Posts mit dem Label Gütekraftbericht werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Gütekraftbericht werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag

Das Gewehr über der Schulter

Pats (Patrick Lloyds) Erlebnisse während des Ersten Weltkrieges standen ihm nicht im Gesicht geschrieben. Der Autor musste einige Mühe und Geduld aufbringen, um sie aus Pat herauszubekommen. Hier sind sie. Wenn die Leserin Pat kennen würde, dann würde es ihr nicht schwerfallen, alles zu glauben. Pats Truppe, sie waren Kanadier, wurde befohlen bei vollem Tageslicht über ein offenes Feld die Deutschen, die in einem Wald standen, anzugreifen. Von den Männern der Kompanie kamen nur fünf zurück, unter ihnen Pat. Am Tag des Waffenstillstandes waren sie noch zu fünfundzwanzig. Als der Schlachtenlärm aufhörte, drehten einige von ihnen durch und schrieen laut.

Als er siebzehn war, hatte er sein Alter gefälscht, um sich für die kanadische Armee einschreiben lassen zu können. Tief in seinem Herzen wusste er allerdings, dass Krieg nicht der Weg zu Gerechtigkeit und Frieden war. Aber mit siebzehn, als ältere Freunde in Europa Helden wurden und es die am besten aussehenden Mädchen beim Anblick einer Uniform heiß und kalt überlief, dachte er: Also gut, warum eigentlich nicht?

Er trug Stücke von Wellblech auf dem Kopf zur Front in Frankreich, die dort für den Bau von Unterständen benutzt werden sollten. Der Boden um ihn her war aufgewühlt. Es hagelte Grantatsplitter auf die Wellblechstücke auf seinem Kopf. Pat erschien die Situation hoffnungslos. Wozu sollte das wohl alles gut sein? Hatte das Leben irgendeine Bedeutung? Man konnte ebenso gut von einem der Splitter getroffen werden wie davonkommen. In seiner Verzweiflung und Erschöpfung ruhte er einen Augenblick aus und es kümmerte ihn kaum, ob er getroffen würde oder nicht. Er erwartete, dass irgendein Offizier ihn wütend anschreien würde: „Was machen Sie da? Sehn Sie zu, dass Sie vorwärtskommen!“

Dann geschah Pat das Seltsamste, das er je erlebt hatte. Aber zu dem Zeitpunkt schien es völlig natürlich, so dass er sich nicht wunderte. Eine strahlende Figur näherte sich ihm. Offenbar war es Jesus. Er kam zu Pat, gab ihm freundlich die Hand, lächelte und glitt dann an ihm vorüber ins Dunkel.

Von da an konnte Pat nicht mehr töten. Das Kopfschütteln genügte Pat vollständig. Es ging nicht darum, was wirklich geschehen war, ob das Erlebnis seiner übererregten Fantasie zu verdanken war oder ob wirklich Jesus zu ihm gekommen war. Es ging darum, dass Pat von da an nicht mehr direkt am Krieg teilnehmen konnte.

Er hatte keine Angst. Die Tommies in den Schützengräben fühlten, dass er sich verändert hatte. „Warum?“ konnten sie beunruhigt fragen, „Es ist dir doch nichts passiert! Es hat sich doch nichts verändert. Wir verstehen nicht, was über dich gekommen ist.“

Pat sagte seinem Oberst, einem Mann aus Calgary in Kanada, dass es für ihn mit dem Töten vorbei sei. „Was zum Teufel denken Sie eigentlich, wozu wir hier sind?“ fragte der überraschte Oberst McDonald.

Pat kam vor ein Kriegsgericht und wurde zum Tode durch Erschießen verurteilt. Der Oberst verabscheute das, aber so waren nun einmal die Gesetze der Armee.

Während Pat auf die Exekution wartete, dachte er tief nach, wurde sehr still und lauschte auf Gott. Schließlich kam ihm in den Sinn, dass es eine Lösung des Problems geben könnte. Er ging also zu Oberst McDonald. „Ich werde den Gesetzen der Armee gehorchen. Zwar werde ich niemanden töten, aber ich werde weiter vorwärts gehen.“

Zu seiner Überraschung fand der Oberst im militärischen Handbuch zwar eine genaue Anleitung zur Benutzung des Bajonetts, aber an keiner Stelle wurde die Benutzung befohlen. Er war sehr froh, dass Pat nicht erschossen werden musste. Er nahm seinen Vorschlag an.

Aber der Oberfeldwebel, der später von seinen eigenen Männern von hinten erschossen wurde, war nicht zufrieden. Er dachte, Pats Einfall sei vollständiger Unsinn. Daraus ergab sich, dass Pat in nur zwei Wochen dreimal auf Patrouille geschickt wurde. Er machte es sich zur Regel, dass er nie die Auslöser der Granaten betätigte, nie schoss und nie sein Bajonett benutzte. Irgendwie kam er mit dem Leben davon.

Bei einem Angriff kamen von der gesamten Kompanie nur eine Handvoll Soldaten zurück. Zu ihnen gehörte auch Pat. Sie zählten die Kugellöcher in Pats Uniform. Es waren sechzehn und eine leichte Fleischwunde. Es schien unglaublich, dass er das lebend überstanden hatte.

Der Oberfeldwebel hatte etwas gegen diesen aus der Art geschlagenen Soldaten. Er war ein alter Haudegen, ausgekocht und unsensibel. Pat war klar, dass den Männern nichts lieber wäre, als mit anzusehen, wie ihr Tyrann in eine lächerliche Lage gebracht würde. Einmal wurde er wütend und schrie Pat an, indem er wüste Schimpfwörter gebrauchte. Er befahl ihm, sein Gewehr zu laden und zu schießen. Pat fügte sich ruhig und höflich und zielte dorthin, wo sein Schuss den geringsten Schaden anrichten würde. Er wollte nicht, dass der Oberfeldwebel das Gesicht verlöre.

Immer wieder gab Pat in allen möglichen Einzelheiten nach, gab in technischen Punkten, so weit er konnte, nach, führte getreulich alle Handlungen eines guten Soldaten aus – nur dass er das Töten ausließ. Eines Tages gab ihm der Oberst seinen dritten Streifen. Schließlich hatte der junge Irisch-Kanadier nicht ein einziges Mal gegen die Regeln verstoßen. Der Oberst hatte Sinn für Humor. Er sagte: „Ich gebe Ihnen diesen dritten Streifen, weil ich muss. Niemand, Pat, niemand in der ganzen kanadischen Armee ist besser davongekommen als Sie.“

Bei einem Angriff schlug das kanadische Sperrfeuer in die deutschen Schützengräben ein und Pat und seine Kompanie mussten die Soldaten der anderen Seite „völlig aufreiben“. Das heißt, sie mussten dem Sperrfeuer folgen und jeden Deutschen töten oder gefangen nehmen, auf den sie beim Vorrücken trafen. Jeder Soldat sprang in einen Schützengraben und tat, was er konnte. Natürlich war das verwirrend. Pat war plötzlich allein in einem Schützengraben. Er wusste nicht, ob er vor oder hinter den anderen war.

Als er in einem Graben um die Ecke bog, tauchte vor ihm plötzlich ein Deutscher auf, der zu seinem Empfang bereit war. Gewehr und Bajonette des Deutschen richteten sich auf Pat. Sofort ging Pat, das Gewehr über die Schulter gehängt, auf den Deutschen zu und hielt beide Hände vor sich, die Handflächen ein wenig erhoben. Er hob die Hände nicht über den Kopf. Das wäre zu viel gewesen, so als würde er sich ergeben.

„Kamarad!“ rief Pat und lächelte. Das Bajonett des Deutschen kam näher und war nur einige Meter von Pats Bauch entfernt.
„Sprechen Sie deutsch?“ fuhr Pat fort, „you sprechen English?“
„Nein English“, antwortete grimmig der andere unter seinem Helm hervor.

Der Deutsche war nun überrumpelt, er war überrascht worden. Er war auf einen Bajonettstoß des Feindes gefasst gewesen. Aber dieser seltsame Kanadier fragte ihn, ob er Englisch spreche und noch dazu mit diesem komischen Akzent. Der Deutsche schob mit einer Hand ganz verwirrt den Helm zurück und fasste mit der anderen sein Gewehr fester.

„Liebe mannen“, sagte Pat, „alles mannen.“ (Ich liebe Menschen, alle Menschen.)
„Alles mannen? Deutsch?“ antwortete der Deutsche ungläubig.

„Ya, alles mannen“, und Pat balancierte sein Gewehr auf den ausgestreckten Händen. Er wollte, dass der Deutsche versteht, dass er Patronen im Gürtel hatte und dass er sein Gewehr genau so wirksam gebrauchen könnte wie der Deutsche seines. Das könnte er, aber er würde es nicht tun. Widerstrebend verstand der Deutsche. Die beiden Soldaten setzen sich auf die Gewehrablage. Pat durchsuchte sein Gedächtnis nach deutschen Wörtern. Er wollte sagen: „Ich hasse den Krieg“, also versuchte er: „Nicht war“. Der Deutsche verstand nicht. „Nicht la guerre“, sagte Pat, der nach dem richtigen Wort suchte. Der andere zeigte Verachtung. Offensichtlich missfiel ihm der Gedanke an irgendetwas Französisches. Pat erklärte noch einmal, er liebe alle Menschen.

Die Anspannung dieses behutsamen Balancierens auf der Schwelle des Todes, dazu der seltsame Akzent und die unpassenden Wörter des unerschütterlichen Iren neben ihm waren zu viel für den Deutschen. Er hatte Pat zunächst mit Misstrauen betrachtet, aber jetzt konnte er nicht anders, er musste lachen.

„Ach“, brach es fast unkontrollierbar aus ihm heraus. Er wedelte mit seinem
Gewehr in der Luft herum, als wäre es ein Spazierstock. „Freund! Freund!“ rief er.

Sie schwätzten noch weiter, jeder in seiner eigenen Sprache, aber sie konnten sich gegenseitig verstehen. Schließlich ging jeder der beiden seiner Wege.


