimmenden Radiostation umbauen, nach dem Vorbild der in den sechziger Jahren in der Nordsee stationierten Piratensender wie „Radio Veronica“ oder „Radio Caroline“. Nathan taufte seinen Kahn „Peace“, und wenige Seemeilen vor der Küste Israels strahlte von 1973 an „The Voice of Peace“ aktuelle Popmusik und Friedensbotschaften aus, angeblich „somewhere from the mediterranien“, irgendwo vom Mittelmeer.
Der Sender wurde so populär, dass Nathan mit Radiowerbung Geld scheffeln und damit seine humanitäre und pazifistische Arbeit finanzieren konnte. Er fand Unterstützung bei den Kulturschaffenden auf der ganzen Welt, neben George Harrison, Joan Baez oder Gloria Gaynor zählten Schauspieler wie Michael Caine, Dirigenten wie Zubin Mehta oder Daniel Barenboim zu den Helfern des Helfers, und natürlich Lennon und Yoko Ono, die den Menschenfreund einen „weisen Mann“ nennt.
Eric Friedler hat die heute noch lebenden Freunde Nathans alle vor die Kamera bekommen, und sie zeichnen das Bild eines Mannes voller Leidenschaft für seine Sache. Es fällt kein einziger negativer Satz über Nathan, sieht man einmal von der Randbemerkung ab, es habe „keine Frau lange mit ihm ausgehalten“. Denn der Mann, der in Tel Aviv ein rasch populäres Restaurant namens „California“ eröffnet und den Hamburger nach Israel gebracht hatte, galt auch als Playboy, wie ein Berufener berichtet: Rolf Eden.
Friedlers Arbeit ist eine gelungene Abfolge von Interviews und (noch im 4:3 Format) eingeblendeten Szenen aus dem Leben Abie Nathans, mit flottem Soul und Funk aus den siebziger Jahren unterlegt und einigen Schwarz-Weiß-Fotomontagen im Stil von Kulissen aufgelockert. Er selbst kommt selten zu Wort – umso bedrückender ist die Sequenz, als er 1993 das Ende seines Senders bekannt gibt und sein Schiff versenkt: Die Menschen brauchten seine Botschaft nicht mehr. Ein Irrtum, wie wir heute wissen.
Aber damals schien das Osloer Friedensabkommen auf bessere Zeiten in Nahost hinzudeuten und „The Voice of Peace“ überflüssig zu werden. Die Unterstützer blieben weg, und Nathan fehlte nun das Geld für seine Missionen. Er starb verarmt, wie es im Nachspann heißt, 2008 in Tel Aviv, und auf seinem Grabstein steht: „Ich habe es versucht“. Er hat es nicht nur versucht, das belegt dieser Film, aber es gilt auch heute, was Israels Oberrabbiner Israel Meir Lau im Interview über die Katastrophe in Biafra sagt: „Die Menschheit hat nichts gelernt.“
„The Voice of Peace – Der Traum des Abie Nathan“, ARD, 7. Januar, 22.45 Uhr.
Von Daland Segler
Eric Friedler erinnert in einer spannenden Dokumentation an den fast vergessenen israelischen Friedensaktivisten Abie Nathan.
„Ev’rybody’s talkin’ `bout...“ beginnen John Lennon und Yoko Ono jeweils die Strophen ihres Songs „Give Peace a Chance“. Zu denen, über die jeder redet, gehört demnach auch ein „Abie Nathan“. Davon abgesehen, dass der Name in den schriftlichen Wiedergaben des Liedtextes nicht auftaucht, sondern nur in einer Live-Version, weiß heute außerhalb Israels so gut wie – nein: so schlecht wie – kein Mensch mehr, wer Abie Nathan war.
Das hat der Mann nicht verdient. Und deshalb ist der Dokumentarfilmer Eric Friedler umso mehr zu loben, dass er Abie Nathan dem Vergessen entrissen hat. Denn der Israeli war so etwas wie eine Verschmelzung aus Mahatma Gandhi, John Lennon und Mutter Teresa. Klingt übertrieben. Ist es aber nicht. Denn die Taten aufzuzählen, mit denen dieser Mann die Menschheit bereichert hat, dafür reicht nicht der Platz einer Filmkritik noch der eines anderthalbstündigen Dokumentarfilms, wie ihn die ARD heute Abend (wieder einmal viel zu spät) zeigt.
So wird die rastlose Arbeit dieses Helfers der Notleidenden nur angerissen: Er reiste von den sechziger bis zu den neunziger Jahren immer wieder in die Katastrophengebiete wie Biafra, Kambodscha oder Äthiopien, um den Hungernden Lebensmittel und andere Hilfsgüter zu bringen – auf eigene Kosten und nur von ein paar Freunden unterstützt. Es sei „einfach die Pflicht eines jeden menschlichen Wesens, hierher zu kommen und zu helfen“, sagte er 1968 in Biafra, und wer die verhungernden Kleinkinder auf den Armen der Helfer sieht, muss schon aus Stein sein, um nicht erschüttert zu sein (und daran zu denken, dass es heute im Südsudan die gleichen Bilder wieder gibt).
