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Freitag

Gewaltfreiheit wirkt! - 60 gewaltfreie Siege aus den vergangenen hundert Jahren

Gewaltfreiheit wirkt!
60 Erfolge gewaltfreien Handelns aus den vergangenen hundert Jahren

Das Folgende ist eine Auswahl besonders berichtenswerter Beispiele gewaltfreier Aktionen. Allerdings ist Gewaltfreiheit bei näherer Betrachtung ganz normal. Im täglichen Leben – wie auch zwischen Staaten – werden Streitigkeiten üblicherweise gelöst, ohne auf Gewalt zurückzugreifen. Erinnern wir uns also daran: Gewalt ist die Ausnahme – Gewaltfreiheit ist die Regel.

1. Transvaal, Südafrika 1907-14 – Gandhi führt eine Kampagne für die Rechte der Inder in Transvaal zum Erfolg, indem er sich weigert, ungerechte Gesetze und Einschränkungen einzuhalten.

2. Brasilien 1910 – Friedenschluss zwischen europäischen Siedlern und dem Stamm der Chavantes. Beim ersten Versuch wurden 25 unbewaffnete Freiwillige, die General Rondon geschickt hatte, umgebracht. Beim zweiten Versuch wurde Frieden erreicht.

3. England 1915-18 – die Standhaftigkeit der Kriegsdienstverweigerer im Ersten Weltkrieg, selbst vor der Bedrohung, in Frankreich an der Front exekutiert zu werden, erbrachte ihnen das verbriefte Recht, nicht töten zu müssen.

4. Indien 1918-47 – neben vielen anderen gewaltfreien Kampagnen gegen die britische Herrschaft wandte sich Gandhi gegen die Salzsteuer und führte 1930 einen symbolischen Marsch ans Meer, um Salz selbst herzustellen. Die Briten reagierten häufig mit brutaler Gewalt gegen den gewaltfreien Aufstand, aber 1947 wurde die Unabhängigkeit erlangt.

5. Ruhrgebiet, Deutschland 1923 – passiver Widerstand gegen französische und belgische Besatzung verhinderte den Abtransport von Kohle, wie er als Reparationsleistung von Deutschland gefordert wurde.

6. Nordwest-Grenzprovinz, Indien 1929 – Abdul Ghaffar Khan bildete aus den traditionell ungezügelten Paschtunen eine große disziplinierte gewaltfreie Armee, die der britischen Herrschaft widerstand.

7. England 1932, massenhafte Übertritte auf gesperrtes Land führten im nordenglischen Hügelland (Peak District) zunächst zu Verhaftungen, dann zur Bewegung für Zugangsrechte zum britischen Moor.

8. Liberia 1932 – das Land war vom Bürgerkrieg zerrissen. Ein Vermittler des Völkerbundes war in der Lage, die Wurzel des Problems zu erkennen, die Krieg führenden Stämme zu entwaffnen und den Konflikt zu beenden.

9. Norwegen 1942 – Lehrer weigerten sich mit dem pro-nationalsozialistischen Quisling-Regime zusammenzuarbeiten. Viele von ihnen wurden /inhaftiert / in Konzentrationslager gebracht. Doch schließlich wurde die Verpflichtung, in den Schulen die Nazidoktrin zu unterrichten, zurückgenommen. Ausführlicher Bericht zu diesem Ereignis

10. Dänemark 1943 – SS Truppen schafften es nicht, die weit verbreitete Nicht-Bewegung der Nichtzusammenarbeit und Streiks gegen die Nazibesetzung zu stoppen. Fast alle 7000 jüdischen Bürgerinnen und Bürger wurden durch die widerständige Bevölkerung Dänemarks gerettet.

11. Berlin, Deutschland, 1943 – „Arische“ Ehefrauen deutscher Juden erreichten die Freilassung ihrer Ehemänner durch andauernde Mahnwachen vor dem Gebäude in der Rosenstraße, in dem die Männer festgehalten wurden.

12. Bulgarien 1943 –Leiter der orthodoxen Kirche in Bulgarien widersetzten sich während des Zweiten Weltkriegs erfolgreich der Deportation von Juden.

13. Guatemala 1944 – Diktator General Ubico wurde durch friedliche Studentendemonstrationen sowie durch Streiks, die die Hauptstadt lähmten und der Polizeigewalt trotzten, gestürzt.

14. Workuta, UdSSR, 1953 – ungefähr 250.000 politische Gefangene wurden in Lagern gehalten und gezwungen, unter schrecklichen Bedingungen in den Kohlebergwerken zu arbeiten. Die Gefangenen streikten und blieben trotz blutiger Vergeltungsmaßnahmen standhaft, bis man die Bedingungen verbesserte.

15. Alabama, USA 1955 – nachdem sich Rosa Parks geweigert hatte, in einem Bus mit Vorrangplätzen für Weiße ihren Sitzplatz aufzugeben, begann in Montgomery die Kampagne für Gerechtigkeit in Rassenfragen mit einem Busboykott, der ein Jahr dauerte.

16. Sizilien, Italien 1956 – Danielo Dolci organisierte einen ‚umgekehrten Streik‘, um auf die mittellosen Menschen aufmerksam zu machen. Arbeitslose stellten ihre Arbeitskraft kostenlos zur Verfügung und bauten Straßen, obwohl die Behörde am Ort widersprach.

17. Nagaland, Indien 1964 – Kirchenführer stellten sich an die Spitze von Versuchen, eine friedliche Lösung in Auseinandersetzungen mit den indischen Regierungstruppen zu finden.

18. Zypern 1964-74 – rund 10 Jahre hielten UN Blauhelme den Frieden zwischen türkischen und griechischen Zyprioten aufrecht (und wiederum nach der Teilung der Insel): eine ihrer mehr als 50 Friedensmissionen.

