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Samstag

"Ihr bösen, bösen Jungs!" Alte Dame rettet verschleierte Frau

In meiner Jugendamtszeit hatten wir mal Fortbildungen bei einem Anti-Gewalt-Trainer, seinen Namen habe ich vergessen.

Er hat uns erzählt, wie er in Berlin mit der S-Bahn gefahren ist,
in der eine verschleierte Frau gesessen hat,
die von rechten Jugendlichen angemacht und bedroht wurde,
Er hat sich überlegt, wie er der Frau helfen kann
und wollte sie an der nächsten Station spontan mitnehmen und aussteigen,
als eine alte Dame mit ihrem Stock oder Schirm auf die rechten Jugendlichen los ging
und rief: "Ihr bösen, bösen Jungs!"
Die Jugendlichen grinsten, entfernten sich und suchten sich einen Platz
und die gespannte Situation war entspannt.
von Dagmar G.

Freitag

Fremdenfeindlichkeit überwinden

Im Rahmen einer Unterrichtsreihe über „Fremdenfeindlichkeit und ihre Überwindung“ im Religionsunterricht einer 9. Klasse hatte ich mit einer Afrikanerin einen Unterrichtsbesuch vereinbart. Sie war bereit zum Erfahrungsbericht und Gespräch.

Am Tag vor dem vereinbarten Treffen sagte sie ihren Unterrichtsbesuch ab. Auf dem Weg nach Bonn war sie in einer Straßenbahn von zwei Jugendlichen übel beschimpft, beleidigt und an den Haaren gerissen worden. Niemand von den übrigen Fahrgästen hatte eingegriffen. An der nächsten Haltestelle war sie allein ausgestiegen. Dieses Erlebnis hatte sie seelisch schwer verletzt und verunsichert. Sie war nicht mehr in der Lage zu dem vereinbarten Schulbesuch.

Nachdem das Gespräch mit der Afrikanerin auf diese Weise unmöglich gemacht worden war, hatte sich die Schülergruppe auf diese Erfahrung mit Fremdenfeindlichkeit und Verantwortungslosigkeit konzentriert. Ein genauer Bericht über das Ereignis wurde abgefaßt und an die Stadtwerke geschickt mit Bitte um Antwort und Information über Handlungsmöglichkeiten. Unser Brief wurde von der Leitung der Bonner Verkehrsbetriebe sehr ernst genommen und beantwortet. - Alle Fahrer/innen waren (schon kurz vorher) in- formiert worden, daß sie für Zwischenfälle in ihrer Bahn bzw. ihrem Bus zuständig sind. Jede/r Fahrer/in ist ausgerüstet und angewiesen, zur nächsten Haltestelle ggf. die Polizei zu rufen.

Im Rollenspiel haben wir eigene Reaktionen in einer solchen Situation probiert. Hauptpunkte waren: Hinsehen! Andere Fahrgäste ansprechen zu gemeinsamer Reaktion! Den Fahrer aufmerksam machen! Jemand kann per Handy die Polizei rufen. Mehrere rufen sofort laut in den Wagen, daß die Polizei gerufen wird / worden ist.

In einem nächsten Schritt haben die Schüler/innen einen Artikel für die Schülerzeitung verfaßt, in dem sie über die Erfahrung mit Fremdenfeindlichkeit und die erfahrenen Reaktionen berichteten. - Es wurden Plakate gemacht, auf denen alle Schüler/innen und Lehrer/innen hingewiesen wurden auf Handlungsmöglichkeiten in solchen gewaltträchtigen Situationen. Der informative Brief von der Leitung der Stadtwerke wurde in der Schülerzeitung veröffentlicht.


 Ute Reichold

Donnerstag

Neunjähriges Mädchen stoppte rassistische Gewalt in der U-Bahn

„In der U-Bahn in Essen ereignete sich dieser Vorfall. Es war vor zwei oder drei Jahren Mitte August in der Nähe der Haltestelle Viehofer Platz an einem Nachmittag gegen 17 Uhr: Die Bahn war recht voll. Zwei Kerle, 19 bis 20 Jahre alt, waren drauf und dran, einen Afrikaner zusammenzuschlagen. Dies ist im ersten Abteil geschehen. Ich saß im zweiten Abteil ziemlich am Ende. Als ich das sah, wurde ich ängstlich. Keiner hat etwas unternommen. Nur ein kleines Kind, ein Mädchen (8 bis 9 Jahre), stellte sich dazwischen. Ich sah das Mädchen von der Seite. Es sagte nichts. Als ich das Mädchen sah, wie es sich dazwischen stellte, habe ich einen leichten Stolz empfunden, dass es noch solche Leute gibt, die sich noch um ihre Mitmenschen kümmern können oder wollen. Die Typen haben doof geguckt und - das konnte ich an den Gesten der Typen erkennen - sie wollten es zur Seite schieben; aber sie packten das Mädchen nicht an. Als dann immer mehr, etwa fünf Leute sich ebenfalls dazwischen stellten, sind die Typen an der nächsten Haltestelle ausgestiegen. Als sie draußen waren, war ich sehr erleichtert, dass sie weg waren. Der Afrikaner war auch sichtlich erleichtert und hat sich bei dem Mädchen und den Leuten bedankt.

Zuerst, da sie alleine dazwischen trat, habe ich gedacht, das Mädchen muss verrückt sein, denn die zwei Typen waren recht groß und kräftig im Vergleich zu diesem Mädchen. Ich staunte über den Mut und über den Erfolg des Mädchens. Ich denke, eine Frau im selben Alter wär garantiert durch die Gegend geschubst worden. Wenn es eine alte Frau oder ein junges Kind ist, hat man immer noch mehr Respekt als vor Gleichaltrigen. Die hatten nicht gewagt, das Mädchen zu schlagen. Wenn ich näher an dem Ort gesessen hätte, wäre ich auch mit den anderen dazwischen gegangen.“

Alexander Behler, ein 19-jähriger Berufsschüler, erlebte dieses gütekräftige Auftreten und schrieb es auf die Bitte von Martin Arnold hin am 20. Juni 2001 im Religionsunterricht auf. Die Angaben über seine Gefühle und Gedanken (kursiv) fügte er auf Nachfragen hin dazu. Er ist mit der Veröffentlichung einverstanden.

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Wir alle haben die Gütekraft erlebt. Gütekraft-Erlebnisse (wie dieses) sind wichtig. Merken wir sie uns, erzählen wir sie uns gegenseitig und reden darüber, wie Gewalt überwunden werden kann. Martin Arnold sammelt für die Erforschung der Gütekraft Erlebnisberichte und bittet um Kontaktaufnahme:

Martin Arnold
E-Mail: Martin.Arnold((ätt))ekir.de