Der selbstlose Helfer war nur eine der erstaunlichen Seiten des Abie Nathan, der findige Friedensaktivist eine andere. Überzeugt davon, dass Frieden zwischen Israel und seinen Nachbarn möglich sein müsse, provozierte er die Regierung seines Landes, das damals noch „in der Kibbuz-Atmosphäre verharrte“, wie Autor Dan Almagor formuliert, immer wieder mit pazifistischen Aktionen. So flog der als Pilot ausgebildete Nathan mitten in den Krisenzeiten 1966 von Israel nach Port Said in Ägypten oder durchquerte mit einem Schiff den Suezkanal – und nahm damit vorweg, was später politische Realität wurde: die Friedensverhandlungen zwischen Israel und Ägypten.
Er ging 1978 in den Hungerstreik gegen den Siedlungsbau (wer würde das im heutigen Israel tun?); und drei Jahre bevor Schimon Peres und Yassir Arafat den Friedensnobelpreis bekamen, schüttelte Abie Nathan 1991 die Hand des Palästinenserführers und wurde dafür ins Gefängnis gesteckt – obwohl der einflussreiche Schimon Peres (90) sich heute im Interview als „sehr guten Freund“ des Pazifisten bezeichnet. Aber der Nestor der israelischen Politik sagt eben auch solche Sätze wie: „Eine Regierung will doch immer nur Ruhe“.
Schwimmende Radiostation
Seine Prominenz und die Mittel für seine wagemutigen Alleingänge erlangte der 1927 geborene und in Indien aufgewachsene Nathan dann durch eine dritte, seine John-Lennon-Seite: Er kaufte sich in Holland ein Schiff und ließ es zu einer schwimmenden Radiostation umbauen, nach dem Vorbild der in den sechziger Jahren in der Nordsee stationierten Piratensender wie „Radio Veronica“ oder „Radio Caroline“. Nathan taufte seinen Kahn „Peace“, und wenige Seemeilen vor der Küste Israels strahlte von 1973 an „The Voice of Peace“ aktuelle Popmusik und Friedensbotschaften aus, angeblich „somewhere from the mediterranien“, irgendwo vom Mittelmeer.
Der Sender wurde so populär, dass Nathan mit Radiowerbung Geld scheffeln und damit seine humanitäre und pazifistische Arbeit finanzieren konnte. Er fand Unterstützung bei den Kulturschaffenden auf der ganzen Welt, neben George Harrison, Joan Baez oder Gloria Gaynor zählten Schauspieler wie Michael Caine, Dirigenten wie Zubin Mehta oder Daniel Barenboim zu den Helfern des Helfers, und natürlich Lennon und Yoko Ono, die den Menschenfreund einen „weisen Mann“ nennt.
Eric Friedler hat die heute noch lebenden Freunde Nathans alle vor die Kamera bekommen, und sie zeichnen das Bild eines Mannes voller Leidenschaft für seine Sache. Es fällt kein einziger negativer Satz über Nathan, sieht man einmal von der Randbemerkung ab, es habe „keine Frau lange mit ihm ausgehalten“. Denn der Mann, der in Tel Aviv ein rasch populäres Restaurant namens „California“ eröffnet und den Hamburger nach Israel gebracht hatte, galt auch als Playboy, wie ein Berufener berichtet: Rolf Eden.
Friedlers Arbeit ist eine gelungene Abfolge von Interviews und (noch im 4:3 Format) eingeblendeten Szenen aus dem Leben Abie Nathans, mit flottem Soul und Funk aus den siebziger Jahren unterlegt und einigen Schwarz-Weiß-Fotomontagen im Stil von Kulissen aufgelockert. Er selbst kommt selten zu Wort – umso bedrückender ist die Sequenz, als er 1993 das Ende seines Senders bekannt gibt und sein Schiff versenkt: Die Menschen brauchten seine Botschaft nicht mehr. Ein Irrtum, wie wir heute wissen.
Aber damals schien das Osloer Friedensabkommen auf bessere Zeiten in Nahost hinzudeuten und „The Voice of Peace“ überflüssig zu werden. Die Unterstützer blieben weg, und Nathan fehlte nun das Geld für seine Missionen. Er starb verarmt, wie es im Nachspann heißt, 2008 in Tel Aviv, und auf seinem Grabstein steht: „Ich habe es versucht“. Er hat es nicht nur versucht, das belegt dieser Film, aber es gilt auch heute, was Israels Oberrabbiner Israel Meir Lau im Interview über die Katastrophe in Biafra sagt: „Die Menschheit hat nichts gelernt.“
„The Voice of Peace – Der Traum des Abie Nathan“, ARD, 7. Januar, 22.45 Uhr.
Leipzig 1989 – Friedliche Revolution, ein kommentierter Gütekraftbericht
Von Martin Arnold
Am 9. Oktober 1989 stießen in Leipzig 70.000 Menschen mit Gütekraft das Tor zur Überwindung der DDR-Diktatur auf.
Entscheidenden Einfluss hatte eine Kerngruppe, deren Beharrlichkeit gegen alle Widerstände den langsamen Aufbau eines starken Netzwerks ermöglicht hatte. (Hier kommen nur die wichtigsten Fakten des komplexen Geschehens zur Sprache.) Sie bildete sich seit 1982 aus denen, die das Friedensgebet in der evangelischen Nikolaikirche montags um 17 Uhr gestalteten, und wurde von Pfarrer Christian Führer, dem Gemeinderat und auch auf höherer kirchlicher Ebene gestützt und mit Mühe gegen staatliche Angriffe geschützt. Zur Bewusstseins- und Netzwerkbildung trugen u.a. Ökumenische Versammlungen mit ihrem Eintreten für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung und Impulse aus dem Ausland wesentlich bei.
