Mittwoch

Weitere Informationen zu den Ereignissen in Tusculum und Jerusalem

Nach Meinung der Geschichtsschreiber wurde der eine Befehlshaber durch patientia besiegt, der andere durch Lauterkeit der Gottesfurcht. Einer militärischen Übermacht ausgelieferte und bedrohte Menschen bekundeten offen ihre Bereitschaft, schwere Schläge ohne Gegenwehr hinzunehmen, die Drohung wurde nicht wahrgemacht, die angedrohten Gemetzel fanden nicht statt. Falls die Berichte zutreffen sollten: War das Ergebnis Zufall? Konnten die Tusculaner damit rechnen? Konnten die Juden damit rechnen?

Patientia. Die Tusculaner arbeiteten mit dem „Missstand“ Krieg nicht zusammen, indem sie dem anrückenden Heer keinen Soldaten entgegenstellten, den es angreifen könnte. Stattdessen bekundeten sie den Angreifern durch Offenheit und Lebensmittelgaben den Willen zur Zusammenarbeit und damit erneut ihre vorher gebrochene Bündnistreue. Die Römer wurden nicht zum Verzicht auf den Rachekrieg gezwungen, aber durch patientia als wahre Waffe und wahre Kräfte „entwaffnet“, Livius wörtlich: „besiegt“.
„Die Kirchenväter [...] Tertullian [... und] Cyprian liefern [im 3. Jahrhundert n. Chr.] mit ihrer [...] Schrift ‚de patientia‘ eine theologische Begründung für die Kraft der Gewaltlosigkeit, die sie als ein aktives Handeln, nicht als passives Hinnehmen darstellen. [... Es] wird deutlich, wie klein der Schritt zu [...] Gandhi, Martin Luther King [...] ist.“ (xxxThomas Gerhards 1991, 10)
Für die Juden bestand der „Missstand“ in Pilatus‘ Absicht, sie zur Anbetung des Kaisers zu bewegen. Als sie tagelang in großer Zahl protestierten und nicht von seinem Palast wichen, wollte er sie erpressen. Da bekundeten sie massenhaft, dass ihnen die Nichtzusammenarbeit mit diesem Missstand mehr wert war als ihr Leben. Mit der äußerlichen Unterwerfungsgeste drückten sie zugleich ihre Entschlossenheit aus, der Erpressung um Gottes willen nicht nachzugeben. Pilatus war offenbar so stark beeindruckt, dass er nicht nur ihr Leben schonte, sondern auch den Missstand behob.
Theorie: „Jesuanische Taktik“. Der jüdische Jesus-Interpret Pinchas Lapide (xxx1982, 52ff) bringt das von Josephus berichtete Ereignis in Caesarea mit Empfehlungen in Verbindung, die Jesus nach dem Matthäus-Evangelium (5,39) gibt: „Wer dich auf die rechte Backe schlägt, dem halte auch die andere hin“ sowie „Seid sanft wie die Tauben und klug wie die Schlangen!“ (Matth. 10, 16) Einmal geschlagen, nämlich durch das römische Heer unterworfen worden waren sowohl die Tusculaner vor ihrem Bündnisbruch als auch die Juden unter Pilatus. In der Bedrohung demonstrierten beide ihre Verwundbarkeit und ihre Bereitschaft, Schläge hinzunehmen, hielten sozusagen die andere Wange hin. Lapide spricht von „jesuanischer Taktik, Gewaltlosigkeit in politische Macht umzumünzen“ und nennt den Mann aus Nazareth „Rebell der Liebe“ (S. 54. 52). Hebräischem Denken entspricht es weniger als dem griechischen, theoretisch-abstrakt zu formulieren, Allgemeines wird meist durch Beispiele vermittelt. Der Empfehlung, die andere Wange hinzuhalten, folgen bei Jesus zwei weitere Beispiele: Wer dir den Mantel gerichtlich pfänden lassen will, dem gib auch das Hemd – damit steht der Gepfändete nackt da (Arme hatten zwei Kleidungsstücke, mit dem hier als „Mantel“ übersetzten Stoff deckten sie sich nachts zu) und das Unmenschliche und Entwürdigende der beabsichtigten Pfändung wird deutlich. Wenn dich jemand nötigt, eine Meile mitzugehen, so gehe mit ihm zwei: Römer hatten das Recht, in dem zerklüfteten, unwegsamen Gelände Bauern zur Begleitung aufzufordern, was für einige zu schwerer Belastung führte. KFv Weizsäcker xxx nennt die von Jesus empfohlene Vorgehensweise Entfeindungsliebe oder Intelligente Feindesliebe.



