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Samstag

Abba - Vater !

  Eine Frau von ungefähr 25 Jahren wohnte mir gegenüber. Sie war ein kleiner östlicher Typ, geboren in New York und war lange Zeit in Indien gewesen.
  An einem Abend kam sie in einer Kneipe beim Hauptbahnhof in Amsterdam mit zwei türkischen Männern in ein Gespräch. Als sie die Kneipe verließ, folgten sie ihr und wurden zudringlich. Sie fingen an, sie mit persönlichen Dingen auszuschimpfen, die sie ihnen eben erst erzählt hatte, wie zB., daß sie mit einem Niederländer zusammengewohnt hatte, den sie in Indien getroffen hatte, und daß sie daher jetzt noch in den Niederlanden wohnte und ähnliches. Sie versuchte zuerst noch, darauf einzugehen, aber dadurch wurden die Männer nur noch lästiger und machten vulgäre Bemerkungen ihr gegenüber, wie daß sie es sicher auch gerne mal mit Türken machen würde.

  Auf einmal drückte sie der jüngere Mann gegen eine Mauer, während der andere Mann ihre Jacke öffnete und ihre Kleider auszog. Der jüngere schlug ihr regelmäßig ins Gesicht. Was es für sie besonders schwierig machte, war, daß sie Informationen gegen sie verwendeten, die sie ihnen vertraulich und freundschaftlich erzählt hatte, und worauf sie anfänglich nett und interessiert reagiert hatten. Der ältere Mann versuchte sie nach unten zu ziehen, aber in einem Augenblick, als sie ihn ansehen konnte, sagte sie zu ihm mit eindringlichem Ton:
  "Aber Abba, laß mich jetzt gehen."
  Darauf reagierte er und kam wie aus einer "Betäubung" und/oder "Aufregung" zurück zur Realität. Er machte ihre Jacke zu und sorgte dafür, ohne ein Wort zu sagen, daß der Jüngere aufhörte zu schlagen. Sie zog sich wieder an und bedankte sich bei dem älteren Mann dafür, daß er sie gehen ließ.
  Sie liefen noch mit ihr in Richtung Bahnhof, was natürlich für sie nicht ohne Angst ablief, aber keiner von beiden sagte mehr etwas. Sie konnte dann ein Taxi nehmen und kam zu mir.



(Quelle: Wim Robben, zitiert aus: Han Horstink, s.o.19., S.105f)

Die Krankenschwester

  Eine westdeutsche Krankenschwester verließ einen Festsaal in dem Dörfchen Assendorf und ging ihren Weg. Da versuchte ein junger Mann, sie auf der Straße anzugreifen. Sofort war das erste, was der Krankenschwester einfiel, Gebete. Diese begann sie sogleich so laut wie möglich auf der Straße zu beten.
  Der Mann hatte solch eine Selbstverteidigung nicht erwartet und ließ sie gehen; aber kurze Zeit später versuchte er es noch einmal mit zwei Saufkumpanen. Erneut fing das Mädchen an, so laut zu beten, daß alle in der Straße das Geschehen bemerken mußten - auch die Polizei, die die drei festnahm, noch bevor ein Unglück geschehen war.



(Quelle: Wim Robben, zitiert aus: Han Horstink, s.o.2., S.31)

Ein Angebot

Ein Mann - der sagt, er habe seine Lebensweise verändert, um Menschen höher als Besitz zu würdigen.
An einem Tag kam er aus dem Busbahnhof, wo ein bewaffneter Räuber auf ihn traf. Doch der Mann ignorierte den Revolver und das Gemurmel und machte auf besorgt:
"Es ist kalt. Warum nimmst Du nicht meine Jacke?"
Als der bewaffnete Mann unbeholfen reagierte, sagte der andere wie selbstverständlich:
"Ich wollte gerade etwas essen gehen, kommst du mit?"
Er bot dem Angreifer sogar Geld an.
Dieser aber lehnte ab und verschwand.



(Quelle: Han Horstink, s.o.2., S.29)

Die Radfahrerin

Eine junge Frau fuhr mit dem Fahrrad auf der Straße. Ein Auto kam angefahren, in dem drei Männer saßen, die aus dem Wagen sprangen, um sie zu ergreifen und festzuhalten. Was sie genau wollten, blieb undeutlich. Denn im selben Augenblick kam eine andere Frau vorbei, die so tat, als ob sie die junge Radfahrerin kenne. Und sie rief: "Hallo, Marian, wie lange habe ich dich schon nicht mehr gesehen."
Sie eilte auf "Marian" zu, umarmte sie und führte sie am Arm mit: "Komm mit, wir gehen irgendwohin."
Die drei Männer blieben verdattert zurück.



