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Samstag

Augenkontakt

  Eine Begebenheit auf der Straße kann ich erzählen, wo ich mal reingefallen bin. Raus kam ich da wieder, weil ich gerade an einem Training für Gewaltfreiheit mitgemacht hatte. Ich will diese Story gerne erzählen, weil es ein Beispiel dafür ist, wie sich Trainings auszahlen können. In diesem Fall also war ich umzingelt von einer Gruppe schwarzer junger Männer spät in der Nacht. Ich war alleine. Ich war selbst blöd, daß ich in diese Situation kam. Ich hätte es vermeiden können. Ich tat es sicher aus einer überheblichen Männlichkeit heraus, und dann fand ich mich umzingelt von diesen jungen Männern. Einer von ihnen stieß mich gegen die Wand.
  Woran ich mich erinnerte von dem Training, an dem ich teilgenommen hatte, war das interessante Gespräch über die Geschichte von John Wesley, der in England sehr oft angepöbelt wurde. Er war ein methodistischer Prediger und er hatte gelernt, wie er mit dem Mob umging. Was er tun würde, war, den Kopf hoch nehmen und auf die Seite wenden, so daß die Leute sein Gesicht sehen können und daß er damit so menschlich als möglich sein kann. Er würde sich umschauen und entscheiden, wer wohl der Anführer dieses Mob sei. Und dann würde er keinen anderen mehr anschauen. Er würde alleine direkt mit dieser Person verhandeln und - wenn da allzu viel Lärm wäre - würde er einfach den Augenkontakt mit dieser Person behalten. Er würde alle Energie dieser Person zuwenden, bis sie bei dem Mob interveniert und die Situation wendet.
  So erinnerte ich mich an dieses Gespräch jetzt bei meiner Bedrohung und schaute mich nach ihnen um, als ich entschied, daß es nicht der Mann war, der mich so energisch gegen die Wand drückte, daß er der Anführer sei. Intuitiv entschied ich, daß es ein anderer war. Also fixierte ich völlig diese Person. Ich sprach zu ihm. Ich war empört. Ich zeigte meinen Ärger. Ich sagte:
  "Warum machst Du das mit mir? Ich bin hier mitten in der Nacht und hole Arznei für mein Baby und Du machst dies mit mir! Was hab' ich getan? Womit hab' ich das verdient? Das verwirrt mich! Warum machst Du das?"
  In keiner Weise erniedrigte ich ihn. Ich war nicht respektlos. Ich drückte allein meinen Ärger über diesen Vorfall aus. Die ganze Zeit über fixierte ich ihn; meist war es Augenkontakt, meine Stimme war womöglich auch sehr gewichtig. Nach einiger Zeit intervenierte er bei dem Jungen, der die Initiative ergriffen hatte, und sagte ihm, er solle aufhören, und so kamen sie in Diskussion, was sie mit mir machen wollten. Während alle mit diesen Fragen beschäftigt waren, konnte ich sicher weggehen.



(Quelle:George Lakey, Philadelphia, Interview mit Uwe Painke, Okt.92)