Mehran A. Nickbakht (2005): Tacitus und das senatus consultum de Cn. Pisone patre. Untersuchungen zur historischen Arbeitsweise des Tacitus in den Annalen. Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie (Dr. phil.) durch die Philosophische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf vorgelegt von
Seite 90:
Dieser Sachverhalt leitet übergangslos zur anderen Tugend des Germanicus über: Neben singularis moderatio, also dem lobenswerten Zügeln der eigenen Machtfülle, wird Germanicus auch durch die Zuschreibung von patientia herausgehoben.314 Mit patientia ist hier ‚Duldsamkeit, Toleranz, Untätigkeit (im positiven Sinne)’ gemeint und zwar gegenüber dem Verhalten oder den Taten anderer, die als schlecht oder böswillig gelten. Es handelt sich mithin um eine stark abgeschwächte Form von clementia (Gnade), allerdings mit dem Unterschied, daß patientia kein Aufhebens von sich macht, sondern sich durch stilles Dulden auszeichnet und daher auch demjenigen, der geduldet wird, nicht ausdrücklich mitgeteilt wird.315

314 Für die Verbindung von patientia und moderatio vgl. die Beschreibung des legendären M. F. Camillus bei
Liv. 6,27,1 Camillus... singulari adversus collegam patientia et moderatione insignis. Generell zur Bedeutung
von patientia (bei Livius) siehe Moore 1989, 80-2.
315 Die Übersetzung von patientia (Z. 26) mit ‚Zurückhaltung’ in Eck 1996 ist nicht ganz zutreffend, da sie,
indem sie patientia und moderatio gleichsam als Hendyadion auffasst, patientia mit einem Begriff wiedergibt,
der synonym zu dem Wort ‚Mäßigung’ ist, mit dem moderatio (Z. 26) übersetzt wird. Daher ist patientia an
dieser Stelle besser mit ,Geduld’, wie Eck es in Zeile 18 tut.
Moore, T.J. (1989): Artistry and Ideology: Livy’s Vocabulary of Virtue, Frankfurt. Moore 1989, 80-82
375 v. Chr.
Tusculum / Rom Rom erklärt Tusculum Rachekrieg; das vorrückende Heer wird offiziell begrüßt, mit Lebensmitteln ver-sorgt; furchtlos geht das Leben in Tusculum weiter. Keine Schlacht. Camillus er¬klärt sich „durch die Geduld der Feinde überwunden.“
bewusste Nicht-Ver-teidigung, obstinater Frieden VI: 37; LP: 43f; CV: 108 Livius et al. 1991: Buch VI: 25f

[25] Vbi in recensendis captiuis cum Tusculani aliquot noscitarentur, secreti ab aliis ad tribunos adducuntur percontantibusque fassi publico consilio se militasse. cuius tam uicini belli metu Camillus motus extemplo se Romam captiuos ducturum ait, ne patres ignari sint Tusculanos ab societate descisse: castris exercituique interim, si uideatur, praesit collega. documento unus dies fuerat, ne sua consilia melioribus praeferret; nec tamen aut ipsi aut in exercitu cuiquam satis placato animo Camillus laturus culpam eius uidebatur, qua data in tam praecipitem casum res publica esset; et cum in exercitu tum Romae constans omnium fama erat, cum uaria fortuna in Volscis gesta res esset, aduersae pugnae fugaeque in L. Furio culpam, secundae decus omne penes M. Furium esse. introductis in senatum captiuis cum bello persequendos Tusculanos patres censuissent Camilloque id bellum mandassent, adiutorem sibi ad eam rem unum petit, permissoque ut ex collegis optaret quem uellet contra spem omnium L. Furium optauit; qua moderatione animi cum collegae leuauit infamiam tum sibi gloriam ingentem peperit. nec fuit cum Tusculanis bellum: pace constanti by a firm and lasting peace uim Romanam arcuerunt quam armis non poterant. intrantibus fines Romanis non demigratum ex propinquis itineri locis, non cultus agrorum intermissus; patentibus portis urbis togati obuiam frequentes imperatoribus processere; commeatus exercitui comiter in castra ex urbe et ex agris deuehitur. Camillus castris ante portas positis, eademne forma pacis quae in agris ostentaretur etiam intra moenia esset scire cupiens, ingressus urbem ubi patentes ianuas et tabernis apertis proposita omnia in medio uidit intentosque opifices suo quemque operi et ludos litterarum strepere discentium uocibus ac repletas semitas inter uolgus aliud puerorum et mulierum huc atque illuc euntium qua quemque suorum usuum causae ferrent, nihil usquam non pauidis modo sed ne mirantibus quidem simile, circumspiciebat omnia, inquirens oculis ubinam bellum fuisset; adeo nec amotae rei usquam nec oblatae ad tempus uestigium ullum erat sed ita omnia constanti tranquilla pace ut eo uix fama belli perlata uideri posset. [26] Victus igitur patientia hostium senatum eorum uocari iussit. 'soli adhuc' inquit, 'Tusculani, uera arma uerasque uires quibus ab ira Romanorum uestra tutaremini inuenistis. ite Romam ad senatum;


Camillus ist ungehorsam gegenüber dem Senatsauftrag, Tusculum zu bekriegen. Er wird im Gegensatz zu seinem Rivalen, einem Heißsporn, als weiser Mann dargestellt. Ob er Blutvergießen verhindern wollte? Dies schien im Alten Rom kein hohes Ziel gewesen zu sein. Wie dagegen Verbündete bzw. Unterworfene „zur Räson gebracht“ werden können, dafür hatte Rom schon das Sprichwort „Mögen sie uns hassen, solange sie uns nur fürchten!“  Andere Wirkelemente als die erwähnte wahre Waffe und wahre Macht patientia werden nicht berichtet.