Aus dem Buch: 
Instead of cowardice or hate
COURAGE IN BOTH HANDS
Dramatic stories of real men and women who accomplished more than they believed they could
Allan A. Hunter
Copyright © 1962 by Allan A. Hunter Printed in the United States of America
BALLANTINE BOOKS, INC.
101 Fifth Avenue New York 3, N. Y.

„Hör endlich auf, mich zu lieben!“

Einige Jahre zuvor, nicht lange nach dem Ersten Weltkrieg, verrichtete Pat (Patrick Lloyd) Sozialarbeit – allerdings würde er es nicht so nennen – in einem Londoner Slum. In der Gemeinde gab es einen Arbeitslosen, der im Begriff war, sich zu Tode zu trinken. Er hatte eine Frau und Kinder und brauchte dringend Hilfe. Eines Tages, als Pat eine Treppe hinaufstieg, um im dritten Stockwerk einen Besuch zu machen, ging dieser Mann einige Stufen vor ihm her. Pat wusste, wie bitter sein Nachbar war, deshalb ging er weiter und sprach ihn nicht an. Der andere konnte das Schweigen nicht ertragen. Plötzlich drehte er sich um und schrie Pat wild ins Gesicht: „Hör endlich auf, mich zu lieben!“

Pat verstand, dass er besser nicht antworten sollte, und verschwand. Einige Tage danach drückte er dem Mann schweigend einen Zettel in die Hand, auf dem stand, dass da und da ein Tischler für eine kleine Arbeit gesucht werde. Diese Einfühlsamkeit hatte einige interessante Folgen. Als der Mann in einer Kneipe hörte, wie jemand eine beleidigende Äußerung über Pat machte, schlug er den Kritiker zu Boden. Aber das war nicht alles. Von da an nahm er auch andere Arbeiten an und kümmerte sich um seine Familie.

Aus dem Buch: 
Instead of cowardice or hate
COURAGE IN BOTH HANDS
Dramatic stories of real men and women who accomplished more than they believed they could
Allan A. Hunter
Copyright © 1962 by Allan A. Hunter Printed in the United States of America
BALLANTINE BOOKS, INC.
101 Fifth Avenue New York 3, N. Y.

„Ich habe keine Angst – hast du Hunger?“

Wie ein Magnet, der unweigerlich Eisenspäne anzieht, so zieht Pat (Patrick Lloyd) immer wieder die seltsamsten Zwischenfälle an. Eines Nachts wachte er durch ein Licht erschreckt auf, das ihm ins Gesicht schien.
„Gib dein Geld raus“, sagte der Mann hinter der Taschenlampe.
„Ich habe nicht viel“, antwortete Pat, der noch nicht wach genug war, um sich klar zu machen, wie komisch seine Antwort war. „Aber das, was ich habe, brauche ich selbst.“
„Wo ist es?“ Der Einbrecher schrie fast.
„Wenn ich dir alles geben würde“, antwortete Pat sanft, „dann hätte ich ja nichts mehr für mich.“ Schweigen. Dann sprach Pat weiter: „Weißt du was, ich habe zwar nur wenig, aber das könnten wir teilen.“ Er bemerkte, dass die Pistole langsam gesenkt wurde.
Pat: „Jetzt, wo du die Pistole nicht mehr auf mich richtest, könntest du dich doch setzen!“ Der Einbrecher hob die Pistole wieder an und zielte auf Pat. Er wiederholte seine Forderung. Pat sagte: „Ich habe keine Angst mehr vor dir.“
Einbrecher: „Warum nicht?“
Pat: „Das kann ich dir nicht erklären, es ist eben so: Ich habe keine Angst mehr vor dir… Hast du Hunger?“
Einbrecher: „Ja“.
Pat: „Wir wollen Kaffee trinken und Brötchen essen. Ich kann das ganz schnell machen.“
Einbrecher: „Na gut“. Sie saßen zusammen und aßen und sprachen miteinander.
Pat: „Warum machst du sowas?“
Einbrecher: „Mir fällt nichts anderes ein. Ich würde niemals betteln.“
Pat: „Es wäre schön, wenn du bei mir bliebst und ich dir bei der Arbeitssuche helfen könnte.“
Einbrecher: „Nein – du würdest mich reinlegen.“
Pat: „Warum lässt du nicht die Pistole hier? Wenn sie dich damit erwischen, kriegst du Ärger. Ich hebe sie für dich auf.“
Der Einbrecher sah das ein, ließ die Pistole dort und als sie sich trennten, gaben sie sich die Hand.

Aus dem Buch: 
Instead of cowardice or hate
COURAGE IN BOTH HANDS
Dramatic stories of real men and women who accomplished more than they believed they could
Allan A. Hunter
Copyright © 1962 by Allan A. Hunter Printed in the United States of America
BALLANTINE BOOKS, INC.
101 Fifth Avenue New York 3, N. Y.

Freitag

Kleine Wahrheitserfahrungen in der Armee

Jean-Baptiste Libouban:

In den Jahren 1958-59 mußte ich aufgrund gesetzlicher Verpflichtung einige Monate in den Reihen der französischen Armee verbringen, während der Algerienkrieg tobte.
Kriegsdienstverweigerung war zu dieser Zeit in Frankreich nicht anerkannt. Ich konnte, nicht ohne Kampf übrigens, einen Status als Sanitäter ohne Waffe bekommen. Diese Monate in der Armee waren sicherlich die reichsten meines Lebens an gewaltfreien Abenteuern. Es war ein idealer Ort zur Erprobung der Kraft der Wahrheit, des Widerstands gegen die täglichen Ungerechtigkeiten, die in dieser Art von Institution häufig vorkamen. Ich versuchte die Kraft des Nein, aber auch die Kraft des Ja, die ganz genauso wichtig ist. Kaum verging eine Woche, in der ich nicht konfrontiert wurde mit Situationen, die es mir einbrachten, auch Militärgefängnisse kennenzulernen, unter anderem das der Kaserne von Reutlingen, wo ich im Sommer 1958 einige Tage verbrachte.

Ich fand Freude daran, Mißbräuche anzuzeigen und diejenigen solidarisch zu unterstützen, die man verfolgte oder bestrafte aus dem einzigen Grund, damit die große Maschine des passiven Gehorsams zur Demütigung laufen konnte. Vor allem seit der Zeit, als ich Sanitäter wurde, und besonders in Algerien stellte ich mich zum Dienen ein und darauf, meine Zeit zu geben ohne zu rechnen, um die Kranken zu pflegen. Außerdem gibt es nichts Befriedigenderes als gute Arbeit zu leisten.
Diese Kraft des Ja wird in der Armee genauso wenig praktiziert wie die andere (d.h. die Kraft des Nein). Die Militärpflicht war nicht nach dem Geschmack meiner Kameraden. Einerseits, angesichts der Schikanen, versuchten sie sich ruhig zu verhalten, um ihre Lage nicht zu verschlimmern. Andererseits gehörte es - dazu passend - zum guten Ton, sich möglichst wenig zu kümmern und zu versuchen, sich gut Zeit zu gönnen. Dieser gängigen Trägheit begegnet die Armee im Allgemeinen mit Zwang und großen Abhandlungen über die Ehre, die Verteidigung der Interessen der Nation und das Pflichtbewußtsein.

Ich verhielt mich also dauernd im Gegensatz sowohl zu den Militärs, als auch zu den Kameraden. Wegen der Arche und der Gewaltfreiheit hatte meine Haltung direkten Zugriff auf die Ereignisse, und zwar ohne jede Rede gegen den Militarismus oder den Kolonialismus. Auf diese Weise kam die Kraft der Wahrheit ins Spiel, weil ich zum Wesentlichen kam.
In den letzten sechs Monaten meiner Zeit in Algerien, angesichts meiner Aktivität im Krankenhaus, bot mir die Armee eine Ausbildung als Unteroffizier des Sanitätscorps an. Als ich dies zurückwies, schlugen sie mir vor, wenigstens Soldat erster Klasse zu werden. Die Armee hielt uns zu dieser Zeit über die gesetzlich verpflichtende Zeit hinaus unter den Fahnen, um eine bedeutende Truppe in Algerien halten zu können. Nach dieser gesetzlichen Verpflichtungszeit bekamen wir den gleichen Sold wie die Freiwilligen; im Dienstgrad aufzusteigen bedeutete also sicher zu sein, eine bedeutende Geldsumme zu bekommen - kein Vergleich zu dem, was ein einfacher Soldat erhielt.
Zu ihrem großen Bedauern hatte ich keine andere Antwort, als ihnen lächelnd zu sagen, daß ich ihr Gefangener sei. Es war mir daher unmöglich, die Ehre und die Vorteile, die sie mir als Anerkennung meiner Dienste anboten, anzunehmen.

Dabei hätte es bleiben können. Aber so kam es nicht. Zu meiner großen Überraschung kündigten sie mir einen Monat vor dem Ende meiner Zeit an, sie gewährten mir einen Monat Erholung am Meer. Außerdem strichen sie die Monate Zusatzdienst, die ich wegen meiner Zeit im Gefängnis hätte anhängen müssen, weil sie nicht als Dienstzeit gerechnet wurden.
Hier, in diesen kleinen Aktionen habe ich die Kraft der Wahrheit begriffen. Unter der Offiziersmütze existiert ein Mensch, der eine Haltung als gerecht und wahr verstehen kann - viel mehr als man zu glauben geneigt ist. Es war übrigens nicht der einzige Fall dieser Art, den ich traf während jener Zeit, die ich in der französischen Armee verbrachte.

Bergarbeiterfrauen in Bolivien: “Befreiung aller Gefangenen!”