In der ganzen DDR, auch in Leipzig, wurden Menschen in ihrer Meinungsfreiheit unterdrückt und außerdem Tausende von Ausreisewilligen gesellschaftlich total ausgegrenzt; viele waren empört, viele hatten resigniert. Sie gehörten damit in kirchlicher Wahrnehmung zu den „Mühseligen und Beladenen“, für die Jesus gekommen sei und um die sich daher die Kirche zu kümmern habe. Für beide Gruppen stellte die Nikolaikirche – „offen für alle“ – einen Raum offener Begegnung und des freien Gesprächs zur Verfügung. Da die Friedensgebete von den verschiedenen Gruppen gestaltet wurden, fanden auch die Inhalte dieser Gespräche einen kirchen-öffentlichen, sozusagen offiziellen Ausdruck.
Der freie Dialog auch über Politik und Gesellschaft für die Zukunft des Landes, den die DDR-Politik allgemein verhinderte, wurde im Friedensgebet so selbst in einem geschützten Raum quasi-öffentlich begonnen.
Das ist ein wichtiges Kennzeichen des gütekräftigen Vorgehens: Selbst zu beginnen und so die angestrebte Veränderung selbst bereits ansatzweise in Gang zu setzen ist stark. Es ist viel kraftvoller, als einfach nur Forderungen an andere zu richten. Denn es steckt an.
Bei dem Beten wurden bestimmte Grundsätze beachtet: Es soll als Wort der Versöhnung geschehen; keine bloßen Wirklichkeitsbeschreibungen, die in Ausweglosigkeit enden; ein Mindestmaß an Konstruktivität; keine Herabwürdigung von Personen – Gewaltfreiheit vermeidet auch verbale Gewalt; ungeschminkte, ehrliche Zeugnisse der Betroffenheit in Trauer und Wut ohne „die unerträgliche Ausgewogenheit vieler kirchlicher Verlautbarungen“; wahrheitsgemäßes Aufdecken von Unrecht.
All dies zu beachten ist typisch nicht nur für diesen christlichen Umgang mit Problemen, sondern auch allgemein für gütekräftiges Handeln.
So miteinander zu reden und solches Beten, vor allem, wenn es zur Gewohnheit wird, verändert Menschen, die nur noch empört oder hoffnungslos sind oder resigniert haben. Die Anliegen „vor Gott zu bringen“, entlastet von der Vorstellung, selbst alles machen zu müssen, entlastet von eigener Überforderung und ermöglicht Hoffnung durch die Befreiung zu realistischer Beurteilung der Lage, die ja immer zukunftsoffen ist. So veränderte Menschen fassten Vertrauen in die Zukunft anstatt in Wut oder in Angst zu versinken. Je mehr Menschen bewusst in diesem Geist zusammen sind und ihm Ausdruck geben, desto stärker werden Vertrauen, Mut und Hoffnung auf die Zukunft.
Zwei Tage vor dem 9. Oktober feierte die DDR-Führung das 40jährige Bestehen dieses Staates und demonstrierte wie bereits an einigen Montagen zuvor Skrupellosigkeit, indem sie nicht nur auf Demonstrierende, sondern auch willkürlich auf Passanten, die zufällig vor der Nikolaikirche vorbeigingen, einprügeln und einige von ihnen einsperren ließ – offensichtlich zur Einschüchterung. Ihr war das Friedensgebet ein Dorn im Auge, zumal sich seit einiger Zeit regelmäßig nachher draußen immer mehr Menschen versammelten, öffentlich diskutierten und demonstrierten.
Am 9. Oktober sollte „dem Spuk ein Ende bereitet werden“. Polizei, Soldaten und Betriebskampfgruppen waren aufgestellt, 8000 Bewaffnete. Blutkonserven waren mengenweise in Leipziger Krankenhäusern bereitgestellt. (Wenige Monate zuvor hatte die Pekinger Führung auf dem Platz des Himmlischen Friedens die für Freiheit demonstrierenden Massen grausam umbringen lassen, die DDR-Regierung war einverstanden.) Betriebe, Kindergärten und Schulen schlossen an diesem Tag früher als sonst. Die Bevölkerung wurde davor gewarnt, am Nachmittag auf die Straße zu gehen. Die Kirche, die ganze Stadt stand unter Druck.