Pilatus riskiert Ärger mit Kaiser Tiberius in Rom, der auf göttliche Verehrung im ganzen Reich Wert legt. Das Überbewundern der lauteren Gottesfurcht meint überaus hoch schätzen. Obwohl nicht davon die Rede ist, dass Pilatus größeren Widerstand befürchtet hätte, wenn er die religiösen Fanatiker im Stadion hätte umbringen lassen, könnte dieses Motiv bzw. die Unsicherheit darüber, wie viele Juden derart lauter gottesfürchtig waren, eine Rolle gespielt haben.

26. Disarmed by the submissive demeanour of the enemy he gave orders for the senate to be summoned.

[169] Πεμφθεὶς δὲ εἰς Ἰουδαίαν ἐπίτροπος ὑπὸ Τιβερίου Πιλᾶτος νύκτωρ κεκαλυμμένας εἰς Ἱεροσόλυμα εἰσκομίζει τὰς Καίσαρος εἰκόνας, αἳ σημαῖαι καλοῦνται. [170] τοῦτο μεθ' ἡμέραν μεγίστην ταραχὴν ἤγειρεν Ἰουδαίοις: οἵ τε γὰρ ἐγγὺς πρὸς τὴν ὄψιν ἐξεπλάγησαν ὡς πεπατημένων αὐτοῖς τῶν νόμων, οὐδὲν γὰρ ἀξιοῦσιν ἐν τῇ πόλει δείκηλον τίθεσθαι, καὶ πρὸς τὴν ἀγανάκτησιν τῶν κατὰ τὴν πόλιν ἄθρους ὁ ἐκ τῆς χώρας λαὸς συνέῤῥευσεν. [171] ὁρμήσαντες δὲ πρὸς Πιλᾶτον εἰς Καισάρειαν ἱκέτευον ἐξενεγκεῖν ἐξ Ἱεροσολύμων τὰς σημαίας καὶ τηρεῖν αὐτοῖς τὰ πάτρια. Πιλάτου δὲ ἀρνουμένου περὶ τὴν οἰκίαν πρηνεῖς καταπεσόντες ἐπὶ πέντε ἡμέρας καὶ νύκτας ἴσας ἀκίνητοι διεκαρτέρουν.
[172] Τῇ δ' ἑξῆς ὁ Πιλᾶτος καθίσας ἐπὶ βήματος ἐν τῷ μεγάλῳ σταδίῳ καὶ προσκαλεσάμενος τὸ πλῆθος ὡς ἀποκρίνασθαι δῆθεν αὐτοῖς θέλων, δίδωσιν τοῖς στρατιώταις σημεῖον ἐκ συντάγματος κυκλώσασθαι τοὺς Ἰουδαίους ἐν τοῖς ὅπλοις. [173] περιστάσης δὲ τριστιχεὶ τῆς φάλαγγος Ἰουδαῖοι μὲν ἀχανεῖς ἦσαν πρὸς τὸ ἀδόκητον τῆς ὄψεως, Πιλᾶτος δὲ κατακόψειν εἰπὼν αὐτούς, εἰ μὴ προσδέξαιντο τὰς Καίσαρος εἰκόνας, γυμνοῦν τὰ ξίφη τοῖς στρατιώταις ἔνευσεν. [174] οἱ δὲ Ἰουδαῖοι καθάπερ ἐκ συνθήματος ἀθρόοι καταπεσόντες καὶ τοὺς αὐχένας παρακλίναντες ἑτοίμους ἀναιρεῖν σφᾶς ἐβόων μᾶλλον ἢ τὸν νόμον παραβῆναι. ὑπερθαυμάσας δὲ ὁ Πιλᾶτος τὸ τῆς δεισιδαιμονίας ἄκρατον ἐκκομίσαι μὲν αὐτίκα τὰς σημαίας Ἱεροσολύμων κελεύει.

Handelten die Bedrohten verzweifelt? Oder gar listig?
Welche Motive könnten die Befehlshaber geleitet haben?
Camillus wird als Vorbild dargestellt. Ob er den Gedanken hatte, dass Rom durch wohlwollende Behandlung der Tuskulaner umso zuverlässigere Verbündete bekäme? Ob er Blutvergießen verhindern wollte? Dies schien im Alten Rom kein hohes Ziel gewesen zu sein. Wie dagegen Verbündete bzw. Unterworfene „zur Räson gebracht“ werden können, dafür hatte Rom schon das Sprichwort „Mögen sie uns hassen, solange sie uns nur fürchten!“  Könnte Mitleid mit so freundlich entgegenkommenden Menschen eine Rolle gespielt haben? Berichtet wird nur von der erwähnten wahren Waffe und den wahren Kräften der Feinde: patientia. (Mit patientia meint Livius offenbar nicht nur das Hinnehmen von Schlägen, sondern auch ein aktives Handeln, das kraftvoll wie eine Waffe wirkt.)
Die Römer waren aus Erfahrung sehr überzeugt von der Wirksamkeit ihrer Militäreinsätze. Ob Pilatus den Gedanken hatte, seine Herrschaft könnte anschließend weniger leicht aufrecht zu erhalten sein, wenn er die Gottesfürchtigen töten ließe? Immerhin riskierte Pilatus bei Nichtdurchsetzen seines Vorhabens Ärger mit Kaiser Tiberius in Rom, der auf göttliche Verehrung im ganzen Reich Wert legte. Aber hätte es dem Kaiser gefallen, wenn er sein neues Amt mit einem Massenmord begonnen hätte? Berichtet wird nur: Er überbewunderte, schätzte übermäßig hoch das Lautere der Gottesfrucht der Unterworfenen.