Nach sieben Jahren Militärdiktatur versprach am 22. Dezember 1977 Boliviens Präsident General Banzer anlässlich bevorstehender Wahlen eine Generalamnestie für politische Gefangene. Von dieser aber wurden 348 ausgeschlossen.
Aus der Zinnminenstadt Llallagua kamen am 28. Dezember vier Bergarbeiterfrauen, deren Männer von der Amnestie ausgeschlossen waren, mit ihren insgesamt 14 Kindern in die Hauptstadt La Paz, entschlossen, für die Freiheit der Gefangenen in einen unbefristeten Hungerstreik zu treten. Ihre vier Forderungen: Generalamnestie ohne Einschränkung; Wiederaufnahme aller entlassenen, gefangenen oder exilierten Bergarbeiter in ihre früheren Arbeitsstellen; Rückkehr aller Exilierten (ca. 17000 Personen) und Aufhebung der Besetzung der Bergbauzonen durch die Armee.

Nach Abweisung von der “Permanenten Versammlung für die Menschenrechte”, die eine derartige Aktion für unwirksam hielt, wurden sie im Haus des Erzbischofs Mons. Manrique aufgenommen. Drei Tage später schließen sich zwei weitere Gruppen von elf Personen dem Fasten an, das sie in einer Kirche und am Sitz der unabhängigen katholischen Zeitung “Presencia” durchführen. Solidaritätserklärungen kommen am selben Tag von der Gewerkschaftsföderation der Bergleute, der Frauen-Union Boliviens, dem Interfakultären Komitee der UMSA, der katholischen Kirche und der Permanenten Versammlung für die Menschenrechte. Diese lösen eine Welle der Zustimmung über das ganze Land aus.
Beauftragte der Ministerien suchen die Frauen auf und versprechen, “ihre Fälle” zu revidieren. Die Frauen bestehen dagegen auf der Erfüllung aller Forderungen, da es ihnen nicht nur um die eigenen Familien gehe.

In vielen Städten entstehen Unterstützungskampagnen, am 10. Tag fasten allein in La Paz 300 Personen mit, die meisten im Lande fasten in Kirchen. Universitäten, Betriebe und Minen streiken für kürzere oder längere Zeit, um ihre Solidarität auszudrücken. Expräsident Salinas, der mitfastet, leitet ein neu gebildetes Verhandlungskomitee. Die Regierung weist jedes Verhandlungsangebot zurück, bezichtigt die Streikenden der Subversivität und organisiert Gegendemonstrationen. Wegen der anhaltenden Solidaritätskundgebungen versucht General Banzer über den Erzbischof einen Kompromiss durchzusetzen, der aber von den Fastenden zurückgewiesen wird. Um die Koordinierung des Widerstandes zu behindern, organisiert daraufhin die Regierung über von ihr beauftragte Gewerkschaftskoordinatoren einen Streik, der den Verkehr lahm legt.
Schließlich kommt es doch zu Verhandlungen. Die Regierung bricht diese am Abend des 20. Fastentages ab.

In den frühen Morgenstunden des 21. Tages (17. Januar 1978) besetzt die Polizei viele Orte, an denen sich Fastende aufhalten, außer dem Haus des Erzbischofs, und führt sie z.T. in Krankenhäuser, z.T. in Polizeistationen ab. Das ruft Empörung hervor, immer mehr Menschen solidarisieren sich: 1200 Personen fasten. Der Erzbischof protestiert gegen die Übergriffe gegen die Kirche, exkommuniziert die dafür Verantwortlichen und kündigt gemeinsam mit anderen Bischöfen des Landes eine dreitägige Schließung aller Kirchen an, auch ein Sonntag ist davon betroffen. Gegen Abend ist die Regierung zur Fortsetzung der Verhandlungen bereit, um 23 Uhr wird ein Abkommen erzielt, das alle Forderungen der Fastenden erfüllt, um 23.30 Uhr wird das Fasten beendet, die große Mehrheit der Gefangenen und Verhafteten wird sofort entlassen und die erkämpften Rechte Schritt für Schritt verwirklicht.

(Nach: Hildegard Goss-Mayr [Hrsg.]: Geschenk der Armen an die Reichen. Zeugnisse aus dem gewaltfreien Kampf der erneuerten Kirche in Lateinamerika. Wien, 2. Auflage 1980, S. 123 - 126)

„Was habe ich dir getan?“ - Der Mann mir der Pistole

Er fuchtelte mit der Pistole „Was willst du von mir?“
Am 6. Mai 2001 traf ich im Zug zwischen Hamburg und Essen einen jungen Mann, etwa Mitte 20, einen Russen. Wir kamen ins Gespräch. Ich erzählte ihm von der Gütekraft, auch einige Beispiele gütekräftigen Verhaltens. Daraufhin erzählte er mir das folgende Erlebnis. Er schrieb es auf meine Bitte hin auf Russisch auf und wir übersetzten es gemeinsam. Er nannte mir seinen Namen, will diesen aber nicht erwähnt wissen.

„Ich war mit einem Freund in einer Kneipe. Es war mein erster Barbesuch in Deutschland. Wir hatten nicht vor, lange zu bleiben. Wir hatten nichts zu tun.
Wir gingen in die Bar. Sahen einige Leute, die da saßen und tranken. Manche von ihnen unterhielten sich mit dem Barkeeper, der auch aktiv mittrank. Ich weiß nicht, wie viel der Barkeeper getrunken hatte, bevor wir kamen, aber mit uns zusammen trank er sehr viel.
Zugleich machte dieser Mann eine Show hinter der Bar. Er zerbrach Gläser und ging barfuß über die Scherben. Natürlich verletzte er sich. Als wir schon fast Freunde waren, zog er eine Pistole und richtete sie gegen mich, vor meine Stirn. Ehrlich gesagt, dachte ich in diesem Moment nicht, dass die Pistole echt wäre. Für mich war einfach spannend, was er von mir wollte.
Nun begann dieser Barkeeper, mir von seinem Leben zu klagen und er beschuldigte mich, dass „meine Organisation“ ihn verfolge. Er erzählte so sicher, wie er für nichts und wieder nichts in Polen verwundet worden war. Und sagte, dass er mit dem Zweiten Weltkrieg nichts zu tun hätte, dass er sich nicht schuldig fühlen könne für das, was seine Eltern getan haben. Jede dieser Tiraden beendete er mit zwei Fragen: „Was habe ich dir getan?“ und „Was willst du von mir?“ Und dabei fuchtelte er mit der Pistole herum. Auf beide Fragen antwortete ich natürlich: „Nichts.“
Schließlich blieb mir nichts anderes übrig als ihn völlig betrunken zu machen, bis er in der Verfassung war: „Du bist mein bester Freund!“ Er gab mir die Pistole. Sie war echt. Ich brachte sie in Sicherheit. Später kam die Polizei, weil sich Menschen beschwert hatten, dass es zu laut wäre. Dann verließ ich mit meinem Freund schleunigst das Lokal.“

Martin Arnold

Norwegen 1942: ”Ihr Lehrer habt mir alles verdorben!”

Vom Widerstand norwegischer Lehrer gegen die Naziherrschaft 1940 - 1943

Norwegen wurde im April 1940 von den Deutschen besetzt. Die Deutschen ernannten den pro-deutschen Norweger Vidkun Quisling zum neuen Regierungschef. Als die Deutschen die Gesetze nach NS-Grundsätzen umformen wollten, traten sämtliche Mitglieder des Obersten Gerichtshofes zurück. Eine Untergrundzeitung wurde in den fünf Jahren der deutschen Besatzung aufrechterhalten.
Im Februar 1942 machte Quisling den Versuch, einen korporativen Staat nach dem Muster Mussolinis zu gründen. Er begann bei der Lehrerschaft. Nach Aufhebung der ehemaligen Lehrerorganisation wurde eine neue mit dem Chef der Quislingschen Geheimpolizei an der Spitze gegründet.

Eine geheime Lehrerorganisation schlug den Lehrern vor, sich in vier Punkten zu widersetzen.
Am 20. Februar 1942 sandten etwa 9000 der 12000 norwegischen Lehrer eine handschriftliche Erklärung an das Unterrichtsministerium mit folgendem Wortlaut: "Ich erkläre, dass ich die Jugend Norwegens nicht nach den Richtlinien der Nasjonal Samling unterrichten kann, da ich dies mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann. Die Mitgliedschaft in dieser Organisation würde mich zwingen, auch andere Handlungen zu begehen, die im Widerspruch zu den Pflichten meines Berufes stehen. Ich sehe mich daher gezwungen zu erklären, dass es mir nicht möglich ist, mich als Mitglied der neuen Lehrerorganisation zu betrachten."

Am 25. Februar gab die Regierung Quisling bekannt, dass die Proteste der Lehrer als offizielle Amtsniederlegung angesehen und dass die Lehrer, wenn sie darauf beharrten, entlassen würden; das Unterrichtsministerium schloss unter dem Vorwand der Kohlenknappheit alle Schulen. Aus allen Teilen des Landes wurde daraufhin Heizmaterial angeboten, um den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten. Die offiziellen Zeitungen erwähnten nichts von dem Widerstand der Lehrer, aber die "Kohlenferien" verbreiteten die Nachricht überall. Das Unterrichtsministerium setzte eine Frist bis zum 15. März: Lehrern, die sich danach den Anordnungen der Regierung widersetzen würden, wurde mit dem Verlust ihrer Anstellung, ihres Gehaltes und ihrer Pension gedroht. Zehntausende, nahezu zehn Prozent aller Eltern Norwegens, protestieren dagegen schriftlich bei der Regierung.

Die Lehrer blieben hart. Nicht einer gab nach. Ab dem 20. März wurden Hunderte von Lehrern willkürlich herausgegriffen und verhaftet. Bei den Ostergottesdiensten verurteilten die Geistlichen diese Verhaftungen.
Die Lehrer wurden in ein Konzentrationslager nach Grini gebracht. Von einer nicht bekannt gegebenen Quelle - nicht von der Regierung - erhielten deren Familien den Gegenwert ihrer Gehälter für die ganze Dauer ihrer Internierung. Im Lager erließ die Regierung ein Ultimatum an die gefangenen Lehrer, aber nur drei lenkten ein. Die 687 Lehrer wurden in Viehwagen in ein anderes Konzentrationslager, etwa 200 Kilometer von Oslo entfernt, gebracht. Auf den Bahnhöfen versammelten sich die Kinder und sangen für sie bei der Durchfahrt des Zuges Lieder.
Im neuen Lager wurden sie zu noch härterer Arbeit unter extremen Bedingungen und Schikanen und minimalster Ernährung gezwungen. Nach zwei Tagen wurden 76 der älteren Lehrer zwischen 55 und 59 Jahren von den Lagerbeamten befragt, aber keiner gab nach.