In dieser Situation äußerster Anspannung und geschürter Angst behielten viele Menschen dennoch das Vertrauen in die Zukunft und den Mut, die im Laufe von Wochen und Monaten im Zusammensein bei den Gebeten gewachsen waren. Das Praktizieren des offenen Dialogs und die Forderung des offenen Dialogs bei ausdrücklicher Ablehnung von Gewalt hatten Tausende inspiriert. Eltern, die trotz der Massenmord-Drohungen am Friedensgebet teilnahmen, sorgten für den Fall, dass sie nicht wieder nach Hause kommen würden, vor, wer dann für ihre Kinder sorgen würde. Die Nikolaikirche fasste schon vor dem 9. Oktober die Massen nicht mehr. Daher wurde gleichzeitig auch in anderen Kirchen für Frieden gebetet. Um am Entscheidungstag wirklich Interessierten möglichst wenig Platz zu lassen, kamen tausend SED-Funktionäre Stunden vor Beginn in die Nikolaikirche, Christian Führer sieht dies „als einen besonders humorvollen Schachzug Gottes“. Denn auch diese Nichtchristen hörten nun die gütekräftige Jesus-Botschaft von der Gewaltfreiheit – und auch sie hielten sich hinterher an die Bitte „Nehmt die Gewaltlosigkeit aus der Kirche mit hinaus auf die Straßen und Plätze!“ Christian Führer: „Straße und Kirche gehören zusammen!“ In den Kirchen war die Atmosphäre christlich-gütekräftig. Hier und im Rundfunk wurde ein „Aufruf der Sechs“ Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, darunter drei SED-Sekretäre, verlesen, die sich für den Dialog auch mit der Staatsführung – und damit gegen deren Gewalt-Maßnahmen - einsetzten. Nach dem Gebet strömten insgesamt 70.000 friedlich Demonstrierende, viele mit Kerzen in der Hand, auf den Leipziger Ring. Dort wurde schon Stunden zuvor ein illegal gedruckter „Appell“ zur Gewaltlosigkeit massenhaft verteilt – auch an die Bewaffneten. Provokationen wurden von den anderen Demonstrierenden niedergehalten.
Die politische Führung hatte nicht mit solchen Massen gerechnet und war „auf alles, nur nicht auf Kerzen und Gebete vorbereitet“. Es gab schließlich doch keinen Befehl zu Festnahmen oder zum Einsatz von Schlagstöcken oder Schusswaffen. Tiefe Verunsicherung führender Personen wurde damit auch unter diesen manifest. Sie wurde in den folgenden Wochen so stark, dass der Staat zusammenbrach.
Die Ereignisse belegen eindrücklich die große, ansteckende Kraft des gütekräftigen Vorgehens gegen Missstände, das von den Friedensgebeten ausging.
Der Hintergrund für die Unterdrückung freier Meinungsäußerungen und für die Ausgrenzung Ausreisewilliger war, allen bewusst, der totalitäre Anspruch des Staates, der alle Lebensbereiche aller Staatsbürger und Staatsbürgerinnen beherrschen wollte. Dies war, Christian Führer sah es klar, der eigentliche Missstand. Unter ihm litten große Teile der Bevölkerung mehr oder weniger, sicherlich auch Mitglieder der Partei, in die viele aus beruflichen Gründen und nicht aus Überzeugung eingetreten waren. Die Berechtigung des Totalitätsanspruchs wurde durch Christinnen und Christen bestritten. Das freie Wort war ein Akt der Nichtzusammenarbeit mit dem Missstand. Eine Kirche, die dafür legal Raum bot, entfiel damit als Stütze des Systems. Zunächst nutzten diejenigen diesen Raum, die aus ihrem Nicht-einverstanden-sein schon persönliche, riskante Folgerungen gezogen hatten: protestierende Jugendliche und Ausreiseantragsteller*innen. Auch Menschen, die sich noch nicht entschieden hatten, wurden durch sie zur montäglichen Teilnahme angeregt. Das gütekräftig gestaltete Gebet und die offenen Gespräche, schließlich auch Demonstrationen (und Beiträge für das Westfernsehen, das die Vorgänge auch weit in der DDR bekannt machte) erwiesen sich als angemessene Medien zum ansteckenden gütekräftigen Umgang mit dem Missstand. Der „Aufruf der Sechs“ zeigt darüber hinaus: Michail Gorbatschows Moskauer Glasnost-Politik (Offenheit, Transparenz, Öffentlichkeit) und der Runde Tisch der polnischen Staatsführung mit der Solidarność-Bewegung ermutigten auch sozialistische Funktionäre in der DDR, politischen Dialog als sinnvoll anzusehen und folglich dem Missstand ‚totalitärer Staat‘ die Zusammenarbeit aufzukündigen. Der Konflikt war auf der SED-Führungsebene angekommen. Zum gütekräftigen Vorgehen gehört bei größeren Missständen klassisch dazu, unter denen, die den Missstand aufrechterhalten, Widerspruch gegen ihn zu wecken und zu verstärken.
Bei der Rosenkranzrevolution auf den Philippinen 1986 wurde methodisch reflektiert genau darauf systematisch hingearbeitet. Bei der Friedlichen Revolution in der DDR geschah die Verunsicherung der herrschenden Kreise, ohne dass die Unzufriedenen gezielt darauf hinarbeiteten. In Leipzig wirkte die Strahlkraft der Friedensgebete, der am 9. Oktober auch die tausend Funktionäre in St. Nikolai ausgesetzt waren. Sie rief nicht nur die Überzeugung von der Richtigkeit des Dialogs, sondern auch die innere Bereitschaft dazu hervor und mit ihr den tragenden Grund für den Verzicht auf Gewalt gegen Andersdenkende. Der Verzicht auf Gewalt bedeutete als Zeichen der Bereitschaft zum Dialog für die SED, als Partei den Anspruch auf alleinigen Wahrheitsbesitz aufzugeben. Damit entfiel die Rechtfertigung für den – notfalls mit Waffen durchzusetzenden – Totalitätsanspruch. Dieser wurde nun, weil er dem Dialog im Wege stand, für alle als Missstand erkennbar. Das war die revolutionäre Botschaft, die von Leipzig ausgehend das empfangsbereite Land elektrisierte und unabweisbar auch sämtliche Führungsebenen erreichte. Nahezu im ganzen Land wurde sie an den folgenden Montagen von Hunderttausenden verstärkt. Was bedeutete dies für diejenigen, die vor allem aus jenem Wahrheitsanspruch ihr Selbstverständnis und ihren Auftrag als Regierende herleiteten? Die Botschaft von der Notwendigkeit des Dialogs war so stark, dass es für sie nur noch eine Frage der Zeit war, abzutreten.