Samstag

Junge Frau verhindert Schlägerei

Auf dem Weg nach Hause, es war in Lübeck am 26. Januar 2017 gegen 19 Uhr,
sehe ich zwei Männer aus McDonalds kommen, die heftig und laut
miteinander streiten. Plötzlich haut der eine dem andern eine Ohrfeige. Viele Menschen
sind auf der Straße. Was tun? Die Polizei holen? Bis die kommt, ist die
angebahnte Schlägerei längst im Gange. Ich renne sofort zu den Streitenden. Ich
überlege kurz, dann stelle ich mich zwischen die beiden, und schreie, dem
Schläger zugewandt: „Hier wird nicht gehauen!“ Der Schläger, etwa 35, ist
stämmig und viel größer als ich. Der Geschlagene ist schmächtiger, ein
Ausländer. Die beiden disputieren weiter, es eskaliert in Beleidigungen. „Ich
fick deine Mutter!“ Lautstark gehe ich dazwischen: „Wir sind hier in einem
zivilisierten Land! Streiten ist okay. Aber hier wird nicht gehauen!“ Aus dem
Restaurant kommen Freunde des Geschlagenen, um ihm zu helfen. Ich bin
entschlossen: Blutvergießen muss verhindert werden! Ich wiederhole mit starker
Stimme: „Hier wird nicht gehauen!“ Ich stemme mich gegen die Eskalation: „Hier
wird nicht gehauen!“ „Hier wird nicht gehauen!“ Der Disput der Streitenden verliert
an Schwung. Da befehle ich dem Deutschen: „Auseinander! Du gehst jetzt hier
nach links weg!“ und dem Ausländer: „Und du gehst die Straße nach rechts!“ Sie
entfernen sich tatsächlich. Die Situation ist entschärft.

Zuhause angelangt werden mir die Knie weich. Ich heule wie ein Schlosshund.

Was für einen wunderbaren, starken Schutzengel hatte ich! Was hätte mir alles passieren können!

Im Nachhinein fühle ich mich erinnert an eine Situation, in der ich in einen Streit meiner Kinder eingriff.“  

Bericht von Verena Schmitz, Lübeck, 26. Januar 2017


"Ihr bösen, bösen Jungs!" Alte Dame rettet verschleierte Frau

In meiner Jugendamtszeit hatten wir mal Fortbildungen bei einem Anti-Gewalt-Trainer, seinen Namen habe ich vergessen.

Er hat uns erzählt, wie er in Berlin mit der S-Bahn gefahren ist,
in der eine verschleierte Frau gesessen hat,
die von rechten Jugendlichen angemacht und bedroht wurde,
Er hat sich überlegt, wie er der Frau helfen kann
und wollte sie an der nächsten Station spontan mitnehmen und aussteigen,
als eine alte Dame mit ihrem Stock oder Schirm auf die rechten Jugendlichen los ging
und rief: "Ihr bösen, bösen Jungs!"
Die Jugendlichen grinsten, entfernten sich und suchten sich einen Platz
und die gespannte Situation war entspannt.
von Dagmar G.

 Das "Wunder" von Gorski Kotar:

Ein alter Mann als Friedensstifter

VON WERNER WINTERSTEINER
Krisen und Kriege
Krisen und Kriege

Ständig werden wir mit unfassbaren Gräuelmeldungen über den Krieg am Balkan konfrontiert. Von der anderen Seite, von den Friedensstif­tern, die es auch gibt, ist kaum die Rede. Deshalb soll hier von einem Mann erzählt werden, dem es gelungen ist, wenigstens in seiner Ge­gend den Kampf abzuwenden und den Frieden zu bewahren. Denn der Krieg bricht nicht einfach aus, er wird gemacht. Viele Menschen tragen dazu bei, Misstrauen und Haß aufzustauen, Waffen herbeizuschaffen, den ersten Schuss abzufeuern. Und der Frieden hängt oft davon ab, ob jemand den Mut hat, für die Vernunft einzutreten - auch gegen den Wi­derstand und die Skepsis der eigenen Leute.