An den meisten Orten Norwegens ließ die Regierung die Schulen am 8. April wieder öffnen. Die nicht inhaftierten Lehrer, die sich an diesem Tag zum Dienst meldeten, erklärten öffentlich, dass sie der neuen Lehrerorganisation von Quisling nicht angehörten und sprachen auch mit ihren Schülern über ihr Gewissen, vom Geiste der Wahrheit und von der Verantwortung, die sie trügen. Ein starkes Solidaritätsgefühl verband die gesamte Lehrerschaft.
Nach Tagen weiterer Einschüchterungsmaßnahmen im Lager fragte die Lagerleitung jeden einzelnen der Lehrer, ob er einen Widerruf des Protestschreibens unterschreiben würde. Von 637 Lehrern widerriefen 32. So wurden Demütigungen, Foltergymnastik und die Hungerrationen fortgesetzt. Auch verbreiteten die Behörden drohende Gerüchte, was mit den Lehrern bei weiterer Weigerung geschehen werde. Dennoch gaben die Frauen der Lehrer zu verstehen, dass sie ein Nachgeben ihrer Ehemänner nicht wünschten.

Erneut wurden die Lehrer weiter verfrachtet und in Kirkenes der Wehrmacht übergeben Diese zwang sie zu pausenloser Schwerstarbeit im Hafen. Ein Lehrer starb durch die Strapazen.
Die Deportation der Lehrer nach Kirkenes verhärtete die Stimmung und den Widerstandswillen der übrigen Bevölkerung Norwegens. Als Quisling am 22. März mit einer Gruppe von Lehrern in einer kleinen Stadt sprach, erging er sich in Drohungen, Ausfällen und Wutausbrüchen. Er schloss mit den Worten: "Ihr Lehrer habt mir alles verdorben!", und ließ sie verhaften. Am folgenden Tag begaben sich einige Lehrer, die bei der Unterredung nicht zugegen gewesen waren, zum Amtsgebäude und baten darum, mit den anderen gefangen gesetzt zu werden.
Ende August wurden 50 erkrankte Lehrer nach Hause gesandt. Am 16. September kehrte eine zweite Gruppe von rund 100 Männern aus dem Lager zurück. Am 4. November folgten die übrigen etwa 400 Lehrer nach acht Monaten härtester Zwangsarbeit. Man gestattete ihnen, ihre Lehrtätigkeit auszuüben, ohne dass sie ihre Grundsätze widerrufen mussten.
Über die Formen, die der Widerstand annahm, schrieb später einer der Führer, Diderich Lund, dass der wirtschaftliche Widerstand Norwegens völlig zusammenbrach. Sabotage war nur in geringem Masse wirksam, und die Geheimtätigkeit war ebenfalls nicht so wirksam wie die stolze, gerade Offenheit und das Verbleiben bei der Wahrheit. Diejenigen, die in diesem Sinne Widerstand leisteten, wurden - so Lund - ,’von einem eigenartigen Glücksgefühl erfüllt, selbst unter harten und schweren Bedingungen [...] (aus) unerschütterliche(r) Überzeugung des Kämpfens für eine gute Sache ...’

Die Reichskriegsflagge im Fenster gegenüber

Damals, im Jahr 1992, wohnte ich in Köln-Kalk in einer Straße, in der auch viele türkische Einwanderer wohnen, direkt neben einem türkischen Lebensmittelgeschäft. Es war das Jahr der rassistischen Krawalle in Rostock und anderswo. Mein Küchenfenster ging zur Straße hinaus und eines Tages sah ich: In einer Wohnung gegenüber hing direkt am Fenster eine große Reichskriegsflagge. Als engagierter Antifaschist dachte ich spontan zuerst an Steine, Bomben usw., verwarf das zwar gleich, aber mir war klar, dass ich diese Fahne nicht einfach hinnehmen konnte.

Nach ein paar Tagen nahm ich allen Mut zusammen sowie ein Exemplar des Bildbüchleins "Krieg dem Kriege" von Ernst Friedrich zur Hand (Bilder aus dem I. Weltkrieg, um 1925 erschienen, Reprint von Zweitausendeins), ging über die Straße, erwischte auch gleich die richtige Klingel und wurde von einem ca. 18-jährigen Jugendlichen an der Wohnungstür empfangen. Ich sagte ihm, ich sei ein Nachbar und wolle wegen der Reichskriegsflagge mit ihm sprechen. Er sagte, die Wohnung gehöre seinem Freund, der sei gerade auf dem Klo, und bat mich hinein. Besagter, ca. 20, erschien, und war zunächst äußerst reserviert, aber nicht unfreundlich. Wir setzten uns direkt unter die Flagge und kamen ins Gespräch. Die beiden stammten aus Ostdeutschland, arbeiteten bei Ford und regten sich über herumlungernde türkische Jugendliche auf. Ich verwies auf meine türkischen Nachbarn in dem Geschäft; sagte, die sähe ich immer nur fleißig arbeiten. Ja, hm, aber die anderen, vor der Spielhalle... Die Deutschen seien doch so fleißig, und darauf sollten sie stolz sein. Ich sagte: Ich bin mir nicht so sicher, ob das die richtige Art zu leben ist. Die südländische Mentalität, das Abwarten, Genießen des Augenblicks, vielleicht auch eine gewisse Faulheit - das alles hat doch auch einiges für sich. Die beiden waren überrascht und wurden tatsächlich ein bisschen nachdenklich.

Ich kam auf die Flagge zu sprechen, erklärte ihnen, wie gut ich sie von meinem Fenster aus sehen könne und sprach darüber, welche furchtbaren Verbrechen im Zeichen dieser Flagge begangen worden seien. Ich sparte bewusst die Nazizeit aus und sprach über den I. Weltkrieg, gab dem Jüngling das Buch dazu in die Hand, er könne es sich ja mal durchblättern. Es zeigt die Gesichter von Kriegsversehrten, Menschen mit riesigen Löchern im Gesicht, grauenhaft! Die beiden bestanden darauf, dass man als Deutscher doch stolz sein könne auf das, was Deutsche geleistet hätten. Ich stimmte zu und sagte: Ja, auch ich bin stolz darauf, dass Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg schon 1914 erkannt hatten, worauf der Krieg hinauslief, und die ganze Zeit über dagegen gekämpft und sogar ihr Leben dafür geopfert hatten...  Dass ich als "Wessi" wegen dieser Dinge sogar bei den Kommunisten gewesen war, das konnten sie nun gar nicht verstehen, klar. Gut, wir gingen auseinander, sie werden sich wohl noch genügend über den Spinner von gegenüber gewundert haben, aber drei Wochen später war die Flagge weg.

aufgeschrieben im April 2001

Toni Kalverbenden, Köln

Freitag Abend im Jugendzentrum

Pfarrer Reinhard Kolb

Im Frühjahr 1972 erlebte ich das Folgende:

An einem Freitag Abend war im Gemeindezentrum im Jugendkeller Disco für die Älteren ab 20 Uhr. Zu den Gästen gehörten einige recht problematische Jugendliche. Ich erinnere mich an die Verabschiedung eines von ihnen, der eine Haftzeit in der Jugendstrafanstalt Siegburg antreten musste. F. war ein eher labiler junger Mann. Er ist später etwa 35jährig an seinem Alkoholismus zugrunde gegangen.

An jenem Abend kam er angetrunken und begann zu randalieren. Den Leiter der Disco, einen Studenten der Sozialpädagogik, schlug er k.o., kreischend verließen die Mädchen den Disco-Raum. Ich hatte Alkoholverbot gegeben, bei Zuwiderhandlung Hausverbot. Das sprach ich nun F. gegenüber aus, fasste ihn am Arm, um ihn hinauszuführen. Da packte er meine Krawatte, drehte sie und würgte mich. Ich keuchte: „Lass mich los!“ Er: „Erst wenn du mich loslässt!“ Ich ließ seinen Arm los, er meine Krawatte. Doch nun schrie er mich an: „Ich will mich mit dir schlagen! Komm, wehr’ dich!“ Ich erwiderte ihm: „Ich bin Christ. Ich wehre mich nicht. Aber wenn du mich auch zusammenschlagen willst, warte, bis ich meine Brille abgegeben habe, die brauche ich am Sonntag noch.“ Und ich gab meine Brille an einen Danebenstehenden. Da schrie er mich an: „Wenn du dich nicht wehren willst, kann ich mich nicht mit dir schlagen“, und rannte ins Dunkel hinaus, über die befahrene vierspurige B 224, vor dem Gemeindezentrum - und noch einmal hielt ich den Atem an.

aufgeschrieben im Juli 1999


Zum Frieden anstiften - Das Streetworker-Projekt - Ein Sommertag im Freibad

Ernst von der Recke

Leichtfüßig und beschwingt zogen etwa vierzig Jugendliche durchs Schwimmbadgelände zum Volleyballplatz - vorneweg die Jungen, gefolgt von den Mädchen. Ein lebhaftes Sprachgemisch aus gebrochenem deutsch, türkisch und russisch erfüllte die Luft. Zurück blieben ein junger Mann türkischer Abstammung, ein Bosnier und eine deutsche Frau. Nur langsam verzog sich die Menge der Schaulustigen. In einigem Abstand standen die Bademeister mit blassen Gesichtern. Das Handy, das sie seit einer dreiviertel Stunde in der Hand hielten, um im Bedarfsfall sofort die Polizei rufen zu können, ließen sie sinken. Die deutsche Frau hielt einen Stapel alter Zaunlatten mit heraussteckenden Nägeln in der Hand. Etwas ratlos stand sie da und guckte der abziehenden Gruppe nach: "Kann das gut gehen, wenn die behaupten, sie wollten jetzt miteinander Volleyball spielen?!"
Was war passiert, und wer war dieses Gespann von drei jungen Erwachsenen, die offenbar vom Erfolg ihrer Arbeit überrascht und noch etwas ungläubig der abziehenden Gruppe munterer Jugendlicher und Kinder hinterher schauten?