19 Kalifornien, USA 1965 - 70 – César Chávez, ein christlicher Community Organizer, führte Gewerkschaften unter den ausgebeuteten Wanderarbeitern ein. Ein nationaler und internationaler Weintraubenboykott bewegten die Anbauer dazu, sich auf Verhandlungen für bessere Arbeitsbedingungen einzulassen.

20. Nordirland 1968-1998 – obgleich die gewaltfreie Kampagne für Bürgerrechte durch paramilitärische Gewalt sabotiert wurde, konnte die stille Arbeit der Corrymeela Gemeinschaft und ähnlicher Gruppen Brücken über die Grenzen der Konfessionen hinweg bauen und so den Weg zu einem Waffenstillstand und einer Beilegung der Kämpfe bahnen.

21. Ahmedabad, Indien 1969 – Shanti Sena Friedensbrigaden stellten sich in Krawallen zwischen Muslime und Hindus und erreichten nach 4 Monaten geduldiger Versöhnungsarbeit Frieden.

22. Larzac Hochebene, Frankreich 1970-1981 – Demonstrationen, auch mit Schafherden in Paris unter dem Eiffelturm, brachten die Regierung dazu, ihre Pläne zur Ausdehnung eines Truppenübungsplatzes über das ganze Weideland zurückzunehmen.

23. Culebra, Puerto Rico 1971-1975 – Einwohner besetzten ein Schießübungsgelände der US Marine, stellten eine als Symbol geltende Kapelle wieder her und störten Militärübungen, bis die Insel als Zielgebiet aufgegeben wurde.

24. Baltimore, USA 1971 – (a) Kanus mit Friedensleuten aus Philadelphia stoppten ein Schiff, das Waffen für den Krieg nach Pakistan bringen sollte. Die Küstenwache half zwar die Blockade zu durchbrechen, aber die erzielte Öffentlichkeit führte dazu, dass die Waffenlieferungen gestoppt wurden. Eine ähnliche Taktik wurde genutzt (b) in Neuseeland 1976-1984, wo ein „Friedensgeschwader“ atomgetriebene Schiffe daran hinderte, in den Hafen von Auckland einzufahren, und (c) in Australien 1989-90 gegen den Import von Holz aus dem Regenwald, der dann reduziert wurde.

25. Vorgebirge des Himalaya, Indien 1972 – „Treehuggers“ (Menschen, die Bäume umarmen) aus 200 Dörfern verhinderten mit einer Reihe von Aktionen am Ort die Abholzung und Holzauktionen.

26. Whyl, Deutschland 1974 – Leute aus der Gegend besetzten den für ein Atomkraftwerk vorgesehenen Bauplatz länger als ein Jahr lang und verhinderten so den Bau – endgültig.

27. Sao Paulo, Brasilien 1974 – als Arbeiter einer Zementfabrik, denen ihr Lohn vorenthalten wurde, zu streiken begannen, wurden sie als Kommunisten diffamiert. Ihre über 7 Jahre andauernde Auseinandersetzung im Dialog mit den Eigentümern sorgte für viel Öffentlichkeit. Als schließlich Fahrer als Streikbrecher damit drohten, Streikende zu überfahren, schritt die Polizei ein. Die Arbeiter erhielten ihren Lohn.

28. Tschechoslowakei 1977 – die Charta 77 für Menschenrechte zu unterschreiben, erforderte viel Mut, führte aber 1989 zur „samtenen Revolution“ und der Wiederherstellung der Demokratie.

29. Buenos Aires, Argentinien 1977-1983 – die Mütter von der Plaza de Mayo, deren Kinder entführt worden waren, ignorierten Bedrohungen und hielten eine wöchentliche Mahnwache aufrecht, die Menschenrechtsverletzungen sichtbar machte und dabei half, Demokratie herzustellen.

30. Alagamar, Brasilien 1980 – Zuckerbarone eigneten sich Land an. Die Enteigneten kehrten zurück, um für den Eigenbedarf anzubauen, doch wurde es vor der Ernte ausgerissen. Die öffentliche Meinung unterstützte die Kleinbauern und die Regierung gewährte ihnen in großem Umfang Land.

Polen 1980-1989 – Solidarność, die Gewerkschaft die bei dem Streik auf einer Danziger Werft entstand, benutzte religiöse und nationale Gefühle, um eine Opposition aufzubauen und die kommunistische Regierung gewaltfrei zu stürzen.

32. Ungarn 1980-1989 - der schrittweise Wandel von einer totalitären zu einer demokratischen Regierung führte zu den Grenzöffnungen und der Kommunismus stürzte wie ein Soufflé in sich zusammen.

33. Niederlande 1982 – eine Volksbewegung von 400.000 Menschen demonstrierte gegen die Stationierung von Cruise Missiles.Keine wurden dort aufgestellt.

34. Nicaragua 1983-1990 – fast 4.000 Menschen aus US-amerikanischen Friedensgruppen kamen als „Zeugen für den Frieden,“ um in Dörfern zu leben, die von Angriffen der Contra Guerilla bedroht waren, die ihrerseits von den USA bewaffnet und trainiert wurden.

35. Philippinen 1986 – unter atemraubender Anspannung widersetzten sich Massen von Zivilisten drei Tage lang dem Militär, zogen es schließlich auf ihre Seite und erreichten so nach 13 Jahren Kriegsrecht den Sturz von Diktator Marcos. Ausführlicher Bericht zu diesem Ereignis

36. Baltische Republiken 1988-1991 – Litauer, Letten und Esten nahmen an der 600 km langen Menschenkette teil, die ihre drei Hauptstädte verband. Als sich Litauen für unabhängig erklärte, schickte die Sowjet-Union Panzer, aber die Menschen blieben standhaft ohne zu Gewalt zu greifen, und die Truppen zogen schließlich ab. In Estland sammelten sich große Menschenmassen in Riga und sangen traditionelle estnische Volkslieder (die in der Sowjetunion verboten waren): die „singende Revolution“. Alle drei Staaten erzielten ihre Unabhängigkeit ohne Gewalt.