Christian Führer leitete aus den Erfahrungen mit Nichtchrist*innen bei diesen Vorgängen die Forderung einer „Ökumene mit Atheisten“ ab.
Unter Gütekraft-Aspekten betrachtet steckt darin die Frage, warum Nichtchrist*innen bis hin zu hohen sozialistischen Funktionären schließlich mitmachten. Führer sieht darin das Wirken Gottes, teils ohne dass sie ahnen, Gottes Werkzeuge zu sein (wie Kyros [Jes. 45,1] und Gorbatschow), teils indem sie von der biblischen Botschaft berührt wurden. Es ist das Wirken „einer einzigartigen Kraft, die die friedliche Revolution gelingen ließ“ (Führer). Diese Sicht ist gut vereinbar mit der allgemeineren Antwort, die der Vergleich mit anderen Vorgängen weltweit nahelegt:
Die Fähigkeit zu gütekräftigem Handeln ist dem Menschen angeboren wie die Sprache: So wie wir sprechen lernen können, sind auch alle Menschen in der Lage, Gutes zu tun. Dies beruht auf der naturgegebenen Verbundenheit aller Menschen miteinander (biblisch: der Mensch ist Gottes Ebenbild, vgl. das Verhalten des ‚ungläubigen‘ barmherzigen Samariters). Diese Verbundenheit bringt die Neigung mit sich, allen mit Wohlwollen und Gerechtigkeit sowie mit Einfühlung und der Bereitschaft zu gemeinsamem Handeln zu begegnen (Gütekraft-Potenz). Darum entsteht in Menschen, die wahrnehmen, dass jemand dabei tätig ist, Unterdrückung, Unrecht oder Unmenschlichkeit abzubauen, ein inneres Mitschwingen und ein Impuls mitzumachen. Ob sie es tun, hängt von weiteren Faktoren ab. Wir spüren jedoch alle zumindest unbewusst, dass der Einsatz für Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Freiheit zu unserem Menschsein gehört, und sind deshalb grundsätzlich bereit, uns zum Gutestun anstecken zu lassen. Darum ist möglich, was Paulus (Röm. 12,21) empfiehlt: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde Böses mit Gutem“. Und darum beschreibt der Koran (Sure 41, [33. 34] 35) eine Wirklichkeit: „Gutes und Böses ist nicht einerlei; darum wende das Böse durch Gutes ab, dann wird selbst dein Feind dir zum echten Freund werden.“ Es muss nicht immer ein persönlicher Freund werden, es kann auch ein Mitstreiter gegen Unterdrückung werden, der vorher das System unterstützte. Wenn viele sich anstecken lassen, können so auch Strukturen geändert werden. Dies geschieht – geplant oder ungeplant – dadurch, dass immer mehr von denjenigen Personen, die eine ungerechte Struktur aufrechterhalten, zur Nichtzusammenarbeit übergehen – bis die Struktur kippt. Wichtig ist, frühzeitig die besseren Möglichkeiten zu entwerfen und im Ansatz bereits zu verwirklichen.
Quellen:
- Führer, Christian (2009): Und wir sind dabei gewesen. Die Revolution, die aus der Kirche kam. Berlin: Ullstein.
- Führer, Christian (2014): Frech - fromm - frei. Worte, die Geschichte schrieben.
Leipzig: Evang. Verl.-Anst.
- Mündliche Berichte von Augenzeugen in Leipzig.
- Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung e.V. – Vorstand (Hg.) (2008): Bericht über das Kolloquium 2008…: Wissenschaftlicher Kongress „Frieden mit dem Unfrieden? Wissensbestände im Wandel“, 29.2.2008 bis 2.3.2008, Leipzig. Online: http://www.afk-web.de/fileadmin/afk-web.de/data/zentral/dokumente/tagungsberichte/AFK-Tagung-2008_Koll_Frieden-mit-dem-Unfrieden.pdf , S. 19-24 [Zugriff 21.09.2014].
- Wikipedia-Artikel zu: Ökumenische Versammlung, Friedliche Revolution, Montagsdemonstrationen [Zugriff 21.09.2014].
- Bürger, Eberhard (2013): Kirche des Friedens werden – Aufbrüche im Bereich der ehemaligen DDR. Eine persönliche Studie zum 25. Jahr der friedlichen Revolution im Jahr 2014. Hg. Deutscher Zweig des International Fellowship of Reconciliation – Versöhnungsbund e.V. ISBN 978-3-00-042460-1
Am 9. Oktober 1989 stießen in Leipzig 70.000 Menschen mit Gütekraft das Tor zur Überwindung der DDR-Diktatur auf.