Der Ort des Geschehens war das zentrale Freibad in Wetzlar. Hier gibt es seit dem Sommer 1996 ein sogenanntes Streetworker-Projekt. Etwa 20 Jugendliche und junge Erwachsene unterschiedlicher Abstammung und Herkunft sind seither jedes Frühjahr  vorbereitet worden, während der Sommerferien nachmittags von 14 Uhr bis 18 Uhr  für einen Dienst zur Verfügung zu stehen, verbunden mit einer finanziellen Anerkennung. Sie sind in Dreierteams eingeteilt. Dabei ist Sorge getragen, daß diese Untergruppen möglichst beiderlei Geschlecht enthalten und Sprachkompetenzen in Deutsch, Türkisch und einer slawischen Sprache besitzen.

Das Motto, unter dem dieses Projekt steht, heißt "Grenzen setzen - Räume öffnen". Getragen wird es von einem großen Kreis von Personen aus der freien und öffentlichen Kinder- und Jugendarbeit, einschließlich der Polizei mit ihrer "Arbeitsgruppe Gewalttäter an Schulen", von Personen verschiedener kultureller und religiöser Vereine und Einrichtungen, ferner aus dem Bereich der Resozialisation und nicht zuletzt aus dem Sozialdezernat und dem Koordinierungsbüro für Jugend und Soziales der Stadt Wetzlar. Der Beitrag, zu dem wir als Laurentiuskonvent angefragt wurden, lag in dem Entwurf und der Durchführung eines Trainings für die "Poolworker".

Dem oben angedeuteten Konfliktende ging wohl der heißeste Streit in der vierjährigen Geschichte des Projekts voraus. Ercan, der Freiwillige mit türkischer Abstammung, hatte einen Schlag gehört und beim Hinschauen wahrgenommen, daß ein rußlanddeutscher Jugendlicher einen kurdischen Jugendlichen offenbar ohne jegliche Vorwarnung am Rand des Freibads ins Gesicht geschlagen hatte. Andere waren ebenfalls aufmerksam geworden und durch den offenen Disput formierten sich in Windeseile zwei Gruppen, eine türkisch und eine russisch sprechende. Die Emotionen auf der Seite des Geschlagenen kochten hoch - "seit drei Jahren habe ich mich nicht mehr geprügelt, jetzt ist es mal wieder soweit!..." Einige gingen an einen nicht weit entfernten Lattenzaun und rissen einige Latten heraus, mit denen sie sich bewaffneten. Ercan hatte die türkisch geführte Diskussion mitverfolgt und schritt ein - deutsch sprechend. Er wurde sofort als unerwünschter Eindringling identifiziert:  "Was will der denn?" fragte ein Junge auf türkisch. Ercan überraschte ihn und die anderen, indem er auf türkisch antwortete und erklärte, wer und in welcher Funktion er hier sei und daß er nicht dulden würde, daß sie hier auf dem Schwimmbadgelände eine Schlägerei vom  Zaun brachen. Sichtbar in ihrem Schwung gebremst, einigte sich die Gruppe, vor den Eingang vom Schwimmbadgelände zu gehen. Irgendwann wurde das Schwimmbad ja schließen, dann wurden sie sich "die Russen" greifen.

Um den, der geschlagen hatte, hatte sich ebenfalls sehr schnell eine Gruppe von rußlanddeutschen Jungen und Mädchen gesammelt. Ihre Empörung bestand darin, daß der Kurde eins „ihrer“ Mädchen belästigt hatte. Zu ihnen hatte sich Almir, ein bosnischer Freiwilliger gesellt. Er verstand in etwa, was sie sagten und brachte sich als Streetworker beruhigend ein.

Als letzte kam Ulrike hinzu, eine Deutsche, die auch außerhalb des Projekts schon Erfahrung in Mediation gesammelt hatte. Sie erkundigte sich schnell  bei ihren beiden Kollegen, befand, daß es keine befriedigende Option sei, daß das Problem sich lediglich außerhalb des Schwimmbadzaunes verlagert habe und daß sie eine Vermittlung wagen wollte. Die Gruppe der Rußlanddeutschen war sofort bereit, sich auf eine Konfrontation mit der Gegenseite einzulassen. Sie folgten Ulrike auf ihrem Weg zu der Gruppe im Eingangsbereich. Im Handumdrehen war dieser Bereich dicht, niemand konnte mehr hinein oder hinaus.

Der Versuch, die herauszufinden, die ursprünglich beteiligten waren, erwies sich als äußerst  schwierig. Andere, die nicht unmittelbar am Streit beteiligt waren, hetzten am meisten. Die Absicht, die Auslöser des Streites gesondert zu nehmen, erwies sich als gänzlich unmöglich. Die Angelegenheit war zu einer Ehrensache geworden, in der es jetzt keine Unbeteiligten mehr gab. Almir und Ercan standen zwischen den Gruppen und hielten "ihre" Leute sowohl mit ihrer Körper- wie mit ihrer Seelen- und Gütekraft in Schach. Ulrike stand ebenfalls dazwischen und wendete sich blitzschnell von der einen zu der anderen Seite, immer bemüht, die Betroffenheit und den Hergang zu verstehen und dies als Anfrage an die andere Seite weiterzugeben. Als sich herausgestellte hatte, daß der, der geschlagen hatte, überhaupt kein deutsch verstand und sich jemand als Dolmetscher anbot, gelang es leichter, den Fortgang der Auseinandersetzung zu strukturieren. Die Wahrnehmung des Hergangs war unterschiedlich. Ob der kurdische Jugendliche die Schwester des Rußlanddeutschen geschubst habe oder er sie nur angeredet hatte, blieb unklar. Die Wende kam an dem Punkt, als der Kurde seinen Kontrahenten fragte, warum er denn gleich geschlagen habe. Sie seien hier doch  in Deutschland und nicht in Kasachstan und auch nicht in Anatolien. Hier dürfe man Mädchen anschauen und auch mit ihnen reden. Der Angeredete erklärte, daß er ihn ja nicht ansprechen konnte, da er weder deutsch noch kurdisch spreche. Um die Familienehre zu wahren, sei ihm nur die Möglichkeit des Zuschlagens geblieben.

Damit war die alle verbindende Herausforderung auf dem Tisch: An einem fremden Ort mit anderen Sitten die Beziehung zum anderen Geschlecht aufzubauen und dabei sein ererbtes Ehrgefühl zu wahren! Dies war tatsächlich ein Thema, das alle betraf, nicht nur die beiden primär am Streit beteiligten. Eine Lösung des Streites war nun nicht mehr weit: Der Rußlanddeutsche entschuldigte sich bei dem Kurden, und der Kurde bei dem Mädchen. Beide taten es jetzt aus freien Stücken und im Respekt vor den Bedürfnissen des anderen und seinen Grenzen.

Das, was normalerweise am Anfang einer Mediation geschieht, nämlich daß man sich gegenseitig vorstellt, konnte in diesem Fall erst jetzt geschehen: Ulrike wandte sich an die, die eine Latte in der Hand hielten, stellte sich vor und fragte sie nach ihrem Namen. Dann bat sie, ihr die Latten auszuhändigen. So endete mit der freiwilligen Entwaffnung auch die Anonymität. Der Wunsch, miteinander spielen zu gehen, entsprach dem guten Gefühl, ein existentielles Problem bearbeitet zu haben und darüber miteinander vertraut worden zu sein.

Ercan, der nach seiner Zeit der Arbeitslosigkeit wieder die Schulbank drückt, um das Abitur nachzumachen, ist inzwischen ein begehrter Mitarbeiter in der städtischen Jugendarbeit. Almir, der immer noch nicht in seine Heimat zurückkehren kann, lebt und denkt europäisch. Er hat in Deutschland einen Beitrag zum Zusammenleben unterschiedlicher Ethnien geben können. Das läßt ihn und uns hoffen, daß er ähnliches auch in seiner zerrissenen Heimat einmal wird leisten können. Ulrike sucht ihren Weg als Mediatorin im schulischen Bereich und in der Stadtteilarbeit.

Eine ausführliche Dokumentation über das Streetworker-Projekt ist über Frau Barbara Bayani vom Koordinationsbüro des Bürgermeisters der Stadt Wetzlar (Ernst-Leitz-Str. 30, 35578 Wetzlar, Tel. 06441/99-472) zu beziehen. Eine weitere Kontaktperson und Mitinitiator des Projektes ist Herr Harald Wurges vom Stadtjugendring Wetzlar (Tel. 06441/35922). Beide Personen besitzen die besondere Begabung, Menschen, die am Rand unserer Gesellschaft leben und solche, die in verantwortlicher Position sitzen in einen gemeinsamen Prozeß zu verweben.

Meine persönlichen Voraussetzungen zur Mitwirkung an einem solchen Projekt sind geprägt durch Erfahrungen mit der Arbeit von Friedensdiensten (19971/72 habe ich als Freiwilliger der Aktion Sühnezeichen an einem ähnlichen Projekt in einem Getto im nordamerikanischen Bundesstaat Mississippi teilgenommen) und durch meine Einbindung in die Lebensgemeinschaft des Laurentiuskonvents. Seit seiner Gründung 1959 haben Mitglieder des Konventes sich immer wieder diakonisch engagiert. Hierzu gehört auch die Entwicklung des Gedankens eines Schalom-Diakonats. Er hat sich in der Gründung des Oekumenischen Dienstes im Konziliaren Prozeß mit der Geschäftsstelle in Wethen (Mittelstr. 4, 34474 Diemelstadt, Tel.: 05694 8033) und seinen unterschiedlichen Trainingsangeboten zu einem zivilen Friedensdienst praktisch verwirklicht.