37. Ostdeutschland 1989 – Gebetsversammlungen, die seit 1981 in der Leipziger Nikolaikirche abgehalten wurden, breiteten sich über das Land aus und die kommunistische Regierung wurde zum Rücktritt gezwungen, was den Weg zu freien Wahlen öffnete. Es gab kein Blutvergießen.
Ausführlicher Bericht zu diesem Ereignis

38. Kasachstan 1989-1991 – Großdemonstrationen und politische Lobbyarbeit gegen ein Atomtestgelände führten zum Teststopp und zur Schließung des Geländes.

39. Mosambik 1989-1992 – die in Rom ansässige Gemeinschaft Sant‘Egidio, die aufgrund ihrer humanitären Arbeit Vertrauen genießt, konnte eine Vereinbarung zwischen RENAMO und FRELIMO Streitkräften vermitteln, die einen 10-jährigen Krieg beendete.

40. Mongolei 1990 – 6-monatige Streiks, Hungerstreiks und öffentliche Aktionen zwangen ein Regime von Hardlinern in Richtung Demokratie, Pressefreiheit und Wirtschaftsreformen.

41. Südafrika 1990 – Nelson Mandela gab Südafrika dank seiner Haltung der Vergebung am Ende der Apartheid Hoffnung auf eine friedliche Zukunft. Das Apartheidregime als solches war schon durch Boykotte außerhalb und innerhalb des Landes gegen Sportveranstaltungen, Investitionen und anderes erschüttert.

42. Russland 1991 – das Volk in Moskau widerstand einem Militärputsch gegen Präsident Gorbatschow, indem es sich Panzern entgegen stellte und das Militär auf Abstand vom russischen Parlament hielt.

43. Thailand 1991-1992 – nach der Machtergreifung durch das Militär führte das Beten und Fasten von Mönchen nach sieben Monaten zu Großdemonstrationen, so dass anstelle militärischer Repression doch wieder demokratische Regeln eingeführt wurden.

44. Mali 1991-1996 – gewaltsame Konflikte zwischen bewaffneten Tuareg sowie arabischen Gruppen und der Regierung wurden durch ausgedehnte Verhandlungen zwischen den Gemeinschaften in örtlichen Gesprächsrunden gelöst.  Dann wurden bei einem feierlichen Freudenfeuer Waffen verbrannt.

45. Somalia 1991-2000 – interne kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Stämmen wurden dadurch unterbrochen, dass Frauen sich auf die jeweils andere Seite begaben, so Spannungen abbauten, für die Freilassung von Geiseln sorgten, Hilfslieferungen und Demobilisiserungsprogramme organisierten und einen Friedensprozess vorbereiteten.

46. Ecuador 1992 – Tausende von Stammesangehörigen marschierten vom Oberlauf des Amazonas nach Quito und kampierten drei Wochen lang im Park. Die Regierung gewährte ihnen förmlich Eigentum über mehr als 4000 Quadratmeilen ihrer angestammten Heimat.

47. USA 1993 – Kirchen brachten schwarze und weiße Anführer von Jugendbanden zu einem Treffen in Kansas City zusammen, indem sie ihnen die Aussicht auf Gemeinschaftsaufbau anboten.

48. Ghana 1994-1996  – die Nairobi Peace Initiative erreichte eine Lösung für den mit Waffen ausgetragenen ethnischen Konflikt zwischen den Völkern Nordghanas.

49. Peru/Ecuador 1995-1998 – ein amerikanisches Konfliktmanagement-Team vermittelte eine friedliche Lösung für den Grenzkonflikt, der seit 1884 34mal zu Kämpfen geführt hatte.

50. Uganda1998 – Die Acholi Religious Leaders‘ Peace Initiative arbeitete für ein gewaltfreies Ende bewaffneter Konflikte, trainierte Freiwillige in Mediation und unterstützte Überlebende des Bürgerkriegs zwischen der ‚Lord’s Resistance Army‘ und den Regierungstruppen.

51. Australien 1998 – Die ‚Sorry Book‘-Kampagne sammelte von tausenden Australiern Unterschriften, um für frühere Menschenrechtsverletzungen gegen die eingeborene Bevölkerung um Entschuldigung zu bitten.

52. Serbien 1998-2000 – von Studenten angeführte Demonstrationen in Belgrad, unter Nutzung von Graffitis, Humor und Mobiltelefonen bewirkten den Sturz von Präsident Milošević, der sich geweigert hatte, seine Wahlniederlage zu akzeptieren.

53. Palästina Israel 2001 – fünf israelische Frauen begannen, Kontrollpunkte, die die Bewegungsfreiheit der Palästinenser kontrollieren sollen, zu überwachen. Zunächst als unpatriotisch abgetan, gehören inzwischen einige hundert Beobachterinnen zu Machsom / CheckpointWatch, die in Schichten das Verhalten von Soldaten und Polizei beobachten, für den Schutz der Bürgerrechte der Palästinenser sorgen und ihre Beobachtungen an die Öffentlichkeit bringen.

54. Nigeria 2002 – 150 Frauen aus den Dörfern brachten eine Erdölproduktionsstätte für 10 Tage zum Erliegen, indem sie von Booten aus mehrere Pipeline-Köpfe von Chevron Texaco besetzten. Mit der Drohung, sich auszuziehen, falls sie entfernt würden, verlangten die Frauen von der Ölgesellschaft Arbeit und verbesserte Bedingungen in den Dörfern.

55. Liberia 2002-2006 – Blockaden und Sitzstreiks einer Koalition christlicher und muslimischer Frauen brachten die Männer dazu, über das Ende eines jahrzehntelangen Bürgerkriegs zu verhandeln. Sie mobilisierten erfolgreich Unterstützung für die erstmalige Wahl einer Frau als afrikanisches Staatsoberhaupt.