Franjo Starcevic lebt in der Region Gorski Kotar im Westen Kroatiens, süd­lich der (slowenischen) Gottschee und östlich von Rijeka. Der Professor für Psychologie und Philosophie hat 1971 wegen seines Eintretens für die kroati­sche Autonomie seinen Arbeitsplatz verloren. Inzwischen pensioniert, lebt er zurückgezogen in sei­nem (kroatischen) Geburtsort Mrkopalj, wo er großen Einfluss hat. Im Spätherbst 1991 drohte der Krieg auch seine Region zu erreichen. Die Kroaten und Serben, die relativ ge­schlossen in ihren Dörfern lebten, hatten schon Waffen gesammelt und Barrika­den gebaut. Es fehlte nicht mehr viel, und es wäre auch hier zu Kämpfen ge­kommen. Doch durch sein mutiges En­gagement ist es dem alten Mann gelun­gen, diese Gefahr abzuwenden. Lassen wir ihn selbst zu Wort kommen:

"Im vorigen Jahr, im November oder Dezember, als der Krieg in Kroatien voll im Gang war, habe ich mich ent­schieden, in unser Nachbardorf Jasenak zu gehen, wel­ches ganz serbisch ist und sich auf der anderen Seite eines Berges, der Bjelalasica, befindet. Zwischen den beiden Dörfern, die rund 30 km vonein­ander entfernt sind, besteht eine tradi­tionelle Freundschaft. Es gab früher viele kroatische und serbische Dörfer, die eng verbunden waren, aber diese Freundschaft ist zerbro­chen, und zwar sehr brutal. Also, ich komme nach Jasenak, und sie waren sehr gastfreund­lich, wie die Serben immer sind. Das ist ihre nationale Eigenschaft. Ich habe den Leuten aus dem Gemeinderat gesagt, daß es sehr dumm ist, jetzt im 20. Jahr­hundert mit Waffen gegeneinander zu kämpfen. Das Gespräch dauerte ei­nige Stunden.

Worte gegen Waffen

In diesem Gespräch war natürlich die Schwierigkeit, daß es schon auf beiden Seiten Barrikaden gab. Wir haben damit angefangen, weil wir eine Offensive der Volksarmee befürchteten. Wir hatten zehn Bäume auf die drei Verbindungs­straßen Richtung Jasenak gelegt. Darauf haben die Serben auch auf ihrer Seite Straßen­sperren errichtet. Und sie hatten viel mehr Waffen als wir. Aber ich habe versprochen, daß wir unsere Barri­kaden wegräumen.

Als ich zurückgekommen bin, habe ich alles das unse­rem Bürgermeister erzählt und auch in unserer Pro­vinzstadt Del­nice darüber berichtet. Und wir haben beschlossen, daß diese Aktion richtig war und daß man sie ausweiten muß. Vorher waren meine Leute sehr skep­tisch und dagegen, daß ich nach Jasenak fahre. Sie hatten geglaubt, daß es ge­fährlich und unsinnig ist, zu den Serben zu gehen. Aber jetzt sahen alle, daß es erfolgreich war.

Nach etwa zwei Monaten, zu Beginn dieses Jahres, bin ich ein zweites Mal nach Jasenak gefahren. Vorher ha­ben wir unsere Barrikaden weggeräumt, um ihnen zu demonstrieren, daß wir es ehr­lich meinen. Und diesmal bin ich länger geblieben. Wir sind als Freunde geschie­den. Und dann haben sie, vielleicht nach einem Monat, auch ihre Barrikade weg­geräumt. Und unsere Bezie­hungen sind besser und besser geworden. Im Mai war ihre Delegation bei uns, und jetzt können wir diese guten Beziehungen fortsetzen.

Ein Denkmal des Friedens

Auf unserer Seite des Berges gibt es auch Serben, und wir haben sie auch be­sucht, und jetzt besteht zwischen uns eine Ruhe und ein Frieden. Als Symbol für diesen Frieden wollen wir auf dem Berg zwischen unseren Dörfern, auf der Bjelolasica, ein Denkmal bauen, in der Form von zwei ineinander geschlunge­nen Händen. Und wenn es dann, noch vor diesem Winter, fertig ist, wollen wir alle - Serben und Kroaten - dort hinauf­steigen und sagen: Niemals mehr soll zwischen uns Hass und Feindschaft sein."

Frano Starcevic führt den Erfolg seiner Mission auf eine Reihe von objektiven Faktoren zurück: Gorski kotar, die Re­gion, liegt sehr im Westen Kroatiens, wo der Krieg kulturell eine geringere Rolle spiele. Kriegs­helden würden nicht gefeiert, auch in der Erziehung lege man auf Frieden viel Wert. Die traditionelle Freundschaft zwischen serbischen und kroatischen Dörfern habe auch an­derswo bestanden, aber hier habe man in den letzten Jahren die Differenzen nicht so hochgespielt. Und vor allem habe man nicht aufgehört, gemeinsame Aktionen durchzuführen. Vor allem die Ge­denkfeier für die Partisanen, die hier im 2. Weltkrieg erfroren sind, habe man in Form einer "Friedensfeier" fortgeführt. Heuer im Herbst will man sie zu einem "Alpen-Adria-Friedensfest" mit interna­tionaler Beteili­gung ausweiten.

Franjo Starcevic spricht bedächtig und bescheiden, doch für mich gibt es kei­nen Zweifel. Er ist ein Held, ein Frie­densheld.

AUSGABE

RUBRIK

Krisen und Kriege
Werner Wintersteiner, Universität Klagenfurt, ist Herausgeber der friedens-politischen Zeitung alpe adria.

