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Samstag

Junge Frau verhindert Schlägerei

Auf dem Weg nach Hause, es war in Lübeck am 26. Januar 2017 gegen 19 Uhr,
sehe ich zwei Männer aus McDonalds kommen, die heftig und laut
miteinander streiten. Plötzlich haut der eine dem andern eine Ohrfeige. Viele Menschen
sind auf der Straße. Was tun? Die Polizei holen? Bis die kommt, ist die
angebahnte Schlägerei längst im Gange. Ich renne sofort zu den Streitenden. Ich
überlege kurz, dann stelle ich mich zwischen die beiden, und schreie, dem
Schläger zugewandt: „Hier wird nicht gehauen!“ Der Schläger, etwa 35, ist
stämmig und viel größer als ich. Der Geschlagene ist schmächtiger, ein
Ausländer. Die beiden disputieren weiter, es eskaliert in Beleidigungen. „Ich
fick deine Mutter!“ Lautstark gehe ich dazwischen: „Wir sind hier in einem
zivilisierten Land! Streiten ist okay. Aber hier wird nicht gehauen!“ Aus dem
Restaurant kommen Freunde des Geschlagenen, um ihm zu helfen. Ich bin
entschlossen: Blutvergießen muss verhindert werden! Ich wiederhole mit starker
Stimme: „Hier wird nicht gehauen!“ Ich stemme mich gegen die Eskalation: „Hier
wird nicht gehauen!“ „Hier wird nicht gehauen!“ Der Disput der Streitenden verliert
an Schwung. Da befehle ich dem Deutschen: „Auseinander! Du gehst jetzt hier
nach links weg!“ und dem Ausländer: „Und du gehst die Straße nach rechts!“ Sie
entfernen sich tatsächlich. Die Situation ist entschärft.

Zuhause angelangt werden mir die Knie weich. Ich heule wie ein Schlosshund.

Was für einen wunderbaren, starken Schutzengel hatte ich! Was hätte mir alles passieren können!

Im Nachhinein fühle ich mich erinnert an eine Situation, in der ich in einen Streit meiner Kinder eingriff.“  

Bericht von Verena Schmitz, Lübeck, 26. Januar 2017


"Ihr bösen, bösen Jungs!" Alte Dame rettet verschleierte Frau

In meiner Jugendamtszeit hatten wir mal Fortbildungen bei einem Anti-Gewalt-Trainer, seinen Namen habe ich vergessen.

Er hat uns erzählt, wie er in Berlin mit der S-Bahn gefahren ist,
in der eine verschleierte Frau gesessen hat,
die von rechten Jugendlichen angemacht und bedroht wurde,
Er hat sich überlegt, wie er der Frau helfen kann
und wollte sie an der nächsten Station spontan mitnehmen und aussteigen,
als eine alte Dame mit ihrem Stock oder Schirm auf die rechten Jugendlichen los ging
und rief: "Ihr bösen, bösen Jungs!"
Die Jugendlichen grinsten, entfernten sich und suchten sich einen Platz
und die gespannte Situation war entspannt.
von Dagmar G.

Donnerstag

Gütekraft-Erfahrungen von Achim Schmitz - Entfaltung wohlwollender Offenheit und Empathie

1. "Im Sommer 1998 radelte ich durch eine Fußgängerzone in der Innenstadt von Oldenburg und
war durch den Abschied von jemandem, den ich gern mochte, noch bedrückt. Ein Mann riet mir
abzusteigen, da Radfahren dort verboten sei und mir sonst eine Geldbuße drohen könnte.
Zunächst war ich etwas verärgert, da ich seinen Ratschlag als Bevormundung interpretierte. In
mir war also nach der Sprache von Marshall B. Rosenberg („Gewaltfreie Kommunikation“) der
Wolf aktiv, der dem Gegenüber eher Negatives unterstellte. Ich antwortete: „Danke für den
Hinweis.“ Das meinte ich gemäss der „Wolfssprache“ ironisch. Während ich es sagte, änderte
sich jedoch meine Gefühlslage und damit auch meine Interpretation der Situation. Ich war dem
Mann dankbar für seinen Hinweis und unterstellte ihm mit wohlwollender Offenheit, dass er mir
tatsächlich ein evtl. wirklich drohendes Bußgeld ersparen wollte. Nach Rosenberg sprach aus
mir nun die Giraffe. Ich stieg vom Fahrrad und fühlte mich erleichtert über diese nun positive
Deutung der Situation."

2. "Eine andere vergleichbare Situation: 2004/2005 bediente ich als Verkäufer in einem Bioladen
eine Kundin mit einem englischsprachigen Akzent. Sie war jedoch mit meinen Hinweisen bzw.
unseren Produkten nicht zufrieden und meinte, ich würde „dummes Geschwätz“ von mir geben.
In den nächsten Wochen danach wurde sie nicht freundlicher, auch mit meinen KollegInnen
redete sie nicht freundlicher. Eines Tages kam mir der Gedanke, dass sie sich vielleicht unwohl
fühlte, in Deutschland immer auf Deutsch angeredet zu werden, während wir uns mit anderen
ausländischen KundInnen z.T. in ihrer Landessprache unterhielten. Also sprach ich sie auf
Englisch an. Zunächst reagierte sie wohl etwas irritiert und sagte, sie könnte gut Deutsch
sprechen. Dann ging sie aber auf mein Angebot ein und erklärte mir, dass sie ungern in
Deutschland lebte und sagte dazu „Sorry“. Ich antwortete: „Kein Problem.“ oder „Never mind.“
Zum Abschied wünschten wir uns gegenseitig ein schönes Wochenende. Sie war also
freundlicher zu mir als vorher. Auch hier gab es in mir einen Wechsel von der „Wolfssprache“
zur „Giraffensprache“ mit Empathie für ihre Situation."