56. Ukraine 2004 – aus umfangreichen öffentlichen Proteste gegen eine korrupte Wahl und Neuwahlen geht die ‚orange Revolution‘ hervor.

57. Palästina Israel 2005 - Bewohner von Bil’in entschieden sich, für den Widerstand gegen die Enteignung ihres Landes, auf dem illegale israelische Siedlungen und die Trennmauer gebaut werden sollten, für eine gewaltfreie Vorgehensweise. Sie erreichten einen Beschluss des Obersten Gerichts Israels, wonach die Streckenführung der Trennmauer verändert werden musste. Ihrer andauernden wöchentlichen Mahnwache an der Trennmauer begegnet das Militär mit Gewalt.

58. Guatemala 2007 – junge Stelzenläufer nutzten Zirkuseinlagen und Straßenkarneval um das Klima der Gewalt, das von brutalen Jugendbanden ausging, zu verwandeln.

59. Thailand 2008 – Tausende von Demonstranten gegen die Regierung brachten Bangkoks Flughafen für acht Tage zum Erliegen. Die Machtprobe endete, als ein Gericht die Regierungspartei auflöste und den Premierminister wegen Wahlbetrugs von öffentlichen Ämtern ausschloss.

60. Pakistan 2009 – Großdemonstrationen und ein Marsch auf Islamabad, angeführt von den Rechtsanwälten des Landes, zwang den Präsidenten dazu, den Obersten Richter wieder in sein Amt einzusetzen, der 2 Jahre zuvor ohne Begründung von der Militärregierung abgesetzt worden war.


GEWALTFREIHEIT IST NORMAL
GEWALT IST DIE AUSNAHME

Diese Beispiele aktiver Gewaltfreiheit zeigen, dass in der ganzen Welt Menschen das Potenzial der Gewaltfreiheit erkannt haben, wenn es darum geht, sich gegen Unrecht einzusetzen und Veränderungen zu bewirken. Einige von ihnen bestanden aus einer kurzen Episode oder Kampagne, andere erforderten enormes Durchhaltevermögen und viele kleine Schritte über einen langen Zeitraum, bis der Wandel eintrat. Gewaltfreiheit bietet keine Patentlösung.

Fehlschläge? Erfolge gewaltfreier Aktion sind nicht wie Märchen
Sie enden auch nicht öfter „glücklich und zufrieden bis ans Lebensende“, als wenn Gewalt angewendet wurde. Die Bevölkerung muss andauernd wachsam bleiben und gewaltfreie Aktionen müssen möglicherweise wiederholt werden, wie es etwa 2001 in den Philippinen der Fall war. Gelegentlich hat der Erfolg nur eine kurze Lebensdauer, weil die neue Situation, die sich aus einer gewaltfreien Kampagne ergibt, zu neuer Gewalt führt (wie etwa nach der indischen Unabhängigkeit mit Teilung des Landes).

Viele gewaltfreie Aktionen, wie etwa die Studentenproteste am Tiananmen Platz 1989 in Peking, hatten keinen Erfolg, veränderten aber das öffentliche politische Bewusstsein. Andere Kampagnen haben die Bewusstheit von Gefahren, Ungerechtigkeiten und Problemen verbessert, die beispielsweise von Atomwaffen, Straßenbau, genmanipulierten Lebensmitteln, Frauenbenachteiligung, Waffenhandel usw. ausgehen.

Lernen, wie Gewaltfreiheit wirkt
Eine bedeutsame Entwicklung des vergangenen Jahrhunderts war die Verbreitung von Programmen zur Ausbildung in der Konfliktbearbeitung und dem Friedenstiften in Schulen, Kirchen, Gemeinschaften und zwischen Staaten. Quäker und Mennoniten haben diese Entwicklung vorangetrieben. Die Universität Bradford hat eine große Fakultät für Friedensstudien, die Studenten aus aller Welt anzieht.

In seinen Büchern zählt der amerikanische Wissenschaftler Gene Sharp fast 200 Methoden gewaltfreier Aktion auf, um Gerechtigkeit und den Sturz von Unterdrückern zu erreichen oder sich für Umweltbelange einzusetzen. Jesus zeigte bereits vor 2000 Jahren die gewaltfreie Art auf, sich den Mächtigen entgegen zu stellen, Ungerechtigkeiten aufzudecken, dabei Regeln zu brechen, um eine herrschende Kultur herauszufordern und Menschenwürde zu reklamieren: Lieber selbst leiden, als gewaltsam zurückzuschlagen. Dieser Ansatz konnte über viele Jahre hin fantasievoll vielfältig weiterentwickelt werden. Die Grundidee bleibt die gleiche: Unterdrückte nehmen sich ihre Macht zurück und nutzen sie, wobei sie dem Unterdrücker wohlwollend-gerecht die Möglichkeit anbieten, auf ihre Seite zu wechseln.

Gewaltfreiheit wirkt!
Erstveröffentlichung 2010 durch die Baptist Peace Fellowship, den britischen Versöhnungsbund und die britische Sektion von Pax Christi.
Original in englischer Sprache
Redaktion der deutschen Übersetzung: Martin Arnold 2018


