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Donnerstag

 NAI HANMER G’SAIT

Widerstand gegen das Atomkraftwerk WYHL am Kaiserstuhl

 Nachdem der seit 1969 geplante, ursprünglich vorgesehene Standort Breisach auf Grund von Protesten aufgegeben wurde, wurde im Juli 1973 Wyhl als Standort für ein Kraftwerk am Kaiserstuhl genannt. Daraufhin entstanden zahlreiche Bürgerinitiativen, die sich 1974 zu einem Internationalen Komitee zusammenschlossen. Demonstrationen (Sternfahrten aus dem Dreiländereck) und Platzbesetzungen fanden statt. (Wikipedia)

Das Badenwerk, ein machtvolles Energieversorgungsunternehmen, wollte in der Rheintalgemeinde Wyhl am Kaiserstuhl ein Atomkraftwerk errichten. Anfang 1975 war ein Teil des Auewaldes schon gerodet, die Baumaschinen standen bereit. Das Komitee der badisch-elsässischen Bürgerinitiativen rief zum gewaltfreien Widerstand auf.

Eine neun Monate andauernde Bauplatzbesetzung führte schließlich zum Nachgeben der Betreiber und der Landesregierung von Baden-Württemberg.  Ministerpräsident Filbinger hatte noch im Februar 1975 prophezeit: „Wenn Wyhl nicht gebaut wird, gehen in Baden-Württemberg die Lichter aus“.  Nun aber sah sich seine Landesregierung genötigt, alle Aktionen des zivilen Ungehorsams straffrei zu stellen. Außerdem wirkte die Landesregierung auf das Badenwerk und seine Subunternehmer ein, auf eventuelle Schadensersatzansprüche gegen die Akteure des Widerstandes zu verzichten.

Der Nährboden des lang anhaltenden Widerstands war vor allem die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz. Durch die Kühlturmnebel des Atomkraftwerks hätte sich das Kleinklima im umliegenden Weinbaugebiet erheblich verschlechtert. Der Wein, Wirtschaftsgrundlage der Kaiserstühler,  wäre nicht mehr als „von der Sonne verwöhnt“ – so der Werbeslogan der Winzerschaft – vermarktbar gewesen.

Als starke Antriebskraft kam die Sorge um Gesundheit und Leben hinzu. Im Nahbereich  atomarer Anlagen nimmt die Krebshäufigkeit, insbesondere Leukämie bei Kindern, zu, was auf die regelmäßige Niedrigstrahlung und ihre Anreicherung über die Nahrungskette im Körper zurückgeführt wird. 

Beide Motive erklären die Hartnäckigkeit und Unbeugsamkeit des Widerstands einer ganzen Region. Die Alemannen im „Dreyecksland“ Elsass, Baden und Schweiz trotzten im frostklirrenden Februar 1975  Wasserwerfern, ließen sich von Strafverfolgung und Disziplinarmaßnahmen nicht beeindrucken. Sie schufen eine Widerstandskultur ohnegleichen, knüpften an regionale Traditionen an. Widerstandslieder wurden in der Muttersprache „Muodersproch“, der Alemannen gesungen. Die Grenzbevölkerung begann, ihr Dreyecksland als eigenständige europäische Region zu begreifen, die einen gemeinsamen Abwehrkampf gegen gefährliche industrielle Großprojekte und für ihre bisherige Lebensweise führte. Der Widerstand brachte neuartige Institutionen hervor wie die Volkshochschule Wyhler Wald und Radio Dreyecksland. Es dauerte nicht lange, bis heimische Erfinder nach ersten tastenden Versuchen Anlagen Erneuerbarer Energien den Weg ebneten.

(nach einem Bericht von Roland Vogt)