3. "Im Sommer 2005 saß ich mit einer Gruppe von Radfahrern im Zug und ließ durchblicken,
dass ich schlecht gelaunt war, was aber nichts mit der Gruppe zu tun hatte. Zwei Radfahrer aus
der Gruppe waren dennoch freundlich zu mir. Ich nahm es zunächst nicht ernst und dachte, sie
wollten mich ein wenig auf den Arm nehmen. Dennoch antwortete ich nach außen hin
freundlich, meinte es innerlich eher ironisch - ich wahrte also zunächst eher den Schein. Dann
waren die beiden anderen jedoch weiterhin freundlich zu mir, und bei mir schmolz das Eis nach
und nach. Dann war meine freundliche Reaktion auch innerlich ernst gemeint. Also auch hier
der innere Prozess vom Wolf zur Giraffe."

Das sind alles keine spektakulär heroischen Erfahrungen, aber für mich Ansätze Gewaltfreier
Kommunikation.

(Achim Schmitz)

Neunjähriges Mädchen stoppte rassistische Gewalt in der U-Bahn

„In der U-Bahn in Essen ereignete sich dieser Vorfall. Es war vor zwei oder drei Jahren Mitte August in der Nähe der Haltestelle Viehofer Platz an einem Nachmittag gegen 17 Uhr: Die Bahn war recht voll. Zwei Kerle, 19 bis 20 Jahre alt, waren drauf und dran, einen Afrikaner zusammenzuschlagen. Dies ist im ersten Abteil geschehen. Ich saß im zweiten Abteil ziemlich am Ende. Als ich das sah, wurde ich ängstlich. Keiner hat etwas unternommen. Nur ein kleines Kind, ein Mädchen (8 bis 9 Jahre), stellte sich dazwischen. Ich sah das Mädchen von der Seite. Es sagte nichts. Als ich das Mädchen sah, wie es sich dazwischen stellte, habe ich einen leichten Stolz empfunden, dass es noch solche Leute gibt, die sich noch um ihre Mitmenschen kümmern können oder wollen. Die Typen haben doof geguckt und - das konnte ich an den Gesten der Typen erkennen - sie wollten es zur Seite schieben; aber sie packten das Mädchen nicht an. Als dann immer mehr, etwa fünf Leute sich ebenfalls dazwischen stellten, sind die Typen an der nächsten Haltestelle ausgestiegen. Als sie draußen waren, war ich sehr erleichtert, dass sie weg waren. Der Afrikaner war auch sichtlich erleichtert und hat sich bei dem Mädchen und den Leuten bedankt.

Zuerst, da sie alleine dazwischen trat, habe ich gedacht, das Mädchen muss verrückt sein, denn die zwei Typen waren recht groß und kräftig im Vergleich zu diesem Mädchen. Ich staunte über den Mut und über den Erfolg des Mädchens. Ich denke, eine Frau im selben Alter wär garantiert durch die Gegend geschubst worden. Wenn es eine alte Frau oder ein junges Kind ist, hat man immer noch mehr Respekt als vor Gleichaltrigen. Die hatten nicht gewagt, das Mädchen zu schlagen. Wenn ich näher an dem Ort gesessen hätte, wäre ich auch mit den anderen dazwischen gegangen.“

Alexander Behler, ein 19-jähriger Berufsschüler, erlebte dieses gütekräftige Auftreten und schrieb es auf die Bitte von Martin Arnold hin am 20. Juni 2001 im Religionsunterricht auf. Die Angaben über seine Gefühle und Gedanken (kursiv) fügte er auf Nachfragen hin dazu. Er ist mit der Veröffentlichung einverstanden.

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Wir alle haben die Gütekraft erlebt. Gütekraft-Erlebnisse (wie dieses) sind wichtig. Merken wir sie uns, erzählen wir sie uns gegenseitig und reden darüber, wie Gewalt überwunden werden kann. Martin Arnold sammelt für die Erforschung der Gütekraft Erlebnisberichte und bittet um Kontaktaufnahme:

Martin Arnold
E-Mail: Martin.Arnold((ätt))ekir.de

Eine alte Frau rettet einen jungen Chinesen, ein Gütekraftbericht

"Vor drei Jahren wollten fünf Ausländer auf dem Fronhauser Markt in Essen einen kleinen Chinesen oder Koreaner hauen. Ich saß im Bus und konnte es beobachten. Die fünf haben ihn geschubst, angespuckt und geohrfeigt. Bis eine alte Frau kam und sich dazwischen gestellt hat. Sie fuchtelte, als sie hinzukam, mit ihrem Regenschirm. Sie fing an, mit ihrem Regenschirm zu hauen und die fünf Ausländer versuchten sich zu schützen mit den Armen am Kopf. Sie rief etwas, was ich nicht verstehen konnte. Da haben die fünf ganz doof geguckt und sind abgehauen.
Ich fühlte mit dem Chinesen (oder Koreaner) mit, dass es einfach feige und respektlos ist, mit fünf auf einen. Ich habe mich gewundert, dass eine Alte Frau dem Chinesen (Koreaner) geholfen und die fünf Ausländer verscheucht hatte."

Džavid Karalic (Berufsschüler in Essen, aufgeschrieben am 20.6.01, mit Veröffentlichung einverstanden)