Samstag

Ein "Neger" handelt

  Neulich war einer der jungen Sekretäre des amerikanischen Versöhnungsbundes, ein junger Farbiger, als Redner auf einer Reise im Süden und setzte sich über die Trennungsgesetze, die in einigen Staaten üblich sind, hinweg, indem er sich in einem Autobus auf einen Platz in einem für Weiße reservierten Abteil niederließ. Der Fahrer des Omnibus rief die Polizei an, sodaß vier Rohlinge von Polizisten den Omnibus gerade vor einer Stadt, wohin er fuhr, anhielten, einstiegen und unter Beschimpfungen verlangten, daß der junge Bayard Rustin den Platz, auf dem er saß, verließe. Den weiteren Verlauf der Geschichte geben wir am besten mit den eigenen Worten seines Briefes wieder. Nachdem er geschildert hat, wie die Polizisten ihn zu Boden warfen, schlugen, traten und herauszerrten, schreibt er:
  Ich sprang auf, streckte meine Arme waagrecht aus und sagte:
  "Sie brauchen mich nicht zu schlagen. Ich leiste keinen Widerstand."
  In diesem Augenblick entstiegen drei Weiße, offenbar aus dem Süden, dem Omnibus. Sie sagten:
  "Warum tun Sie das? Er hat nichts getan. Warum behandeln Sie ihn nicht wie einen Menschen? Er leistet Ihnen keinen Widerstand."
  Ein Kleiner packte den Knüppel des Polizisten, als er mich schlagen wollte, und sagte:
  "Lassen Sie das!"
  Die Polizisten schickten sich an, ihn zu schlagen, als ich zu ihm sagte:
  "Tun Sie das bitte nicht, denn ich stehe in guter Hut. Es bedarf keines Kampfes. Ich danke Ihnen trotzdem."
  Diese drei weißen Freunde begannen, meine Kleider und mein Gepäck aufzulesen, das der Fahrer des Omnibus aus dem Wagen an den Straßenrand geworfen hatte. Ein älterer Mann fragte die Polizisten, wohin sie mich brächten. Sie sagten:
  "Nashville."
  Er versprach mir, daß er hinkäme, um dafür zu sorgen, daß mir mein Recht werde.
  Während der wilden Fahrt von 13 Meilen zur Stadt beschimpften sie mich auf jede Weise und sagten alles Mögliche, was mich heftig werden lassen könnte. Ich saß ganz still und blickte ihnen gerade ins Auge, sooft sie mich anzusehen wagten. Der Umstand, daß sie mich nicht ansehen konnten, gab mir Mut, denn ich wußte, daß sie im Unrecht waren. Dies machte sie der Besserung ganz zugänglich.
  Als ich in Nashville ankam, durchsuchten sie mein Gepäck und meine Papiere. Sie zeigten größtes Interesse für das 'Christian Century and Fellowship'. Schließlich sagte der Hauptmann:
  "Komm her, Nigger!"
  Ich ging geraden Weges auf ihn zu.
  "Was kann ich für Sie tun?" sagte ich.
  "Nigger", sagte er, "man sollte annehmen, Du hättest Angst, wenn Du hier hereinkommst."
  "Ich werde gestärkt durch Wahrheit, Gerechtigkeit und Christus", sagte ich, "da brauche ich mich nicht zu fürchten."
  Er war völlig verblüfft. Eine Zeitlang sagte er gar nichts. Dann ging er zu einem anderen Beamten und sagte in seiner Verblüffung:
  "Ich glaube, der Nigger ist verrückt."
  Ich wartete dort anderthalb Stunden. Das nächste, was geschah, war, daß ich zu einer langen Fahrt durch die Stadt mitgenommen wurde. Im Gerichtsgebäude führte man mich in das Dienstzimmer des zweiten Bezirks-Staatsanwaltes. Als ich eintrat, hörte ich jemand sagen:
  "Na Du Farbiger, he!"
  Ich sah mich um und erblickte den weißen Herrn, der gesagt hatte, er würde dafür sorgen, daß mir mein Recht werde.
  Der Bezirks-Staatsanwalt fragte mich eine halbe Stunde über mein Leben, das 'Christian Century', den Versöhnungsbund, über Pazifismus und Krieg aus. Dann forderte er die Polizisten auf, ihre Darstellung von dem Vorfall zu geben. Sie brachten einige Lügen vor. Dann verlangte er von mir, daß ich meine Meinung sagte. Das tat ich, indem ich die Polizisten aufforderte, mir jeden Punkt zu bestätigen. Der Bezirks-Staatsanwalt entließ mich. Ich wartete eine weitere Stunde ganz allein in einem dunklen Raum. Dann kam er herein und sagte sehr freundlich:
  "Sie können gehen, Herr Rustin."
  Verwirrt verließ ich das Gerichtsgebäude, bestärkt in dem Glauben an das Handeln ohne Gewalt, denn ich bin sicher, daß man mich Herr nannte, daß mir der ältere Herr half und daß mir die drei Männer im Omnibus halfen, weil ich vier Polizisten mit den Worten: 'Sie brauchen mich nicht zu schlagen, ich leiste keinen Widerstand' furchtlos entgegengetreten war.



(Quelle: aus: Victories Without Violence, s.o.5., S.76f)


Die schweren Taschen

Eine Frau aus den USA erzählt, daß sie nachts unterwegs war, beladen mit zwei schweren Einkaufstaschen. Nach einiger Zeit stellte sie fest, daß ein Mann sie verfolgte und näher kam. Als dieser sehr dicht aufgeschlossen hatte, drehte sie sich um und sagte:
"Ein Glück, daß sie da sind! Können sie mir bitte beim Tragen der Einkaufstaschen helfen? Sie sind so schwer!" Dabei streckte sie ihm die Taschen freundlich einladend entgegen.
Der Mann war überrascht über diese Wendung und tat, was die Frau von ihm bat.
Die Verabschiedung später war freundlich und mit Dank verbunden. Etwas verlegen deutete dabei der Mann an, daß er sich ihr eigentlich in einer ganz anderen Absicht von hinten genähert hatte.


(Quelle: erzählt von Uwe Painke, Tübingen in seiner Arbeit: Selbstbestimmtes Handeln in Situationen personaler Gewalt (Hausarbeit zur Diplom-Vorprüfung) 1992, S.17)

Donnerstag

Dieses Mal lachten sie mit und nicht über Carlotta

Carlotta war dabei. Aber es machte sie krank, dass sie ausgelacht wurde. Sie saß ganz vorn und dadurch wurde sie ein leichtes Ziel für Papierkügelchen, die nach ihr gespuckt wurden und die ihr manchmal richtig wehtaten. Weniger ihrer Haut als ihren Gefühlen.