Theologisch - das ist uns dieses Jahr in der Karwoche bei der Meditation von den drei Leidensankündigungen Jesu und den daran anschließenden Jüngerbelehrungen (Mk 8,9+10) so deutlich geworden - gründet und orientiert sich unsere Praxis an der Treue zum Evangelium und ihrer Umsetzung in einer sozialen und politischen Diakonie. Nachfolge Jesu - das Stichwort in den drei biblischen Texten - führt in Situationen von Not und Gewalt, aber Gottes Geist lenkt auch hindurch zu neuen Freundschaften und tragfähigen Beziehungen.

Ernst von der Recke ist Mitglied der ökumenischen Lebensgemeinschaft Laurentiuskonvent in Laufdorf (Ringstr. 21, 35641 Schöffengrund), verheiratet und Vater von drei Töchtern. Von der Ausbildung her Theologe arbeitet er mit einer halben Stelle bei der Lebenshilfe Wetzlar. Mit seiner Frau engagiert er sich im Bereich Mediation, besonders an Schulen und in der Arbeit des friedenskirchlichen Netzes Church and Peace.


In Mexiko wurde mit Gütekraft ein Mord verhindert

Es war im Jahr 1971, als mein Mann und ich für den Versöhnungsbund in Mexiko tätig waren. Eines Abends saßen wir dort in einer Kneipe. Am Nachbartisch unterhielten sich lautstark zwei Männer. Sie tranken Schnaps. Einer der beiden sprach in dem lebhaften Gespräch eine Beleidigung gegen den anderen aus. Sie gerieten in Streit. Plötzlich sprang der Beleidigte impulsiv auf, zückte ein Messer und ging auf den ersten los.
Wir sahen das alles, aus nächster Nähe. Was konnten wir tun?
Mein Mann handelte schnell. Er stand auf und schlug dem Mann mit seiner Hand von oben so auf das rechte Handgelenk, dass das Messer zu Boden fiel.
Damit zog er den Angriff des Mannes auf sich. Und er stellte sich ihm so gegenüber, dass er ihn anschauen konnte, und legte ihm die Hand auf die Schulter. Und er fragte ihn sofort: Da muss dir dein Kollege etwas ganz Schlimmes angetan haben, dass du so heftig reagiert hast? Worum handelt es sich denn?
Die einfühlsame Frage machte klar, dass der Schlag auf die Hand kein Angriff gegen die Person des Mannes war, dass mein Mann keineswegs die Absicht hatte, ihm in irgendeiner Weise Schaden zuzufügen, sondern die Wut des Angreifers auf sich zu lenken und einen Mord zu verhindern.
Der Mann konnte durch das anschließende Gespräch beruhigt und die Situation entschärft werden.

von Hildegard Goss-Mayr

Wien 1945: Russische Soldaten verhalten sich menschlich.

 Wien war bombardiert worden, der Krieg verloren, die Russen marschierten ein. Und sie hatten das Recht des Siegers, das Recht, sich alles zu nehmen, nicht nur Hab und Gut, auch Frauen. Sie gingen von Haus zu Haus. Auf Geheiß meines Vaters gingen meine Mutter und die anderen Frauen im Haus in den Keller. Er selbst schloss die Haustür nicht ab. Wie bei den anderen Häusern stießen die Soldaten mit den Gewehrkolben gegen die Tür, wohl in der Erwartung, sie auf diese Weise öffnen zu müssen. Mein Vater jedoch erwartete sie und öffnete die Tür. Er hatte kein Russisch gelernt. Die Gewehrläufe, die sich sofort gegen ihn richteten, schob er langsam zur Seite und lud die Männer mit einer Geste ein, einzutreten. Das war für die russische Kampftruppe offenbar eine völlig neue Erfahrung. Sie traten ein, vermuteten jedoch zunächst eine Falle. Mit vorgehaltenem Gewehr gingen sie in alle Zimmer. Mein Vater lud sie ein, sich zu setzen. Das taten sie, als sie merkten, dass sie nicht bedroht wurden. Dann holte er die Frauen aus dem Keller und alle saßen mit den Männern zusammen. Die Soldaten taten niemandem etwas zu Leide. Als sie gingen, blieb einer von ihnen noch an einer Ikone, die bei uns an der Wand hing, stehen. Er sagte: „Ja Chrestianin“ das heißt auf Russisch: Ich bin Christ.

Später kamen noch weitere Soldaten zu uns. Da gab es teilweise sehr schwierige Situationen.
So schützte mein Vater die bedrohten Frauen einerseits, andererseits war er bemüht, die Soldaten aus ihrer Haltung der Feindschaft und Angst herauszuholen. Er war bereit, dafür sein Leben einzusetzen.

Mannheimer Hoffnungsgeschichten

Mannheimer OberstufenschülerInnen schreiben Hoffnungsgeschichten der Überwindung von Gewalt
(Ökumenisches Bildungszentrum sanctclara Mannheim, 28.3.01)


Im Bereich Geschwisterstreit: Nach verbalen Attacken und Androhungen von “Gewalt mit Fäusten” zogen mein Bruder und ich uns kurz ins jeweilige Zimmer zurück, besannen das, was gerade gelaufen war, und entschuldigten uns beim Anderen. Öfter Besinnung und Nachdenken bringt etwas!

Bei mir im Basketballtraining gibt es ein paar ziemlich “coole” Typen, die denken, dass sie die Tollsten sind. Als ich von denen angemacht wurde, kam ein Kumpel von mir (eigentlich ein ziemlich schmächtiger Kerl), hat sich hinter mich gestellt und signalisiert, dass er zu mir steht. Da sind die Typen weitergegangen. Das war ein tolles Gefühl zu wissen, dass man nicht alleine ist und Freunde hat, die helfen.

Eine freundschaftliche Rangelei im Zug zwischen zwei Freunden wird zu einer richtigen Prügelei. Der eine hat schon eine blutige Nase, als mein Freund und ich dazu kommen. Wir schnappen uns jeder einen und fangen ihn an zu kitzeln. Daraufhin müssen sie sich wohl oder übel loslassen und hören auf miteinander zu kämpfen.

Eine Klassenkameradin hat eine andere ständig fertiggemacht wegen Aussehens, Verhalten etc.. Irgendwann bekam die eine dann ein selbst geschriebenes Gedicht der anderen, die sich nicht unterkriegen ließ, zur Ansicht. Und sie hatte plötzlich Ehrfurcht vor ihr und ihrer Fähigkeit des Schreibens.

Ich kam mit meinem Motorrad an eine rote Ampel und fuhr zwischen den Autoschlangen, die sich auf beiden Spuren gebildet hatten, bis an die Haltelinie vor. Ein LKW-Fahrer kurbelte die Fensterscheibe runter und begann rumzuschreien: “Hast du ‘nen Bremsfehler oder bist du einfach nur blöd, du Idiot?” Ich drehte mich um und sagte zu ihm: “Komm schon, Mann, ich werde doch bei dem Wetter nicht hinter 20 Autos im stop&go-Verkehr fahren. Trotzdem sorry.” Er winkte mir gerade nur lässig mit der Hand und lächelte.

Bei uns in der Clique gab es mal ein nettes Mädchen. Sie ist mit dem Jungen zusammengekommen, der am meisten Einfluß auf alle hatte. Leider ist die Beziehung nach 9 Monaten zerbrochen und von den anderen (außer mir) wollte keiner mehr etwas mit ihr zu tun haben. Sie wußte lange nicht, was sie falsch gemacht hatte. Und ich sagte ihr immer, dass es nicht an ihr läge. Wir wurden die besten Freunde. Letzten Samstag feierte die Clique eine Party. Sie wollte sich mit mir treffen. Wir unterhielten uns in angetrunkenem Zustand. Irgendwie standen auf einmal alle neben uns und wir redeten über alles, was noch nicht geklärt worden war (über 2 Stunden lang). In dieser Woche meldeten sich einige wieder bei ihr und haben zugegeben, dass sie sie eigentlich gar nicht so schlimm finden. Jetzt treffen sich viele wieder mit ihr. Das gibt dem Mädchen viel Kraft, die sie in den Monaten davor verloren hatte!

Konfliktsituation vor dem Haus: zwei Kindergartenkinder streiten sich um einen Bobbycar. Da kommt der ältere Bruder eines der Kinder dazu und zeigt den beiden, wie sie den Bobbycar mit Anhänger gemeinsam nutzen können, indem einer Fahrer und einer Fahrgast ist. Das Spiel geht friedlich weiter.

Neulich am Paradeplatz:  eine Klassenkameradin wurde von ihrem Ex-Freund und 6 Skinheads verfolgt. Wir Mädchen blieben bei ihr, auch wenn wir nicht viel ausrichten konnten, und liefen nicht weg. Ich denke, dass wir hier Zivilcourage bewiesen. Verbal konnten wir den Konflikt teilweise lösen. Meiner Meinung nach, muss Gewaltüberwindung bei Bildung ansetzen.

Unser Raucherhof sollte geschlossen werden, wenn er weiterhin so schmutzig ist. Doch es gab Leute, die ihn dann putzten und nicht anfingen zu randalieren!

Ich sah vor kurzem eine Reportage im TV mit dem Thema Zivilcourage. Es wurde dabei festgestellt, dass in Konfliktsituationen öfters Menschen ab 35 wegsehen als die jüngere Generation. Dass also die heranwachsende Gesellschaft lernt oder gelernt hat helfend einzugreifen. Ich denke, das ist ein Punkt, der Hoffnung bringt.

“Sanfte Gewalt” - Eigenes Foto: Großstadt, Autostraße, Randstein zwischen benzin- und ölbeflecktem Asphalt und zugeparktem Gehweg: Aus einer Fuge heraus wächst und blüht ein Löwenzahn!

