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Freitag

Freitag Abend im Jugendzentrum

Pfarrer Reinhard Kolb

Im Frühjahr 1972 erlebte ich das Folgende:

An einem Freitag Abend war im Gemeindezentrum im Jugendkeller Disco für die Älteren ab 20 Uhr. Zu den Gästen gehörten einige recht problematische Jugendliche. Ich erinnere mich an die Verabschiedung eines von ihnen, der eine Haftzeit in der Jugendstrafanstalt Siegburg antreten musste. F. war ein eher labiler junger Mann. Er ist später etwa 35jährig an seinem Alkoholismus zugrunde gegangen.

An jenem Abend kam er angetrunken und begann zu randalieren. Den Leiter der Disco, einen Studenten der Sozialpädagogik, schlug er k.o., kreischend verließen die Mädchen den Disco-Raum. Ich hatte Alkoholverbot gegeben, bei Zuwiderhandlung Hausverbot. Das sprach ich nun F. gegenüber aus, fasste ihn am Arm, um ihn hinauszuführen. Da packte er meine Krawatte, drehte sie und würgte mich. Ich keuchte: „Lass mich los!“ Er: „Erst wenn du mich loslässt!“ Ich ließ seinen Arm los, er meine Krawatte. Doch nun schrie er mich an: „Ich will mich mit dir schlagen! Komm, wehr’ dich!“ Ich erwiderte ihm: „Ich bin Christ. Ich wehre mich nicht. Aber wenn du mich auch zusammenschlagen willst, warte, bis ich meine Brille abgegeben habe, die brauche ich am Sonntag noch.“ Und ich gab meine Brille an einen Danebenstehenden. Da schrie er mich an: „Wenn du dich nicht wehren willst, kann ich mich nicht mit dir schlagen“, und rannte ins Dunkel hinaus, über die befahrene vierspurige B 224, vor dem Gemeindezentrum - und noch einmal hielt ich den Atem an.

aufgeschrieben im Juli 1999


Donnerstag

Neunjähriges Mädchen stoppte rassistische Gewalt in der U-Bahn

„In der U-Bahn in Essen ereignete sich dieser Vorfall. Es war vor zwei oder drei Jahren Mitte August in der Nähe der Haltestelle Viehofer Platz an einem Nachmittag gegen 17 Uhr: Die Bahn war recht voll. Zwei Kerle, 19 bis 20 Jahre alt, waren drauf und dran, einen Afrikaner zusammenzuschlagen. Dies ist im ersten Abteil geschehen. Ich saß im zweiten Abteil ziemlich am Ende. Als ich das sah, wurde ich ängstlich. Keiner hat etwas unternommen. Nur ein kleines Kind, ein Mädchen (8 bis 9 Jahre), stellte sich dazwischen. Ich sah das Mädchen von der Seite. Es sagte nichts. Als ich das Mädchen sah, wie es sich dazwischen stellte, habe ich einen leichten Stolz empfunden, dass es noch solche Leute gibt, die sich noch um ihre Mitmenschen kümmern können oder wollen. Die Typen haben doof geguckt und - das konnte ich an den Gesten der Typen erkennen - sie wollten es zur Seite schieben; aber sie packten das Mädchen nicht an. Als dann immer mehr, etwa fünf Leute sich ebenfalls dazwischen stellten, sind die Typen an der nächsten Haltestelle ausgestiegen. Als sie draußen waren, war ich sehr erleichtert, dass sie weg waren. Der Afrikaner war auch sichtlich erleichtert und hat sich bei dem Mädchen und den Leuten bedankt.

Zuerst, da sie alleine dazwischen trat, habe ich gedacht, das Mädchen muss verrückt sein, denn die zwei Typen waren recht groß und kräftig im Vergleich zu diesem Mädchen. Ich staunte über den Mut und über den Erfolg des Mädchens. Ich denke, eine Frau im selben Alter wär garantiert durch die Gegend geschubst worden. Wenn es eine alte Frau oder ein junges Kind ist, hat man immer noch mehr Respekt als vor Gleichaltrigen. Die hatten nicht gewagt, das Mädchen zu schlagen. Wenn ich näher an dem Ort gesessen hätte, wäre ich auch mit den anderen dazwischen gegangen.“

Alexander Behler, ein 19-jähriger Berufsschüler, erlebte dieses gütekräftige Auftreten und schrieb es auf die Bitte von Martin Arnold hin am 20. Juni 2001 im Religionsunterricht auf. Die Angaben über seine Gefühle und Gedanken (kursiv) fügte er auf Nachfragen hin dazu. Er ist mit der Veröffentlichung einverstanden.

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Wir alle haben die Gütekraft erlebt. Gütekraft-Erlebnisse (wie dieses) sind wichtig. Merken wir sie uns, erzählen wir sie uns gegenseitig und reden darüber, wie Gewalt überwunden werden kann. Martin Arnold sammelt für die Erforschung der Gütekraft Erlebnisberichte und bittet um Kontaktaufnahme:

Martin Arnold
E-Mail: Martin.Arnold((ätt))ekir.de

Eine alte Frau rettet einen jungen Chinesen, ein Gütekraftbericht

"Vor drei Jahren wollten fünf Ausländer auf dem Fronhauser Markt in Essen einen kleinen Chinesen oder Koreaner hauen. Ich saß im Bus und konnte es beobachten. Die fünf haben ihn geschubst, angespuckt und geohrfeigt. Bis eine alte Frau kam und sich dazwischen gestellt hat. Sie fuchtelte, als sie hinzukam, mit ihrem Regenschirm. Sie fing an, mit ihrem Regenschirm zu hauen und die fünf Ausländer versuchten sich zu schützen mit den Armen am Kopf. Sie rief etwas, was ich nicht verstehen konnte. Da haben die fünf ganz doof geguckt und sind abgehauen.
Ich fühlte mit dem Chinesen (oder Koreaner) mit, dass es einfach feige und respektlos ist, mit fünf auf einen. Ich habe mich gewundert, dass eine Alte Frau dem Chinesen (Koreaner) geholfen und die fünf Ausländer verscheucht hatte."

Džavid Karalic (Berufsschüler in Essen, aufgeschrieben am 20.6.01, mit Veröffentlichung einverstanden)