Entscheidenden Einfluss hatte eine Kerngruppe, deren Beharrlichkeit gegen alle Widerstände den langsamen Aufbau eines starken Netzwerks ermöglicht hatte. (Hier kommen nur die wichtigsten Fakten des komplexen Geschehens zur Sprache.) Sie bildete sich seit 1982 aus denen, die das Friedensgebet in der evangelischen Nikolaikirche montags um 17 Uhr gestalteten, und wurde von Pfarrer Christian Führer, dem Gemeinderat und auch auf höherer kirchlicher Ebene gestützt und mit Mühe gegen staatliche Angriffe geschützt. Zur Bewusstseins- und Netzwerkbildung trugen u.a. Ökumenische Versammlungen mit ihrem Eintreten für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung und Impulse aus dem Ausland wesentlich bei.
In der ganzen DDR, auch in Leipzig, wurden Menschen in ihrer Meinungsfreiheit unterdrückt und außerdem Tausende von Ausreisewilligen gesellschaftlich total ausgegrenzt; viele waren empört, viele hatten resigniert. Sie gehörten damit in kirchlicher Wahrnehmung zu den „Mühseligen und Beladenen“, für die Jesus gekommen sei und um die sich daher die Kirche zu kümmern habe. Für beide Gruppen stellte die Nikolaikirche – „offen für alle“ – einen Raum offener Begegnung und des freien Gesprächs zur Verfügung. Da die Friedensgebete von den verschiedenen Gruppen gestaltet wurden, fanden auch die Inhalte dieser Gespräche einen kirchen-öffentlichen, sozusagen offiziellen Ausdruck.
Der freie Dialog auch über Politik und Gesellschaft für die Zukunft des Landes, den die DDR-Politik allgemein verhinderte, wurde im Friedensgebet so selbst in einem geschützten Raum quasi-öffentlich begonnen.
Das ist ein wichtiges Kennzeichen des gütekräftigen Vorgehens: Selbst zu beginnen und so die angestrebte Veränderung selbst bereits ansatzweise in Gang zu setzen ist stark. Es ist viel kraftvoller, als einfach nur Forderungen an andere zu richten. Denn es steckt an.
Bei dem Beten wurden bestimmte Grundsätze beachtet: Es soll als Wort der Versöhnung geschehen; keine bloßen Wirklichkeitsbeschreibungen, die in Ausweglosigkeit enden; ein Mindestmaß an Konstruktivität; keine Herabwürdigung von Personen – Gewaltfreiheit vermeidet auch verbale Gewalt; ungeschminkte, ehrliche Zeugnisse der Betroffenheit in Trauer und Wut ohne „die unerträgliche Ausgewogenheit vieler kirchlicher Verlautbarungen“; wahrheitsgemäßes Aufdecken von Unrecht.
All dies zu beachten ist typisch nicht nur für diesen christlichen Umgang mit Problemen, sondern auch allgemein für gütekräftiges Handeln.
So miteinander zu reden und solches Beten, vor allem, wenn es zur Gewohnheit wird, verändert Menschen, die nur noch empört oder hoffnungslos sind oder resigniert haben. Die Anliegen „vor Gott zu bringen“, entlastet von der Vorstellung, selbst alles machen zu müssen, entlastet von eigener Überforderung und ermöglicht Hoffnung durch die Befreiung zu realistischer Beurteilung der Lage, die ja immer zukunftsoffen ist. So veränderte Menschen fassten Vertrauen in die Zukunft anstatt in Wut oder in Angst zu versinken. Je mehr Menschen bewusst in diesem Geist zusammen sind und ihm Ausdruck geben, desto stärker werden Vertrauen, Mut und Hoffnung auf die Zukunft.
Zwei Tage vor dem 9. Oktober feierte die DDR-Führung das 40jährige Bestehen dieses Staates und demonstrierte wie bereits an einigen Montagen zuvor Skrupellosigkeit, indem sie nicht nur auf Demonstrierende, sondern auch willkürlich auf Passanten, die zufällig vor der Nikolaikirche vorbeigingen, einprügeln und einige von ihnen einsperren ließ – offensichtlich zur Einschüchterung. Ihr war das Friedensgebet ein Dorn im Auge, zumal sich seit einiger Zeit regelmäßig nachher draußen immer mehr Menschen versammelten, öffentlich diskutierten und demonstrierten.
Am 9. Oktober sollte „dem Spuk ein Ende bereitet werden“. Polizei, Soldaten und Betriebskampfgruppen waren aufgestellt, 8000 Bewaffnete. Blutkonserven waren mengenweise in Leipziger Krankenhäusern bereitgestellt. (Wenige Monate zuvor hatte die Pekinger Führung auf dem Platz des Himmlischen Friedens die für Freiheit demonstrierenden Massen grausam umbringen lassen, die DDR-Regierung war einverstanden.) Betriebe, Kindergärten und Schulen schlossen an diesem Tag früher als sonst. Die Bevölkerung wurde davor gewarnt, am Nachmittag auf die Straße zu gehen. Die Kirche, die ganze Stadt stand unter Druck.