Ein zierlicher Siebtklässler wird von einem großgewachsenen Klassenkameraden mit leichten Stößen provoziert zurückzuschlagen. “Schlag zurück! Komm, wehr dich...” Der Kleine steht – an die Schulmauer gelehnt – als ob es ihn nichts anginge und schaut den Großen an. Der Zuschauerkreis wird immer größer. Der Kleine läßt sich nicht aus der Ruhe bringen. Der Große hat keine Chance. Die Zuschauer sind mehr und mehr gegen ihn. Sie sagen nichts, aber sie verhindern, dass der Große seine Übermacht ausleben kann. So geht die Pause zu Ende. Der klare Sieger ist der Kleine. Der Große gibt auf. Seine Provokation läuft ins Leere. Auf die Frage, warum er sich nicht gewehrt habe, sagt der Kleine: “Ich habe gegen den Großen keine Chance. Das einzige, was ich tun kann, ist: Nerven bewahren. Wenn ich zurückschlage, hat er einen Grund mich zu schlagen. Den Spaß gönne ich ihm nicht. Zum Raufen gehören immer zwei.”

Streitschlichtersituation: Zwei Schüler im verbalen Schlagabtausch werden von einem Mitschüler angesprochen: “Du fühlst dich jetzt wohl sauwohl!?” Überraschung! Stille. Nächstes Mal wiederholt er die Frage – Stille. “Nein? Warum investierst du dann soviel Energie in etwas, was dir nichts bringt?” Später läßt der verbale Streit nach. Inzwischen wurde einer der Streithähne selbst Streitschlichter.


Quelle: Mannheimer OberstufenschülerInnen teilen ihre Geschichten bei einer Veranstaltung zur Dekade "Gewalt überwinden" am 28.3.01 im Ökumenischen Bildungszentrum sanctclara in Mannheim

Anne Kretzschmar
Dienst fuer Mission, Oekumene und Entwicklung
Evangelische Landeskirche in Württemberg

Schläge nach dem Schlittschuhlaufen - Ein Konflikt, den ich selbst gütekräftig lösen konnte.

Die Situation, die ich schildern möchte, spielte sich vor ungefähr 3 Jahren ab. Ausgangspunkt war, dass ich mit drei Freunden in der Eissporthalle in Chemnitz Schlittschuhlaufen war. Damals war ich 16 Jahre alt und meine Freunde waren beide 18. Es war ein ganz normaler Samstagabend und wir hatten sehr viel Spaß. Als wir dann gegen 22 Uhr zu unserem Auto zurücklaufen wollten, sahen wir eine Gruppe von ca. 6 Jugendlichen auf uns zu kommen. Diese waren zwischen 20 – 25 Jahre alt, ziemlich angetrunken, randalierten und schienen auch eine rechtsgerichtete Einstellung zu haben. Das schlossen wir daraus, dass die Jugendlichen Bomberjacken, Springerstiefel und auch sehr kurze Haare hatten. Wir hingegen waren und sind Anhänger der Gothic-Szene und waren schwarz gekleidet. Wir beschlossen, die Straßenseite zu wechseln, denn wir hatten keine Lust mal wieder ein paar aufs Maul zu kriegen, nur weil wir andere Kleidung, eine andere Ansicht oder einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Doch auch die Gruppe wechselte die Straßenseite und folgte uns nun. Als wir das bemerkten bekamen wir schon ein ungutes Gefühl, denn wir hatten schon mehrere Begegnungen mit solchen Jugendlichen hinter uns. Also versuchten wir uns so schnell wie möglich aus dem Staub zu machen. Wir rannten zunächst die Hauptstraße entlang mit der Hoffnung ein vorbeifahrendes Auto würde vielleicht anhalten und uns helfen, aber alle Autos fuhren vorbei, obwohl man genau sehen konnte, dass wir verfolgt wurden. Je länger diese Jagd dauerte, umso mehr Panik bekamen wir. Wir konnten nicht einmal untereinander klären, was wir nun tun sollten. Nur eines war klar; wir würden uns nicht trennen, denn zu dritt gegen sechs ist besser als allein gegen diese bestehen zu müssen. Leider mussten wir nach kurzer Zeit die Hauptstraße verlassen, denn das Auto stand in einer kleinen Nebenstraße. Als wir dann noch ungefähr 800m von unserem Auto entfernt waren, hatte uns die Gruppe doch noch eingeholt. Wir hatten schon wieder Hoffnung, doch noch heil aus der Situation heraus zu kommen, aber es sollte wohl nicht sein. Jedenfalls die Gruppe hatte uns eingeholt und uns sofort umstellt um zu verhindern, dass wir nochmals versuchen zu entkommen. Was nun folgte, war nichts Neues für uns. Jeder von uns musste erst einmal ein paar Schläge einstecken. Ich bekam, nachdem sie uns verbal provozierten und uns anrempelten, einen Schlag in den Magen und mehrere in die Gegend der Nieren aber ich konnte mich auf den Beinen halten um so zu verhindern, dass sie auf mich eintreten können. Meinen Freunden erging es nicht viel anders. Sie mussten auch Schläge in den Bauch, ins Gesicht und sogar Tritte einstecken. Doch wir nahmen die Schläge und Tritte hin ohne zurückzuschlagen. Wir wussten, sobald wir uns wehren würden, hätten sie einen Grund noch mehr und vor allem noch härter auf uns einzuschlagen. Ich bemerkte dann irgendwann, dass einige dieser Jugendlichen Eishockeyschals trugen und mir fiel ein, dass an diesem Tag der ETC Crimmitschau ein wichtiges Spiel gewonnen hatte. Ich weiß im Nachhinein gar nicht mehr wie ich das bemerkt habe und was mir in diesem Moment durch den Kopf ging, aber vielleicht habe ich darin eine Möglichkeit gesehen mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Also versuchte ich ein Gespräch ins Rollen zu bringen, ohne zu wissen, ob und wie das funktionieren sollte oder ob es überhaupt funktionieren würde. Ich begann also einen der Jugendlichen auf seinen Schal anzusprechen und ob er denn Eishockeyfan sei und das Spiel gesehen hat. Zu Beginn wollte keiner der Jugendlichen so recht darauf eingehen, denn schließlich muss ja eine Gruppe geschlossen zusammenhalten, aber dann passierte für mich das Unvorstellbare. Einer der Jugendlichen begann mit mir zu reden. Ich war völlig überrascht, denn es hatte zunächst den Anschein gehabt, als würde keiner der Jugendlichen darauf eingehen. Aber er antwortete mir auf meine Fragen und war auch sichtlich stolz, dass der ETC das Spiel gewonnen hatte. Je länger ich nun mit ihm redete und auch ich ihm sagte, dass ich den ETC gut finde und mich freue, dass dieser gewonnen hat, umso weniger wurde ich attackiert. Nun versuchte ich auch meine Freunde in das Gespräch mit einzubinden, um zu erreichen, dass auch sie nicht mehr attackiert würden. Und es funktionierte. Wir unterhielten uns nun über Eishockey, den ETC Crimmitschau und das gewonnene Spiel. Am Ende hatten wir es geschafft die Gruppe in ein Gespräch zu verwickeln und so zu verhindern, dass wir weiterhin zusammengeschlagen werden. Wir waren echt froh, dass es diesmal so gut ausgegangen war und konnten endlich nach Hause fahren. Ich weiß nicht mehr in welcher Zeitspanne sich das alles zugetragen hat aber es war für mich das erste mal, dass ich einen solchen Konflikt (gütekräftig) lösen konnte und es bestärkte mich in meiner Auffassung, dass man versuchen sollte, Konflikte immer auf eine solche Art und Weise zu lösen. Ich hatte zwar auch vor diesem Zeitpunkt schon die Meinung, dass es sinnvoller ist, Konflikte auf friedlicher Basis zu lösen als sich durch Gewalt leiten zu lassen, aber es hatte nie wirklich funktioniert. Aber an diesem  Abend hat es das und es war ein tolles Gefühl.

Dirk Lemke (aufgeschrieben im Juli 2002)

Der Dieb mit dem Messer

In Frankreich gibt es eine Lebensgemeinschaft in der Tradition Gandhis, die Arche (gegründet 1948 von Lanza del Vasto). Ein deutscher Praktikant dort beobachtete auf dem Markt der nahen Kleinstadt, wie jemand einer Frau das Portmonee aus dem Rucksack entwendete. Er ging dem Dieb nach, musste sich lange durch das Marktgedränge schlängeln, dann stand er ihm gegenüber und bat um das Portmonee. Da zog der andere ein Messer und bedrohte ihn. Daraufhin sagte der Deutsche: "Moi - non-violent - - portemonnaie!" ("Ich - gewaltfrei - - Portmonee"), mehr brachte er an Französisch nicht heraus, und er hob seine beiden Hände neben sich in Adoranten-Haltung mit den Handflächen zum Gegenüber. Da gab ihm dieser das Portmonee.

(Nach dem Bericht dieser Frau, einer Bewohnerin der Arche La Fleyssière, aufgeschrieben von Martin Arnold im Juni 2002)

Großmutter wartet auf Kurt Felix

Die Großmutter hatte ihre Wocheneinkäufe im Supermarkt erledigt und schickte sich an, wie üblich im Selbstbedienungsrestaurant ein kleines Mittagsmahl einzunehmen. Mit Glück ergatterte sie in vorweihnachtlichen Gedränge ein freies Tischchen, an das sie ihre Handtasche und Einkaufstüten stellte.

Erna B. geht ans Buffet, von wo sie mit einer Suppe und Würstchen an ihren Tisch zurückkehrt. Sie stellt fest, dass sie das Besteck vergessen hat, und geht nochmals zum Buffet, wo Gabeln, Löffel und Messer zu Hunderten bereitliegen. Als sie zum zweitenmal an ihren Platz zurückkommt, sieht sie zu ihrem Schrecken einen Schwarzen an ihrem Tisch sitzen, der in aller Zufriedenheit ihre Suppe löffelt.