Donnerstag

Ermutigende Beispiele für Friedenshandeln

Ermutigende Beispiele für Friedenshandeln

- Der Kampagne ICAN ist es in rund zehn Jahren gelungen, mehr als 120
Staaten unter einem Atomwaffenverbotsantrag zu sammeln - und dafür
2017 den Friedensnobelpreis zu erhalten. 2020 haben 50 Staaten den Vertrag ratifiziert, genug für sein Inkrafttreten im Januar 2021.

- Nach Protesten von Friedensbewegten in Köln sagte die Messeleitung
Köln die Militär- und Waffentechnik-Messe Itec für das Jahr 2018 ab.
Auf der letzten Itec-Messe im Jahre 2014 hatten noch 110
Rüstungsunternehmen ihre todbringenden Produkte ausgestellt. Nun gilt
es diese weiter gezogene Rüstungs-Messe aus Stuttgart zu vertreiben!

- Durch massive Proteste aus der Zivilbevölkerung - u.a. von der
Kampagne "Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel" - sind bis heute keine
neuen Panzer an Saudi-Arabien ausgeliefert worden.

- Zumindest die Pläne für eine gemeinsame türkisch-deutsche
Panzerfabrik sowie die bessere Panzerung bereits gelieferter deutscher
Leopard-Panzer wurden von der neuen Bundesregierung vorerst auf Eis
gelegt.

- In Lahr - zwischen Freiburg und Offenburg gelegen - hat die örtliche
Friedensbewegung es geschafft, den Gemeinderat zu überzeugen, gegen
die Ansiedlung einer Schweizer Munitionsfabrik zu stimmen - und damit
auch auf Gewerbeeinnahmen zu verzichten.

- Die Europäische Investitionsbank (EIB) erteilte vor zwei Jahren den
Vorschlägen der EU-Kommission zur Finanzierung von
EU-Rüstungsprojekten eine Absage. Begründung: Sie müsse sich
refinanzieren bei Anlegern, die ganz klar die Finanzierung von Rüstung
aus ethischen Gründen ausgeschlossen haben.

- Die Kampagne "Abrüsten statt Aufrüsten" hat in relativ kurzer Zeit
unzählige Unterschriften gesammelt, das 2-Prozent-Aufrüstungsziel zu
verhindern - und statt dessen eine Umschichtung von Rüstungsausgaben
hin zu Schulen, Kindertagesstätten, sozialem Wohnungsbau,
Krankenhäusern, öffentlichem Nahverkehr, kommunaler Infrastruktur,
Alterssicherung, ökologischem Umbau, Klimagerechtigkeit und
internationaler Hilfe zur Selbsthilfe gefordert.

- Private und institutionelle Anleger, die sich der globalen
Divestment-Bewegung angeschlossen haben und aus Investitionen mit
Verbindungen zu fossilen Energien aussteigen, verfügen mittlerweile
über ein Gesamtvermögen von mehr als fünf Billionen US-Dollar.

Wer nicht bei der GLS-Bank, der Triodos-Bank oder der Ethik-Bank sein
Geld angelegt hat, läuft Gefahr, dass sein Erspartes irgendwo in einer
Waffenschmiede Unheil anrichtet.

Fragt bei euren Banken nach - und schichtet euer Geld dorthin um, wo
es sinnvoll zum Beispiel in erneuerbaren Energien oder Biohöfen
eingesetzt wird!


Wo sind Menschen noch an anderen Orten und arbeiten an einer gerechteren und friedvolleren Welt?

- In der Nähe von Magdeburg engagieren sich Friedensbewegte in der
Kampagne "Krieg beginnt hier" - um darauf hinzuweisen, dass auf dem
nahe gelegenen Gefechts-Übungszentrum Altmark von deutschem Boden aus
Kriege eingeübt und vorbereitet werden.

- In Büchel protestieren auch 2018 wieder verschiedene Gruppen gegen
die Modernisierung und für den Abzug der letzten Atomwaffen auf
deutschem Boden. Für den 7. Juli 2018 haben mehrere Landeskirchen
ihren Protest-Besuch angekündigt.

- In und um Ramstein in der Pfalz fordern Menschen die Beendigung
völkerrechtswidriger US-Drohneneinsätzen von deutschem Boden aus und
die Schließung der Airbase Ramstein.

- Die Kampagne "Macht Frieden. Zivile Lösungen für Syrien" wird weiter
daran arbeiten, die wachsende Zahl der Nein-Stimmen im deutschen
Bundestag bei der nächsten Verlängerung der Bundeswehrmandate für
Syrien und Irak zu erhöhen - und gleichzeitig zivile Konfliktlösungen
vorstellen.

- An vielen Orten in Deutschland gibt es Gruppen, die sich mit der
Forderung "Bundeswehr raus den Schulen" u.a. für die Einhaltung der
UN-Kinderrechtskonvention einsetzen. Derzeit sind mehr als 1000 unter
18-Jährige in der Bundeswehr eingesetzt, die gemäß der
UN-Kinderrechtskonvention dort gar nicht sein dürften!