(Quelle: Han Horstink, s.o.2., S.31)

Kleine Frau - ganz groß!

Eine junge Frau, kaum einen Meter sechzig groß, von beinahe kindlicher Zerbrechlichkeit, wurde von einem Jungen in einer verlassenen U-Bahn-Station gegen eine Mauer gedrückt. Er wollte offensichtlich beweisen, daß er "Charakter" hatte. Er war nicht älter als zehn oder zwölf Jahre, aber größer und breiter als sie. Auch war er bewaffnet. Als er ein kleines Taschenmesser an ihre Kehle hielt, fühlte er sich so stark und mächtig wie zehn Fernsehhelden. Sie stand ruhig, sah ihn mit glühenden Augen an, beleidigt durch seine Berührung.
"Du hast Angst vor mir, nicht wahr?", freute er sich.
Aber sie war eher wütend als erschrocken; und sie schnauzte in seinem eigenen Sprachgebrauch zurück:  "Ja, ich habe ja eine solche Angst!"
"Wenn ich an Deiner Stelle wäre, hätte ich wohl Angst."
Er bewegte das Messer vor ihren Augen hin und her. Sie fügte noch ein grobes Wort hinzu. Da fiel seine jämmerliche Maske, und sein Spiel ging zu Ende. Er hatte gedacht, daß sie vor ihm zusammenbrechen würde, heulen oder betteln wie ein wimmernder Hund. Aber so gewann er daran keinen Spaß, kein Gefühl von Macht und Herrschaft, keine Phantasie von persönlicher Übermacht und Wichtigkeit. Mit einem Knurren drehte sich der Junge um und lief vom Bahnsteig weg.



(Quelle: Dorothy T.Samuel, zitiert aus: Han Horstink, s.o.2., S.44)

Harte klare Reaktion

Die Bürgersteige waren sehr belebt, als Polly zu ihrem Büro in Chicago Loop ging. Ein Mann lief einen halben Block lang nahe bei ihrem Ellenbogen, aber es war ja schließlich auch sehr voll. Dann kam der Mann näher heran und sagte: "Hallo, Schätzchen, gehst Du mit, etwas trinken?"
"Was, Du verdammter Dreckskerl! Schämst Du Dich nicht", reagierte sie scharf, während sie ihre schwere Schultasche gegen ihn schwang und ihn genau gegen den Rücken traf.
Er drehte sich um und flüchtete. Doch sie schrie ihm lauthals hinterher: "Einen Ehering am Finger, aber auf der Straße unschuldigen Frauen unehrenhafte Angebote machen. Was würde Deine Frau sagen? Du Scheusal! Du hast den Mut, Frauen auf der Straße zu belästigen, während Du eine Frau zu Hause hast." Und so noch einige Worte. Die Leute auf der Straße blieben stehen. Mehrere zeigten schockierte Blicke und Erstaunen; manche Männer schauten entrüstet.



(Quelle: Medea und Thompson, zitiert aus: Han Horstink, s.o.19., S.86)

Schul-Autorität

Eine pensionierte Lehrerin war einige Tage zu Besuch in New York. Am letzten Abend wurde sie auf dem Bürgersteig von einem jungen Mann angehalten. Er war mit einem Revolver bewaffnet und verlangte alles Geld von ihr. Andernfalls - so drohte er - würde er sie ermorden.
Da reagierte in der alten Frau die ganze Mentalität ihrer früheren Arbeit. Die Art der Schullehrerin kam in diesem Moment in ihrer ganzen Körperhaltung hervor: sie wurde groß, ihre Augen blinkten mit Autorität, und sie befahl:   "Hör sofort damit auf! Steck die Pistole weg!"
Die Reaktion zeigte Wirkung: In gleicher Weise mit der Körpersprache eines getadelten Schuljungen zuckte der Verbrecher zusammen. Er ließ die Hand sinken, in der er die Pistole hielt, und rannte aus der Straße weg.



