Vom Widerstand norwegischer Lehrer gegen die Naziherrschaft 1940 - 1943
Norwegen wurde im April 1940 von den Deutschen besetzt. Die Deutschen ernannten den pro-deutschen Norweger Vidkun Quisling zum neuen Regierungschef. Als die Deutschen die Gesetze nach NS-Grundsätzen umformen wollten, traten sämtliche Mitglieder des Obersten Gerichtshofes zurück. Eine Untergrundzeitung wurde in den fünf Jahren der deutschen Besatzung aufrechterhalten.
Im Februar 1942 machte Quisling den Versuch, einen korporativen Staat nach dem Muster Mussolinis zu gründen. Er begann bei der Lehrerschaft. Nach Aufhebung der ehemaligen Lehrerorganisation wurde eine neue mit dem Chef der Quislingschen Geheimpolizei an der Spitze gegründet.
Eine geheime Lehrerorganisation schlug den Lehrern vor, sich in vier Punkten zu widersetzen.
Am 20. Februar 1942 sandten etwa 9000 der 12000 norwegischen Lehrer eine handschriftliche Erklärung an das Unterrichtsministerium mit folgendem Wortlaut: "Ich erkläre, dass ich die Jugend Norwegens nicht nach den Richtlinien der Nasjonal Samling unterrichten kann, da ich dies mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann. Die Mitgliedschaft in dieser Organisation würde mich zwingen, auch andere Handlungen zu begehen, die im Widerspruch zu den Pflichten meines Berufes stehen. Ich sehe mich daher gezwungen zu erklären, dass es mir nicht möglich ist, mich als Mitglied der neuen Lehrerorganisation zu betrachten."
Am 25. Februar gab die Regierung Quisling bekannt, dass die Proteste der Lehrer als offizielle Amtsniederlegung angesehen und dass die Lehrer, wenn sie darauf beharrten, entlassen würden; das Unterrichtsministerium schloss unter dem Vorwand der Kohlenknappheit alle Schulen. Aus allen Teilen des Landes wurde daraufhin Heizmaterial angeboten, um den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten. Die offiziellen Zeitungen erwähnten nichts von dem Widerstand der Lehrer, aber die "Kohlenferien" verbreiteten die Nachricht überall. Das Unterrichtsministerium setzte eine Frist bis zum 15. März: Lehrern, die sich danach den Anordnungen der Regierung widersetzen würden, wurde mit dem Verlust ihrer Anstellung, ihres Gehaltes und ihrer Pension gedroht. Zehntausende, nahezu zehn Prozent aller Eltern Norwegens, protestieren dagegen schriftlich bei der Regierung.
Die Lehrer blieben hart. Nicht einer gab nach. Ab dem 20. März wurden Hunderte von Lehrern willkürlich herausgegriffen und verhaftet. Bei den Ostergottesdiensten verurteilten die Geistlichen diese Verhaftungen.
Die Lehrer wurden in ein Konzentrationslager nach Grini gebracht. Von einer nicht bekannt gegebenen Quelle - nicht von der Regierung - erhielten deren Familien den Gegenwert ihrer Gehälter für die ganze Dauer ihrer Internierung. Im Lager erließ die Regierung ein Ultimatum an die gefangenen Lehrer, aber nur drei lenkten ein. Die 687 Lehrer wurden in Viehwagen in ein anderes Konzentrationslager, etwa 200 Kilometer von Oslo entfernt, gebracht. Auf den Bahnhöfen versammelten sich die Kinder und sangen für sie bei der Durchfahrt des Zuges Lieder.
Im neuen Lager wurden sie zu noch härterer Arbeit unter extremen Bedingungen und Schikanen und minimalster Ernährung gezwungen. Nach zwei Tagen wurden 76 der älteren Lehrer zwischen 55 und 59 Jahren von den Lagerbeamten befragt, aber keiner gab nach.
An den meisten Orten Norwegens ließ die Regierung die Schulen am 8. April wieder öffnen. Die nicht inhaftierten Lehrer, die sich an diesem Tag zum Dienst meldeten, erklärten öffentlich, dass sie der neuen Lehrerorganisation von Quisling nicht angehörten und sprachen auch mit ihren Schülern über ihr Gewissen, vom Geiste der Wahrheit und von der Verantwortung, die sie trügen. Ein starkes Solidaritätsgefühl verband die gesamte Lehrerschaft.
Nach Tagen weiterer Einschüchterungsmaßnahmen im Lager fragte die Lagerleitung jeden einzelnen der Lehrer, ob er einen Widerruf des Protestschreibens unterschreiben würde. Von 637 Lehrern widerriefen 32. So wurden Demütigungen, Foltergymnastik und die Hungerrationen fortgesetzt. Auch verbreiteten die Behörden drohende Gerüchte, was mit den Lehrern bei weiterer Weigerung geschehen werde. Dennoch gaben die Frauen der Lehrer zu verstehen, dass sie ein Nachgeben ihrer Ehemänner nicht wünschten.
Erneut wurden die Lehrer weiter verfrachtet und in Kirkenes der Wehrmacht übergeben Diese zwang sie zu pausenloser Schwerstarbeit im Hafen. Ein Lehrer starb durch die Strapazen.
Die Deportation der Lehrer nach Kirkenes verhärtete die Stimmung und den Widerstandswillen der übrigen Bevölkerung Norwegens. Als Quisling am 22. März mit einer Gruppe von Lehrern in einer kleinen Stadt sprach, erging er sich in Drohungen, Ausfällen und Wutausbrüchen. Er schloss mit den Worten: "Ihr Lehrer habt mir alles verdorben!", und ließ sie verhaften. Am folgenden Tag begaben sich einige Lehrer, die bei der Unterredung nicht zugegen gewesen waren, zum Amtsgebäude und baten darum, mit den anderen gefangen gesetzt zu werden.
Ende August wurden 50 erkrankte Lehrer nach Hause gesandt. Am 16. September kehrte eine zweite Gruppe von rund 100 Männern aus dem Lager zurück. Am 4. November folgten die übrigen etwa 400 Lehrer nach acht Monaten härtester Zwangsarbeit. Man gestattete ihnen, ihre Lehrtätigkeit auszuüben, ohne dass sie ihre Grundsätze widerrufen mussten.
Über die Formen, die der Widerstand annahm, schrieb später einer der Führer, Diderich Lund, dass der wirtschaftliche Widerstand Norwegens völlig zusammenbrach. Sabotage war nur in geringem Masse wirksam, und die Geheimtätigkeit war ebenfalls nicht so wirksam wie die stolze, gerade Offenheit und das Verbleiben bei der Wahrheit. Diejenigen, die in diesem Sinne Widerstand leisteten, wurden - so Lund - ,’von einem eigenartigen Glücksgefühl erfüllt, selbst unter harten und schweren Bedingungen [...] (aus) unerschütterliche(r) Überzeugung des Kämpfens für eine gute Sache ...’
Ereignisse, in denen Gütekraft, Kraft der Gewaltfreiheit, eine Rolle spielte – mehr dazu: www.martin-arnold.eu Dies sind keine Rezepte, nicht zum Nachmachen! Gütekräftiges Handeln im Konflikt heißt, mit einem Aggressor eine Verbindung herzustellen, die ihn an seine Menschlichkeit erinnert. So können Wunder geschehen. Wo das nicht der Fall ist, soll aber keinesfalls Opfern die Verantwortung für das Erlittene zugeschrieben werden.
Und warum steht das nicht in unseren Geschichtsbüchern?!
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