- Ende Mai bis Anfang Juni wird die Aktion Staffellauf 2018 von
Oberndorf nach Berlin stattfinden. Vom Sitz des Rüstungskonzerns
Heckler und Koch werden sich Menschen in Etappen auf den Weg zur
Bundesregierung aufmachen, um dort am 2. Juni 2018 eine Großkundgebung
abzuhalten. Sie werden dort mit einer Friedensfahrradtour zusammen
treffen, die von Würzburg aus startet und ebenfalls wie die
Läufergruppe Station an Rüstungsstandorten machen wird.

- Vor dem Festsaal bei der Weihnachtsfeier der Firma Diehl mahnten
Aktive: "Christen bauen keine Waffen" - eine Auffassung, die auch
Papst Franziskus vertritt.

- Die friedenspolitisch sehr aktive evangelische Landeskirche Baden
erarbeitete ein Rüstungs-Ausstiegsszenario und stellte den Entwurf in
den Friedensräumen Lindau vor. Der evangelische Landesbischof traf
sich zur Diskussion mit dem Chef des Diehl-Konzerns.

- Mehrere Landeskirchen haben sich auf den Weg gemacht, "Kirchen eines
gerechten Friedens" zu werden!

- Auch in diesem Jahr (2018) wird es in Überlingen wieder einen
Frieden-Stiftertag mit einem ganztägigen Workshop zu Fragen
gewaltfreier Konfliktbearbeitung geben.

- Vertreterinnen und Vertreter des 60-köpfigen Vereins "Keine Waffen vom
Bodensee" haben Pfarrerinnen und Pfarrer aus vier Landeskirchen zu
einer Langzeitfortbildung eingeladen. Themen sind die Rüstungsbetriebe
am Bodensee und deren Konversion.

- Als Untergruppe des Vereins "Keine Waffen vom Bodensee" hat sich vor
drei Jahren die Initiative "Friedensregion Bodensee" gebildet, der
inzwischen rund 20 Mitglieder angehören. Diese Gruppe, der besonders
die positiven Friedensansätze am Herzen liegen, beschäftigt sich u.a.
damit, welche konkreten Alternativen es zur Herstellung von Waffen am
Bodensee gibt.

Die Initiative fragt auch, wie den in den Rüstungskonzernen
Beschäftigten die Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes durch
sinnvolle zivile Produktionsmöglichkeiten genommen werden kann.

Zu den Aktivitäten der Gruppe "Friedensregion Bodensee" gehört u.a.
das WIR-Cafe in Owingen als Internationaler Treffpunkt.

- Im Mai wird im Pestalozzi-Kinder- und Jugenddorf Wahlwies im Rahmen
des "Pilgerweges für den Frieden" ein Friedensbaum gepflanzt werden.
In Stockach findet die Aktion "Singen für den Frieden" statt.

- Am westlichen Bodensee gibt es schon jetzt zahlreiche
landwirtschaftliche Demeter-Betriebe und andere Biohöfe für
nachhaltigen und fairen Einkauf und Konsum.

- Die Integration von Flüchtlingen wird in vielen Gemeinden groß
geschrieben. Dem wachsenden Rechtsruck in Europa begegnen Menschen
rund um den Bodensee mit ihrer friedensfördernden und integrierenden
Arbeit mit Menschen aus aller Welt.

- Mit den Friedensräumen in Lindau und dem Friedensmuseum in Schachen
stehen kulturelle Räume zur Begegnung und zum Austausch bereit, die
noch weit größere Aufmerksamkeit verdienen als bisher.

Auszüge aus der Rede von Clemens Ronnefeldt, anlässlich der Bodenseekonferenz am 2. April 2018 in Bregenz. Ergänzt von Martin Arnold.
Clemens Ronnefeldt,
Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen
Versöhnungsbundes

Montag

Das Gewehr über der Schulter

Pats (Patrick Lloyds) Erlebnisse während des Ersten Weltkrieges standen ihm nicht im Gesicht geschrieben. Der Autor musste einige Mühe und Geduld aufbringen, um sie aus Pat herauszubekommen. Hier sind sie. Wenn die Leserin Pat kennen würde, dann würde es ihr nicht schwerfallen, alles zu glauben. Pats Truppe, sie waren Kanadier, wurde befohlen bei vollem Tageslicht über ein offenes Feld die Deutschen, die in einem Wald standen, anzugreifen. Von den Männern der Kompanie kamen nur fünf zurück, unter ihnen Pat. Am Tag des Waffenstillstandes waren sie noch zu fünfundzwanzig. Als der Schlachtenlärm aufhörte, drehten einige von ihnen durch und schrieen laut.

Als er siebzehn war, hatte er sein Alter gefälscht, um sich für die kanadische Armee einschreiben lassen zu können. Tief in seinem Herzen wusste er allerdings, dass Krieg nicht der Weg zu Gerechtigkeit und Frieden war. Aber mit siebzehn, als ältere Freunde in Europa Helden wurden und es die am besten aussehenden Mädchen beim Anblick einer Uniform heiß und kalt überlief, dachte er: Also gut, warum eigentlich nicht?