In dieser Situation äußerster Anspannung und geschürter Angst behielten viele Menschen dennoch das Vertrauen in die Zukunft und den Mut, die im Laufe von Wochen und Monaten im Zusammensein bei den Gebeten gewachsen waren. Das Praktizieren des offenen Dialogs und die Forderung des offenen Dialogs bei ausdrücklicher Ablehnung von Gewalt hatten Tausende inspiriert. Eltern, die trotz der Massenmord-Drohungen am Friedensgebet teilnahmen, sorgten für den Fall, dass sie nicht wieder nach Hause kommen würden, vor, wer dann für ihre Kinder sorgen würde. Die Nikolaikirche fasste schon vor dem 9. Oktober die Massen nicht mehr. Daher wurde gleichzeitig auch in anderen Kirchen für Frieden gebetet. Um am Entscheidungstag wirklich Interessierten möglichst wenig Platz zu lassen, kamen tausend SED-Funktionäre Stunden vor Beginn in die Nikolaikirche, Christian Führer sieht dies „als einen besonders humorvollen Schachzug Gottes“. Denn auch diese Nichtchristen hörten nun die gütekräftige Jesus-Botschaft von der Gewaltfreiheit – und auch sie hielten sich hinterher an die Bitte „Nehmt die Gewaltlosigkeit aus der Kirche mit hinaus auf die Straßen und Plätze!“ Christian Führer: „Straße und Kirche gehören zusammen!“ In den Kirchen war die Atmosphäre christlich-gütekräftig. Hier und im Rundfunk wurde ein „Aufruf der Sechs“ Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, darunter drei SED-Sekretäre, verlesen, die sich für den Dialog auch mit der Staatsführung – und damit gegen deren Gewalt-Maßnahmen - einsetzten. Nach dem Gebet strömten insgesamt 70.000 friedlich Demonstrierende, viele mit Kerzen in der Hand, auf den Leipziger Ring. Dort wurde schon Stunden zuvor ein illegal gedruckter „Appell“ zur Gewaltlosigkeit massenhaft verteilt – auch an die Bewaffneten. Provokationen wurden von den anderen Demonstrierenden niedergehalten.
Die politische Führung hatte nicht mit solchen Massen gerechnet und war „auf alles, nur nicht auf Kerzen und Gebete vorbereitet“. Es gab schließlich doch keinen Befehl zu Festnahmen oder zum Einsatz von Schlagstöcken oder Schusswaffen. Tiefe Verunsicherung führender Personen wurde damit auch unter diesen manifest. Sie wurde in den folgenden Wochen so stark, dass der Staat zusammenbrach.
Die Ereignisse belegen eindrücklich die große, ansteckende Kraft des gütekräftigen Vorgehens gegen Missstände, das von den Friedensgebeten ausging.
Der Hintergrund für die Unterdrückung freier Meinungsäußerungen und für die Ausgrenzung Ausreisewilliger war, allen bewusst, der totalitäre Anspruch des Staates, der alle Lebensbereiche aller Staatsbürger und Staatsbürgerinnen beherrschen wollte. Dies war, Christian Führer sah es klar, der eigentliche Missstand. Unter ihm litten große Teile der Bevölkerung mehr oder weniger, sicherlich auch Mitglieder der Partei, in die viele aus beruflichen Gründen und nicht aus Überzeugung eingetreten waren. Die Berechtigung des Totalitätsanspruchs wurde durch Christinnen und Christen bestritten. Das freie Wort war ein Akt der Nichtzusammenarbeit mit dem Missstand. Eine Kirche, die dafür legal Raum bot, entfiel damit als Stütze des Systems. Zunächst nutzten diejenigen diesen Raum, die aus ihrem Nicht-einverstanden-sein schon persönliche, riskante Folgerungen gezogen hatten: protestierende Jugendliche und Ausreiseantragsteller*innen. Auch Menschen, die sich noch nicht entschieden hatten, wurden durch sie zur montäglichen Teilnahme angeregt. Das gütekräftig gestaltete Gebet und die offenen Gespräche, schließlich auch Demonstrationen (und Beiträge für das Westfernsehen, das die Vorgänge auch weit in der DDR bekannt machte) erwiesen sich als angemessene Medien zum ansteckenden gütekräftigen Umgang mit dem Missstand. Der „Aufruf der Sechs“ zeigt darüber hinaus: Michail Gorbatschows Moskauer Glasnost-Politik (Offenheit, Transparenz, Öffentlichkeit) und der Runde Tisch der polnischen Staatsführung mit der Solidarność-Bewegung ermutigten auch sozialistische Funktionäre in der DDR, politischen Dialog als sinnvoll anzusehen und folglich dem Missstand ‚totalitärer Staat‘ die Zusammenarbeit aufzukündigen. Der Konflikt war auf der SED-Führungsebene angekommen. Zum gütekräftigen Vorgehen gehört bei größeren Missständen klassisch dazu, unter denen, die den Missstand aufrechterhalten, Widerspruch gegen ihn zu wecken und zu verstärken.