In diesem Teil des Südens der Vereinigten Staaten war ihre Highschool eine der ersten, in die schwarze Schüler und Schülerinnen aufgenommen wurden. Sie war die einzige Schwarze in der Klasse und verstand sehr gut, dass hier Geschichte geschrieben wurde. Deshalb hing viel davon ab, auf welche Weise sie auf die Herausforderung reagieren würde.

Bisher hatte sie, immer wenn eine dieser mit Spucke befeuchteten Raketen, die im Allgemeinen ein Stückchen Metall enthielten, sie an der Wange oder der Stirn traf, an sich halten können. Natürlich schlug ihr Herz schneller. Aber mit großer Selbstbeherrschung war es ihr gelungen, dies vor ihren Klassenkameraden zu verbergen. Das Problem war, dass die Mitschüler auf die Idee verfallen könnten, dass Carlotta nicht ebenso empfand wie alle anderen, wenn sie sahen, wie sie reagierte, während sie das doch nur mit einem großen Aufwand an Selbstbeherrschung zustande brachte.

Carotta erzählte in einer Übungsgruppe in einer der Kirchen von ihrem Problem. Sie erklärte dort, dass sie, obwohl sie entschlossen war, nicht zurückzuschlagen, sie sich manchmal so niedergedrückt fühlte, dass sie sich, wenn sie sich nach einem dieser Angriffe das Gesicht abwischte und die Klasse wie wild darüber lachte, wünschte, sie könnte sich aus der Klasse schleichen und müsste nie mehr dorthin zurückkommen.

Zum Glück war Jim Lawson ihr Gruppenleiter. Er war älter und hatte noch Schlimmeres als sie ertragen müssen. Er hatte auf diese Beleidigungen intelligent und mutig reagiert. Er war selbst neugierig, was geschehen würde, wenn Carlotta, wenn sie das nächste Mal ein Papierkügelchen treffen würde, echt und stark darauf reagieren würde und nicht auf ihre übliche angespannte und zu negative Art. „Wie wäre es, wenn du es folgendermaßen versuchen würdest? Du hebst das Papierkügelchen vom Fußboden auf. Dann trägst du es zum Platz des Mitschülers, der es gespuckt hat. Es wird nicht schwer sein herauszufinden, wer es war, denn die anderen Kinder werden auf ihn zeigen, denn sie hoffen, dass du diesmal mit Gewalt reagierst oder deine Gefühle zeigst. Dann lächelst du ihn so freundlich wie möglich an – und dein Lächeln muss durchaus echt sein – und legst das Papierkügelchen höflich auf seinen Tisch. Du kannst dich darauf verlassen, dass dir dann schon einfallen wird, was du anschließend tun kannst.“

Carlotta staunte. Das war wirklich ein Plan! Sie war so davon begeistert, dass sie die möglichen Schritte immer wieder in ihrer Vorstellung durchging. Schon nach ein paar Tagen ergab sie die Gelegenheit, das neue Verhalten auszuprobieren. Das Papierkügelchen verfehlte sie. Sie hob es vom Boden auf und brachte es dem offensichtlich „Schuldigen“. Sie legte das Papierkügelchen mit allem ihr zur Verfügung stehenden Charme vor ihn hin, lächelt und fragte: „Das gehört doch dir, nicht?“ Zu ihrem Erstaunen gelang es ihr, zu ihrem Platz zurückzugehen, ohne dass sie auch nur im Geringsten verlegen war.

Die Klasse brach in Gelächter aus. Diesmal jedoch nicht über Carlotta.


Aus dem Buch: 
Instead of cowardice or hate
COURAGE IN BOTH HANDS
Dramatic stories of real men and women who accomplished more than they believed they could
Allan A. Hunter
Copyright © 1962 by Allan A. Hunter Printed in the United States of America
BALLANTINE BOOKS, INC.
101 Fifth Avenue New York 3, N. Y.

Mitten im Kampf

Don war klein für sein Alter. Deshalb fühlte er die besondere Verpflichtung zu beweisen, was für ein harter Kerl er war. Dieser innere Zwang veranlasste ihn dazu, sich in recht viele Faustkämpfe einzulassen. Mitten in einem dieser Kämpfe, noch dazu mit einem besonders gehassten Rivalen und als er schon am Gewinnen war, überkam ihn ein seltsames Gefühl, das er nicht einordnen konnte. Es war weder Angst noch Hass. Er wusste genau, dass er dem Gegner nur noch näher zu rücken und ihm noch ein paar kräftige Schläge zu verpassen brauchte, um den Kampf zu gewinnen.
Aber das konnte er nicht. Er selbst drückt es später so aus: „Ich sah plötzlich im Gesicht des anderen dieselbe Angst und Erschöpfung, die ich gefühlt hatte, wenn ich verdroschen worden war. Dieser Anblick hinderte mich darin, ihn noch weiter zu schlagen. Natürlich sah er nicht dasselbe wie ich. Also schlug er mich k..o. Aber danach wurden wir Freunde und ich musste mich seitdem nie wieder mit jemandem schlagen.“

Danach führte Don ein konstruktives Leben. Er kam in die deutsche Stadt Kassel, wenige Kilometer von der Grenze nach Ostdeutschland entfernt. An seinem vierundzwanzigsten Geburtstag war er so damit beschäftigt, Maurerarbeit an einem Gemeindezentrum zu verrichten, dass er vollständig vergaß, dass die Familie, in der er lebte, ein Fest für ihn geben wollte. Am Abend – er hatte vierzehn Stunden lang gemauert – bat ihn ein deutscher Sporttrainer, einige Sportgeräte zu transportieren. Don benutzte dafür einen Lastwagen, den ihm die amerikanische Armee geliehen hatte. Es regnete. Die Räder mussten aus dem Schlamm gegraben werden. Als er zurückkam, war es drei Uhr morgens. Aber noch war der Fußboden des Saales nicht gestrichen und er hatte versprochen, ihn zu streichen. Das dauerte bis zum Frühstück. Im Rückblick meinte er, dies sei so etwa der glücklichste Geburtstag gewesen, den man überhaupt hätte feiern können.