(Quelle: erzählt von Dorothy T.Samuel, zitiert aus: Han Horstink, s.o.19., S.74)

Der alte Mann

Ein älterer Mann hielt in einer kleinen Gasse eine Frau fest. Er sagte immer wieder, daß es ihm leid täte, daß er ihr nicht wehtun wolle, aber daß er es einfach tun müsste. Er sah schlampig aus und es war deutlich, daß es ihm nicht sehr gut ging.
Die Frau fing an, mit ihm zu reden. Sie sagte ihm, daß es für ihn überhaupt keine Notwendigkeit gäbe, sie zu vergewaltigen; daß Vergewaltigung etwas Schlechtes und gegen den Willen Gottes gerichtet wäre; daß er außerdem erheblich besser aussehen könnte, wenn er sich mehr pflegen würde. Dann sagte sie weiter, daß er nicht wirklich schlecht wäre und ihr das tatsächlich gar nicht antun wollte. Sie versuchte dabei vor allem, sein Selbstwertgefühl zu stärken. Auch erzählte sie von sich und ihren Kindern.
Als sie geendet hatte, dankte er ihr für die Tatsache, daß sie sich so um ihn bemühte und so mit ihm sprach. Das habe noch nie jemand mit ihm gemacht, denn er sei sehr einsam, sagte er; und weiter, daß er es ihr zu verdanken hätte, daß er nichts Schlechtes getan hätte. Sie sollte nun gehen, meinte er; und sie gingen beide ihres Weges.



(Quelle: Mary Crane,zitiert aus:Han Horstink,Übersetzung des Originals(zu s.o.2.)von A.D.(?),S.56f)

Plakate kleben

An einem Freitag Abend ging ich mit Bert Plakate auf die Reklameflächen in der Stadt kleben. Irgendwann, es war noch hell, näherten wir uns der Nordbrücke. Ich sah dort drei Jungen herumhängen und war gespannt, ob wir unsere Plakate an der Reklamefläche dort ungestört aufhängen könnten. Wir hielten an, aber die Jungen nahmen kaum Notiz von uns. Bert konnte in Ruhe die beiden Plakate aufkleben. Einige Jungen lasen, was darauf stand. Ich machte einem gegenüber noch eine Bemerkung: "Wenn Du auch Lust hast mitzufahren (mit dem Fahrrad)..."
Denn die Plakate kündigten Fahrraddemonstrationen durch verschiedene Viertel in der Stadt an. Aber er zog eine ablehnende Mine und drehte sich um.

Als wir schon fast weggehen wollten, kam ein Junge hinzu, der auch etwa 14 oder 15 Jahre alt war. Er hatte einen langen Stock mit einem Haken dran. Den steckte er nun ganz bedächtig unter das Plakat gegen die Reklamefläche drückte ihn und langsam nach oben, sodaß das Plakat entzwei gerissen wurde. Er wollte uns offensichtlich ärgern. Ich appelierte an ihn: "Mach das doch nicht! Warte wenigstens, bis wir weg sind, sonst ist es so frustrierend für uns."
Dies hatte keine Wirkung. Langsam schob er den Haken weiter nach oben.
Dann fing ich mit einem dicht neben ihm stehenden Jungen an zu sprechen: "Schau mal, er genießt es richtig. Er findet das schön. Siehst Du, er strahlt richtig. Sein Gesicht leuchtet davon."
Das sagte ich mit einem lächelnden Gesicht, als ob ich es mit ihm genoß. Der Junge schob den Haken nicht weiter; er schaute eben in meine Richtung und zeigte sogar einen Augenblick lang eine Neigung zu lächeln. Mit seinem Haken zog er das halbzerrissene Plakat wieder schön gerade auf die Reklamefläche. "Das finde ich sehr nett von Dir," sagte ich.
Er drehte sich um und lief weg - ebenso ruhig, wie er gekommen war.



(Quelle: aus: Han Horstink, Ohne Gewalt gegen Gewaltkriminalität - Selbstverteidigung mit oder ohne Gewalt?(Auszüge aus seiner Diplomarbeit von 1982),in Gewaltfreie Aktion 91/92, S. 35)

Die schweren Bücher

Ein Mädchen ging von der Schule nach Hause mit einem großen Stapel Bücher in ihren Händen. Während sie auf einem Waldweg lief, hörte sie, daß jemand schnell hinter ihr herkam. Es war ein Mann, der sie verfolgt hatte. Als er schließlich neben dem Mädchen war, drückte sie ihm die Bücher mit der Bemerkung in die Hände: "Schön, daß ich jemand gefunden habe, der mir helfen kann, meine Bücher zu tragen; und der mich hier im Wald beschützen kann."
Der Mann lief mit ihr, während das Mädchen allerlei über ihre Schule erzählte. Als sie bei ihr zuhause angekommen waren, bedankte sie sich bei dem Mann für die Hilfe; worauf er antwortete:
"Ich fand es auch schön. Aber wenn du wüßtest, was ich eigentlich vorhatte."


(Quelle: aus: Han Horstink, Ohne Gewalt gegen Gewaltkriminalität - Selbstverteidigung mit oder ohne Gewalt?(Auszüge aus seiner Diplomarbeit von 1982),in Gewaltfreie Aktion91/92,S.28)