Ich sprang auf, streckte meine Arme waagrecht aus und sagte:
"Sie brauchen mich nicht zu schlagen. Ich leiste keinen Widerstand."
In diesem Augenblick entstiegen drei Weiße, offenbar aus dem Süden, dem Omnibus. Sie sagten:
"Warum tun Sie das? Er hat nichts getan. Warum behandeln Sie ihn nicht wie einen Menschen? Er leistet Ihnen keinen Widerstand."
Ein Kleiner packte den Knüppel des Polizisten, als er mich schlagen wollte, und sagte:
"Lassen Sie das!"
Die Polizisten schickten sich an, ihn zu schlagen, als ich zu ihm sagte:
"Tun Sie das bitte nicht, denn ich stehe in guter Hut. Es bedarf keines Kampfes. Ich danke Ihnen trotzdem."
Diese drei weißen Freunde begannen, meine Kleider und mein Gepäck aufzulesen, das der Fahrer des Omnibus aus dem Wagen an den Straßenrand geworfen hatte. Ein älterer Mann fragte die Polizisten, wohin sie mich brächten. Sie sagten:
"Nashville."
Er versprach mir, daß er hinkäme, um dafür zu sorgen, daß mir mein Recht werde.
Während der wilden Fahrt von 13 Meilen zur Stadt beschimpften sie mich auf jede Weise und sagten alles Mögliche, was mich heftig werden lassen könnte. Ich saß ganz still und blickte ihnen gerade ins Auge, sooft sie mich anzusehen wagten. Der Umstand, daß sie mich nicht ansehen konnten, gab mir Mut, denn ich wußte, daß sie im Unrecht waren. Dies machte sie der Besserung ganz zugänglich.
Als ich in Nashville ankam, durchsuchten sie mein Gepäck und meine Papiere. Sie zeigten größtes Interesse für das 'Christian Century and Fellowship'. Schließlich sagte der Hauptmann:
"Komm her, Nigger!"
Ich ging geraden Weges auf ihn zu.
"Was kann ich für Sie tun?" sagte ich.
"Nigger", sagte er, "man sollte annehmen, Du hättest Angst, wenn Du hier hereinkommst."
"Ich werde gestärkt durch Wahrheit, Gerechtigkeit und Christus", sagte ich, "da brauche ich mich nicht zu fürchten."
Er war völlig verblüfft. Eine Zeitlang sagte er gar nichts. Dann ging er zu einem anderen Beamten und sagte in seiner Verblüffung:
"Ich glaube, der Nigger ist verrückt."
Ich wartete dort anderthalb Stunden. Das nächste, was geschah, war, daß ich zu einer langen Fahrt durch die Stadt mitgenommen wurde. Im Gerichtsgebäude führte man mich in das Dienstzimmer des zweiten Bezirks-Staatsanwaltes. Als ich eintrat, hörte ich jemand sagen:
"Na Du Farbiger, he!"
Ich sah mich um und erblickte den weißen Herrn, der gesagt hatte, er würde dafür sorgen, daß mir mein Recht werde.
Der Bezirks-Staatsanwalt fragte mich eine halbe Stunde über mein Leben, das 'Christian Century', den Versöhnungsbund, über Pazifismus und Krieg aus. Dann forderte er die Polizisten auf, ihre Darstellung von dem Vorfall zu geben. Sie brachten einige Lügen vor. Dann verlangte er von mir, daß ich meine Meinung sagte. Das tat ich, indem ich die Polizisten aufforderte, mir jeden Punkt zu bestätigen. Der Bezirks-Staatsanwalt entließ mich. Ich wartete eine weitere Stunde ganz allein in einem dunklen Raum. Dann kam er herein und sagte sehr freundlich:
"Sie können gehen, Herr Rustin."
Verwirrt verließ ich das Gerichtsgebäude, bestärkt in dem Glauben an das Handeln ohne Gewalt, denn ich bin sicher, daß man mich Herr nannte, daß mir der ältere Herr half und daß mir die drei Männer im Omnibus halfen, weil ich vier Polizisten mit den Worten: 'Sie brauchen mich nicht zu schlagen, ich leiste keinen Widerstand' furchtlos entgegengetreten war.
(Quelle: aus: Victories Without Violence, s.o.5., S.76f)