Das Jahr darauf stürzte sich Don in eine noch aufreibendere Arbeit: Im Hafenviertel von Neapel, wo die Kriminalität die Polizei überforderte und 5 000 Flüchtlinge aus Russland, der Tschechoslowakei und anderen Ländern gemeinsam mit in Not geratenen Italienern – alle ohne Arbeit und ohne die notwendige Kontrolle – darum kämpften, irgendwie in Höhlen und in den Ruinen eines von der deutschen Armee im Zweiten Weltkrieg zerbombten Gebäudes ihre Existenz zu fristen. Gemeinsam mit fünf jungen Bandenchefs, die Don wegen seiner Härte schätzten, baute er einen Jungenklub auf, der bald mehr als hundert Mitglieder hatte. Zur Unterhaltung der Jugendlichen schrieb er kleine Theaterstücke, in denen sie mitspielen konnten, und führte dabei Regie. Er hielt auch Basare ab, in denen sie von ihnen produzierten Lederarbeiten verkaufen konnten. Ein Ergebnis seiner Arbeit war, dass viele, die dem Kommunismus zugeneigt gewesen waren, sich nun für mehr Demokratie engagierten.

Als er noch in Deutschland gewesen war, hatte er bei einigen Kurzstreckenläufen einen guten Platz belegt. Aber nun hatte er infolge einer Blinddarmoperation, auf die eine Hepatitis gefolgt war, fast 15 kg Untergewicht. Dieses Martyrium hatte ihn fast das Leben gekostet.
Da die zwei Jahre seines Friedensdienstes als Kriegsdienstverweigerer um waren, hätte er nach Hause fahren können, um sich zu erholen. Aber trotz seiner Erschöpfung blieb er weitere sechs Monate, um die Grundlagen für einen Traum zu legen.

Er kehrte in die USA zurück und wurde ein Hollywoodstar, der zusammen mit Marilyn Monroe vor der Kamera stand, und er arbeitete gleichzeitig weiter an seiner Idee. Aus ihr wurde ein gut gehendes Unternehmen auf einer Insel vor der italienischen Küste. Die Vereinten Nationen sind daran beteiligt. Jedoch halten vor allem Dons Filmeinnahmen und seine Begeisterung das Projekt in Gang. Auf den 60 Hektar guten Bodens trifft er, wenn er sich mal eine Woche von den Dreharbeiten freimachen kann, 14 oder mehr seiner alten Freunde, die nun keine „displaced persons“ mehr sind, und genießt mit ihnen ihre Freiheit, in der sie gleichzeitig mit Weizen, Orangen, Artischocken, Kühen und Schweinen auch ihre Selbstachtung pflegen. Dies ist, meint Don, „die beste und modernste Hühnerfarm auf Sardinien.“



Aus dem Buch: 
Instead of cowardice or hate
COURAGE IN BOTH HANDS
Dramatic stories of real men and women who accomplished more than they believed they could
Allan A. Hunter
Copyright © 1962 by Allan A. Hunter Printed in the United States of America
BALLANTINE BOOKS, INC.
101 Fifth Avenue New York 3, N. Y.


Ein nicht hässlicher Amerikaner -

„In der Grundschule war ich eine Heulsuse“, gestand G. ganz offen dem Militäranwalt, der ihn befragte, um herauszufinden, ob G., als er einberufen worden war, der Status eines Kriegsdienstverweigerers zuerkannt werden sollte. In der Highschool dauerte es dann nicht lange, bis er herausfand, dass er daran etwas ändern musste, wenn er für die Friedensarbeit in der Welt von irgendeinem Nutzen sein wollte. Also trainierte er sich im Ringen.

Im College nahm er dann an Ringkämpfen teil und stellte sich vor, wie sich wohl sein Gegner fühlte. Wenn er ihn am Boden festhielt, flüsterte er ihm, bevor er ihm erlaubte, sich aufzurichten, etwas Ermutigendes zu, wie etwa „Dein Griff vorhin hat mir wirklich Mühe gemacht!“ Wenn der andere ihn selbst am Boden festhielt, dann gratulierte er ihm ganz aufrichtig dazu.

Monatelang weigerte sich die Einberufungsbehörde, seine ursprüngliche Einteilung zum I A-Kämpfer-Dienst in den Einsatz zum zweijährigen alternativen Zivildienst umzuwandeln, wie er beantragt hatte. Dieser Student sah nicht wie ein Fanatiker aus. Offensichtlich war er auch kein Muttersöhnchen. Warum wollte er also nicht riskieren, sich in der Luftwaffe oder bei der Infanterie den Hals zu brechen? Der Grund dafür sei, so versuchte G mit wenig Erfolg zu erklären, dass er glaube, es gebe einen besseren Weg, und er sei bereit, so gut wie jeden Preis dafür zu zahlen, diesen Weg auszuprobieren.