Ehe die Großmutter Zeit hat, sich zu ärgern, schießt ihr ein Gedanke durch den Kopf: Nur nicht aus der Rolle fallen, da muss Kurt Felix mit seiner versteckten Kamera am Werk sein! Geistesgegenwärtig fasst sie ihren Löffel ein wenig enger, geht auf den Tisch zu, nimmt neben dem Schwarzen Platz und beginnt, mit diesem zusammen die Suppe und die Würstchen zu verzehren. Der Tischgenosse, weder erstaunt noch verlegen, lächelt Erna B. zu und schiebt ihr den Teller näher. Die Großmutter lächelt den Schwarzen an, und ohne ein Wort zu wechseln, verspeisen die beiden Suppe und Würstchen. Sie lächeln sich mehrmals zu und an, stumm, und als das gemeinsame Mahl beendet ist, erhebt sich der Schwarze, geht zum Buffet und kommt mit zwei Tassen Kaffee zurück. Wieder lächeln sie sich an, als der Mann den einen Kaffee vor die Großmutter stellt, und schweigend genießen sie das dampfende Getränk. Dann erhebt sich das Gegenüber und verabschiedet sich mit einem Lächeln.

Die Großmutter, die ihre "Rolle" bisher souverän gespielt hat, erwartet nach dem Verschwinden des Schwarzen Kurt Felix, der ihr die Lösung des Rätsels, das ja für die Großmutter gar keines ist, bringen soll. Kurt Felix erscheint jedoch nicht, und nach längerem Ausharren greift Erna B. nach ihrer Handtasche. Welch ein Schreck, als die gute Frau feststellen muss, dass sowohl ihre Handtasche als auch die Einkäufe verschwunden sind. Schlagartig ändert sich ihre Laune, und aus dem netten Mann wird mit einem Mal ein verdammter Ausländer. Entrüstet schaut die Geprellte umher. Sie will sich schon erheben, um verschiedene Maßnahmen zu ergreifen, als ihr Blick an einem Tischchen weiter drüben haften bleibt: dort steht ihre Handtasche, neben den Tragetaschen, in denen ihre Einkäufe sind. Und auf dem Tischchen wartet ein Teller, dessen Inhalt sie nur erraten kann. Erst jetzt wird die Großmutter gewahr, dass sie am falschen Tisch Platz genommen hatte, als sie mit dem Besteck zurückkam. Sie sei sofort nach Hause gegangen und habe sich bis tief in den Abend geschämt, berichtete später Erna B.


Eine wahre Begebenheit, nacherzählt von Paul Bischof aus dem Tagesanzeiger vom 30.12.1985

Fremdenfeindlichkeit überwinden

Im Rahmen einer Unterrichtsreihe über „Fremdenfeindlichkeit und ihre Überwindung“ im Religionsunterricht einer 9. Klasse hatte ich mit einer Afrikanerin einen Unterrichtsbesuch vereinbart. Sie war bereit zum Erfahrungsbericht und Gespräch.

Am Tag vor dem vereinbarten Treffen sagte sie ihren Unterrichtsbesuch ab. Auf dem Weg nach Bonn war sie in einer Straßenbahn von zwei Jugendlichen übel beschimpft, beleidigt und an den Haaren gerissen worden. Niemand von den übrigen Fahrgästen hatte eingegriffen. An der nächsten Haltestelle war sie allein ausgestiegen. Dieses Erlebnis hatte sie seelisch schwer verletzt und verunsichert. Sie war nicht mehr in der Lage zu dem vereinbarten Schulbesuch.

Nachdem das Gespräch mit der Afrikanerin auf diese Weise unmöglich gemacht worden war, hatte sich die Schülergruppe auf diese Erfahrung mit Fremdenfeindlichkeit und Verantwortungslosigkeit konzentriert. Ein genauer Bericht über das Ereignis wurde abgefaßt und an die Stadtwerke geschickt mit Bitte um Antwort und Information über Handlungsmöglichkeiten. Unser Brief wurde von der Leitung der Bonner Verkehrsbetriebe sehr ernst genommen und beantwortet. - Alle Fahrer/innen waren (schon kurz vorher) in- formiert worden, daß sie für Zwischenfälle in ihrer Bahn bzw. ihrem Bus zuständig sind. Jede/r Fahrer/in ist ausgerüstet und angewiesen, zur nächsten Haltestelle ggf. die Polizei zu rufen.

Im Rollenspiel haben wir eigene Reaktionen in einer solchen Situation probiert. Hauptpunkte waren: Hinsehen! Andere Fahrgäste ansprechen zu gemeinsamer Reaktion! Den Fahrer aufmerksam machen! Jemand kann per Handy die Polizei rufen. Mehrere rufen sofort laut in den Wagen, daß die Polizei gerufen wird / worden ist.

In einem nächsten Schritt haben die Schüler/innen einen Artikel für die Schülerzeitung verfaßt, in dem sie über die Erfahrung mit Fremdenfeindlichkeit und die erfahrenen Reaktionen berichteten. - Es wurden Plakate gemacht, auf denen alle Schüler/innen und Lehrer/innen hingewiesen wurden auf Handlungsmöglichkeiten in solchen gewaltträchtigen Situationen. Der informative Brief von der Leitung der Stadtwerke wurde in der Schülerzeitung veröffentlicht.


 Ute Reichold

Harriet Tubman and the Underground Railroad - Power of Goodness

Born a slave, Harriett Tubman became a famous "conductor" on the Underground Railroad, leading hundreds of slaves to freedom.

Introduction

The Underground Railroad was neither underground nor a railroad. It got its name because its activities had to be carried out in secret, using darkness or disguise, and because railway terms were used by those involved with system to describe how it worked. Various routes were lines, stopping places were called stations, those who aided along the way were conductors and their charges were known as packages or freight. The network of routes extended through 14 Northern states and “the promised land” of Canada–beyond the reach of fugitive-slave hunters. Those who most actively assisted slaves to escape by way of the “railroad” were members of the free black community (including former slaves like Harriet Tubman), Northern abolitionists, philanthropists and church leaders like Quaker Thomas Garrett. Harriet Beecher Stowe, famous for her novel Uncle Tom’s Cabin, gained firsthand knowledge of the plight of fugitive slaves through contacts with the Underground Railroad in Cincinnati, Ohio.

The Underground Railroad was the term used to describe a network of persons who helped escaped slaves on their way to freedom in the northern states or Canada. Although George Washington had commented upon such practices by the Quakers as early as the 1780s, the term gained currency in the 1830s, as northern abolitionists became more vocal and southern suspicions of threats to their peculiar institution grew.

Did You Know?
Rewards offered by slaveholders for the capture of Harriet Tubman eventually totaled $40,000.

The popular perception of a well-coordinated system of Quaker, Covenanter, and Methodist “conductors” secretly helping fugitives from “station” to “station” is an exaggeration. The practice involved more spontaneity than the railroad analogy suggests. By the time escapees reached areas where sympathetic persons might assist them, they had already completed the most difficult part of their journey. A successful escape was usually less the product of coordinated assistance and more a matter of the runaways’ resourcefulness–and a great deal of luck.

The most active of the Railroad workers were northern free blacks, who had little or no support from white abolitionists. The most famous “conductor,” an escaped slave named Harriet Tubman, reportedly made nineteen return trips to the South; she helped some three hundred slaves escape. A number of individual whites also aided runaways, as did “vigilance committees,” often biracial in character, in northern cities.

Estimates of the number of slaves assisted vary widely, but only a minuscule fraction of those held in bondage ever escaped. Few, particularly from the Lower South, even attempted the arduous journey north. But the idea of organized “outsiders” undermining the institution of slavery angered white southerners, leading to their demands in the 1840s that the Fugitive Slave Laws be strengthened.


The Reader’s Companion to American History. Eric Foner and John A. Garraty, Editors. Copyright © 1991 by Houghton Mifflin Harcourt Publishing Company. All rights reserved.

Underground Railroad
Author
History.com Staff

Website Name
History.com

Year Published
2009

Title
Underground Railroad

URL
http://www.history.com/topics/black-history/underground-railroad

Access Date
July 23, 2015

Publisher
A+E Networks

Direkte gewaltfreie Aktionen / Gütekraft-Aktionen gegen Krieg / für Frieden seit 3000 Jahren - eine Sammlung











Späte Gerechtigkeit für die „Neun Freunde von Rock Hill“

Rehabilitation von US-Bürgerrechtskämpfern in South Carolina nach 54 Jahren

X Rock Hill, Süd-Carolina. Ein Richter in Rock Hill, South Carolina hat am 27. Januar 2015 das Urteil gegen neun schwarze Männer aufgehoben, die 1961 wegen eines SitIns in einem Speiselokal für Weiße eingesperrt worden waren.

54 Jahre, nachdem sie wegen ihres Anti-Rassentrennungs-Protests in der einstigen Textilverabeitungsstadt kamen die 9 Afroamerikaner – auch bekannt als die 9 Freunde – in ihrer Sonntagskleidung erneut zum Gericht, als ob der Richter sie erneut verurteilen wolle. Ein Mann ging am Stock, ein anderer saß im Rollstuhl. Einige waren dicker als damals und einige hatten weniger Haar als bei ihrer Inhaftierung 1961, als sie zu 30 Tagen Zwangsarbeit im Strafvollzug des Stadtgefängnisses verurteilt wurden.

Das Gericht kam damals zusammen. Der Richter verlas ihre Namen. Jeder stand auf oder hob die Hand, als er aufgerufen wurde. Jedes Gesicht war ernst. „Angeklagt des Hausfriedensbruchs“ sagte der Richter nach jedem Namen. Urteil: „Schuldig“. Strafe: 100 $ oder 30 Tage. Haft.

Aber an diesem Tag im Jahr 2015 beantragte die Staatsanwaltschaft von South Carolina, die Einträge im Strafregister zu löschen und die Urteile wegen Hausfriedensbruchs aufzuheben.

New York Times, 28.01.2014

Siehe auch, Bericht und Video:
http://www.nytimes.com/2015/01/29/us/south-carolina-court-clears-friendship-nine-in-1961-sit-in.html