Bei der Rosenkranzrevolution auf den Philippinen 1986 wurde methodisch reflektiert genau darauf systematisch hingearbeitet. Bei der Friedlichen Revolution in der DDR geschah die Verunsicherung der herrschenden Kreise, ohne dass die Unzufriedenen gezielt darauf hinarbeiteten. In Leipzig wirkte die Strahlkraft der Friedensgebete, der am 9. Oktober auch die tausend Funktionäre in St. Nikolai ausgesetzt waren. Sie rief nicht nur die Überzeugung von der Richtigkeit des Dialogs, sondern auch die innere Bereitschaft dazu hervor und mit ihr den tragenden Grund für den Verzicht auf Gewalt gegen Andersdenkende. Der Verzicht auf Gewalt bedeutete als Zeichen der Bereitschaft zum Dialog für die SED, als Partei den Anspruch auf alleinigen Wahrheitsbesitz aufzugeben. Damit entfiel die Rechtfertigung für den – notfalls mit Waffen durchzusetzenden – Totalitätsanspruch. Dieser wurde nun, weil er dem Dialog im Wege stand, für alle als Missstand erkennbar. Das war die revolutionäre Botschaft, die von Leipzig ausgehend das empfangsbereite Land elektrisierte und unabweisbar auch sämtliche Führungsebenen erreichte. Nahezu im ganzen Land wurde sie an den folgenden Montagen von Hunderttausenden verstärkt. Was bedeutete dies für diejenigen, die vor allem aus jenem Wahrheitsanspruch ihr Selbstverständnis und ihren Auftrag als Regierende herleiteten? Die Botschaft von der Notwendigkeit des Dialogs war so stark, dass es für sie nur noch eine Frage der Zeit war, abzutreten.
Christian Führer leitete aus den Erfahrungen mit Nichtchrist*innen bei diesen Vorgängen die Forderung einer „Ökumene mit Atheisten“ ab.
Unter Gütekraft-Aspekten betrachtet steckt darin die Frage, warum Nichtchrist*innen bis hin zu hohen sozialistischen Funktionären schließlich mitmachten. Führer sieht darin das Wirken Gottes, teils ohne dass sie ahnen, Gottes Werkzeuge zu sein (wie Kyros [Jes. 45,1] und Gorbatschow), teils indem sie von der biblischen Botschaft berührt wurden. Es ist das Wirken „einer einzigartigen Kraft, die die friedliche Revolution gelingen ließ“ (Führer). Diese Sicht ist gut vereinbar mit der allgemeineren Antwort, die der Vergleich mit anderen Vorgängen weltweit nahelegt:
Die Fähigkeit zu gütekräftigem Handeln ist dem Menschen angeboren wie die Sprache: So wie wir sprechen lernen können, sind auch alle Menschen in der Lage, Gutes zu tun. Dies beruht auf der naturgegebenen Verbundenheit aller Menschen miteinander (biblisch: der Mensch ist Gottes Ebenbild, vgl. das Verhalten des ‚ungläubigen‘ barmherzigen Samariters). Diese Verbundenheit bringt die Neigung mit sich, allen mit Wohlwollen und Gerechtigkeit sowie mit Einfühlung und der Bereitschaft zu gemeinsamem Handeln zu begegnen (Gütekraft-Potenz). Darum entsteht in Menschen, die wahrnehmen, dass jemand dabei tätig ist, Unterdrückung, Unrecht oder Unmenschlichkeit abzubauen, ein inneres Mitschwingen und ein Impuls mitzumachen. Ob sie es tun, hängt von weiteren Faktoren ab. Wir spüren jedoch alle zumindest unbewusst, dass der Einsatz für Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Freiheit zu unserem Menschsein gehört, und sind deshalb grundsätzlich bereit, uns zum Gutestun anstecken zu lassen. Darum ist möglich, was Paulus (Röm. 12,21) empfiehlt: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde Böses mit Gutem“. Und darum beschreibt der Koran (Sure 41, [33. 34] 35) eine Wirklichkeit: „Gutes und Böses ist nicht einerlei; darum wende das Böse durch Gutes ab, dann wird selbst dein Feind dir zum echten Freund werden.“ Es muss nicht immer ein persönlicher Freund werden, es kann auch ein Mitstreiter gegen Unterdrückung werden, der vorher das System unterstützte. Wenn viele sich anstecken lassen, können so auch Strukturen geändert werden. Dies geschieht – geplant oder ungeplant – dadurch, dass immer mehr von denjenigen Personen, die eine ungerechte Struktur aufrechterhalten, zur Nichtzusammenarbeit übergehen – bis die Struktur kippt. Wichtig ist, frühzeitig die besseren Möglichkeiten zu entwerfen und im Ansatz bereits zu verwirklichen.
Quellen:
- Führer, Christian (2009): Und wir sind dabei gewesen. Die Revolution, die aus der Kirche kam. Berlin: Ullstein.
- Führer, Christian (2014): Frech - fromm - frei. Worte, die Geschichte schrieben.
Leipzig: Evang. Verl.-Anst.
- Mündliche Berichte von Augenzeugen in Leipzig.
- Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung e.V. – Vorstand (Hg.) (2008): Bericht über das Kolloquium 2008…: Wissenschaftlicher Kongress „Frieden mit dem Unfrieden? Wissensbestände im Wandel“, 29.2.2008 bis 2.3.2008, Leipzig. Online: http://www.afk-web.de/fileadmin/afk-web.de/data/zentral/dokumente/tagungsberichte/AFK-Tagung-2008_Koll_Frieden-mit-dem-Unfrieden.pdf , S. 19-24 [Zugriff 21.09.2014].
- Wikipedia-Artikel zu: Ökumenische Versammlung, Friedliche Revolution, Montagsdemonstrationen [Zugriff 21.09.2014].
- Bürger, Eberhard (2013): Kirche des Friedens werden – Aufbrüche im Bereich der ehemaligen DDR. Eine persönliche Studie zum 25. Jahr der friedlichen Revolution im Jahr 2014. Hg. Deutscher Zweig des International Fellowship of Reconciliation – Versöhnungsbund e.V. ISBN 978-3-00-042460-1
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