Schließlich ging man auf seinen Fall ein und teilte ihn schließlich einem Team von Eirene in Marokko zu. Die Lebensbedingungen dort waren genau so primitiv und stellten so hohe Ansprüche an ihn, wie er sie sich gewünscht hatte. Er unterrichtete algerische Flüchtlingswaisen in einem roh errichteten Schuppen. Am Morgen darauf in aller Frühe sollte er eine durch ein Erdbeben beschädigte Zisterne reparieren. Er wanderte also über einen Hügel, um die Betonierarbeiten zu überprüfen.
Als er gerade die andere Seite erreicht hatte, sauste ein Felsbrocken an ihm vorbei. Er war groß, etwa 5 Kilo. Wenn er nur ein paar Zentimeter näher gewesen wäre, wäre es ihm wahrscheinlich nicht mehr möglich gewesen, das was nun folgte, zu berichten.
G wollte natürlich wissen, woher der Felsbrocken gekommen war, und drehte sich gerade rechtzeitig um, um einen weiteren Brocken genau auf seinen Kopf zusausen zu sehen. Er duckte sich. Der Felsbrocken traf einen linken Arm und prallte ab.
G. war zwar erst seit ein paar Monaten im Land, aber er konnte schon etwas Französisch und Arabisch. „Warum“, fragte er in beiden Sprachen, „Warum tust du das?“
„Tahmout – Tahmout“, (du musst sterben, du musst sterben) schrie der andere.
G. stürzte sich auf ihn und ergriff seine Hand. Er wollte unbedingt herausbekommen, so schrieb er einen Monat später, „warum er so wütend war oder mich so sehr hasste. Er schlug seinen Kopf gegen meinen, deshalb ließ ich ihn los, da ich ja keine Gewalt anwenden wollte, und ich versuchte, mit ihm zu reden.“

In G.s Brief heißt es weiter: „Er schlug mir ein paar Mal mit der Faust ins Gesicht. Dann lief er, als er (vermute ich) sah, dass ich keine Angst hatte, ein Stück weit weg und nahm einen Felsbrocken auf, den er mir wieder an den Kopf warf. Ich hielt den Stein mit der Hand auf und versuchte dann, den Mann festzuhalten, aber er hatte schon einen weiteren Stein aufgehoben. Er schlug ihn mir auf den Kopf, so dass ich eine tiefe Wunde davon bekam. Nun gebrauchte ich meine Ringerfertigkeiten, ergriff ihn, drehte ihn herum und hielt ihn auf dem Boden fest.“
Das Spektakel erregte Aufsehen. G.s Angreifer wurde ins Gefängnis gesteckt und G. wurde in die Stadt gebracht, um medizinisch versorgt zu werden.

Zwei Tage danach erfuhr er, was geschehen war. Der junge Mann war verwirrt. Wenige Stunden, bevor er G. angegriffen hatte, hatte er zwei andere Menschen mit Steinen geworfen. Einer von ihnen war zu der Zeit, als G. den Brief über den Zwischenfall schrieb, noch im Krankenhaus. Zwar wollten die Beamten der lokalen Regierung, dass G. Anklage erhob, aber das wollte er nicht. Schließlich wurde der Kranke in die Psychiatrie in Casablanca geschickt.

„Zwei Tage nachdem ich von diesem Burschen verletzt worden war“, lesen wir
 weiter in seinem Brief, „war ich wieder in die Berge gegangen, um dort zu arbeiten (da wusste ich noch nicht, dass er krank war). Ich hatte nun vor allen Menschen dort Angst und traute ihnen so wenig, dass ich ihnen nicht den Rücken wandte. Ich denke, das war normal, aber nachdem ich erfahren hatte, dass er krank war, ging es mir besser. Vermutlich wurde ich darum nach diesem Erlebnis so ängstlich, weil ich den Grund dafür, dass er mich verletzt hatte und mich hatte töten wollen, nicht kannte. Am Tag nach diesem Ereignis wusste das ganze Dorf davon und sie testeten mich, denn sie hatten noch nie etwas von Gewaltfreiheit gehört. Sie hoben Felsbrocken auf, als wollten sie sie auf mich werfen. Sie verpassten mir eine und machten schnelle Bewegungen auf mich zu, , um zu sehen, ob mir das Angst machte. Ein Bursche packte mich am Halt (so, wie der Kranke es getan hatte) und tat so, als wollte er mich erwürgen. Ich zeigte ihm, wie ich mich dagegen wehren konnte und brachte ihn durch einen Trick, den ich einmal gelernt hatte, zum Aufgeben. Ein anderer tat so, als wollte er mir eins verpassen, als ich aus der Zisterne stieg. Ich wandte mich um, ergriff ihn und hielt ihn in die Luft. Das war ein einfacher Ringergriff, aber er veranlasste ihn, mich zu respektieren. Ich musste an diesem Tag den Leuten noch oft beweisen, dass ich keine Angst vor einem Kampf hatte, wenn er nicht im Ernst stattfand. Ich denke, ich bewies ihnen, dass ich kein Feigling war, nur weil ich den Jungen nicht verletzt hatte.“

G. bewundert die Geschicklichkeit, mir der diese Menschen Steine werfen. Damit, sagt er, hüten sie ihre Tiere. Er dankt Gott nicht nur dafür, dass er nicht von einem der 5 oder 6 Kilo schweren Felsbrocken erschlagen wurde, sondern auch dafür, dass er „(damals) keinerlei Furcht oder Hass empfand und dass er ihn nicht verletzte.“

„Ich muss wohl recht erregt gewesen sein“, fügt er hinzu, „denn alles ging mir so schnell durch den Kopf. Ich hatte damals keine Angst vor ihm und ich hasste ihn nicht. Aber etwas ging mir durch den Kopf, wofür ich mich schämte. Haben Sie das Buch Der hässliche Amerikaner gelesen? Ich dachte, mir könnte so etwas nicht passieren, weil ich ein Amerikaner bin. Ich denke, das war in meinem Unterbewusstsein. Mir gefällt das, was ich damals dachte, überhaupt nicht, aber ich bin wohl auch nur genau so schwach wie alle anderen.“

Aus dem Buch:
Instead of cowardice or hate
COURAGE IN BOTH HANDS
Dramatic stories of real men and women who accomplished more than they believed they could
Allan A. Hunter
Copyright © 1962 by Allan A. Hunter Printed in the United States of America
BALLANTINE BOOKS, INC.
101 Fifth Avenue New York 3, N. Y.