Er trug Stücke von Wellblech auf dem Kopf zur Front in Frankreich, die dort für den Bau von Unterständen benutzt werden sollten. Der Boden um ihn her war aufgewühlt. Es hagelte Grantatsplitter auf die Wellblechstücke auf seinem Kopf. Pat erschien die Situation hoffnungslos. Wozu sollte das wohl alles gut sein? Hatte das Leben irgendeine Bedeutung? Man konnte ebenso gut von einem der Splitter getroffen werden wie davonkommen. In seiner Verzweiflung und Erschöpfung ruhte er einen Augenblick aus und es kümmerte ihn kaum, ob er getroffen würde oder nicht. Er erwartete, dass irgendein Offizier ihn wütend anschreien würde: „Was machen Sie da? Sehn Sie zu, dass Sie vorwärtskommen!“

Dann geschah Pat das Seltsamste, das er je erlebt hatte. Aber zu dem Zeitpunkt schien es völlig natürlich, so dass er sich nicht wunderte. Eine strahlende Figur näherte sich ihm. Offenbar war es Jesus. Er kam zu Pat, gab ihm freundlich die Hand, lächelte und glitt dann an ihm vorüber ins Dunkel.

Von da an konnte Pat nicht mehr töten. Das Kopfschütteln genügte Pat vollständig. Es ging nicht darum, was wirklich geschehen war, ob das Erlebnis seiner übererregten Fantasie zu verdanken war oder ob wirklich Jesus zu ihm gekommen war. Es ging darum, dass Pat von da an nicht mehr direkt am Krieg teilnehmen konnte.

Er hatte keine Angst. Die Tommies in den Schützengräben fühlten, dass er sich verändert hatte. „Warum?“ konnten sie beunruhigt fragen, „Es ist dir doch nichts passiert! Es hat sich doch nichts verändert. Wir verstehen nicht, was über dich gekommen ist.“

Pat sagte seinem Oberst, einem Mann aus Calgary in Kanada, dass es für ihn mit dem Töten vorbei sei. „Was zum Teufel denken Sie eigentlich, wozu wir hier sind?“ fragte der überraschte Oberst McDonald.

Pat kam vor ein Kriegsgericht und wurde zum Tode durch Erschießen verurteilt. Der Oberst verabscheute das, aber so waren nun einmal die Gesetze der Armee.

Während Pat auf die Exekution wartete, dachte er tief nach, wurde sehr still und lauschte auf Gott. Schließlich kam ihm in den Sinn, dass es eine Lösung des Problems geben könnte. Er ging also zu Oberst McDonald. „Ich werde den Gesetzen der Armee gehorchen. Zwar werde ich niemanden töten, aber ich werde weiter vorwärts gehen.“

Zu seiner Überraschung fand der Oberst im militärischen Handbuch zwar eine genaue Anleitung zur Benutzung des Bajonetts, aber an keiner Stelle wurde die Benutzung befohlen. Er war sehr froh, dass Pat nicht erschossen werden musste. Er nahm seinen Vorschlag an.

Aber der Oberfeldwebel, der später von seinen eigenen Männern von hinten erschossen wurde, war nicht zufrieden. Er dachte, Pats Einfall sei vollständiger Unsinn. Daraus ergab sich, dass Pat in nur zwei Wochen dreimal auf Patrouille geschickt wurde. Er machte es sich zur Regel, dass er nie die Auslöser der Granaten betätigte, nie schoss und nie sein Bajonett benutzte. Irgendwie kam er mit dem Leben davon.

Bei einem Angriff kamen von der gesamten Kompanie nur eine Handvoll Soldaten zurück. Zu ihnen gehörte auch Pat. Sie zählten die Kugellöcher in Pats Uniform. Es waren sechzehn und eine leichte Fleischwunde. Es schien unglaublich, dass er das lebend überstanden hatte.

Der Oberfeldwebel hatte etwas gegen diesen aus der Art geschlagenen Soldaten. Er war ein alter Haudegen, ausgekocht und unsensibel. Pat war klar, dass den Männern nichts lieber wäre, als mit anzusehen, wie ihr Tyrann in eine lächerliche Lage gebracht würde. Einmal wurde er wütend und schrie Pat an, indem er wüste Schimpfwörter gebrauchte. Er befahl ihm, sein Gewehr zu laden und zu schießen. Pat fügte sich ruhig und höflich und zielte dorthin, wo sein Schuss den geringsten Schaden anrichten würde. Er wollte nicht, dass der Oberfeldwebel das Gesicht verlöre.

Immer wieder gab Pat in allen möglichen Einzelheiten nach, gab in technischen Punkten, so weit er konnte, nach, führte getreulich alle Handlungen eines guten Soldaten aus – nur dass er das Töten ausließ. Eines Tages gab ihm der Oberst seinen dritten Streifen. Schließlich hatte der junge Irisch-Kanadier nicht ein einziges Mal gegen die Regeln verstoßen. Der Oberst hatte Sinn für Humor. Er sagte: „Ich gebe Ihnen diesen dritten Streifen, weil ich muss. Niemand, Pat, niemand in der ganzen kanadischen Armee ist besser davongekommen als Sie.“

Bei einem Angriff schlug das kanadische Sperrfeuer in die deutschen Schützengräben ein und Pat und seine Kompanie mussten die Soldaten der anderen Seite „völlig aufreiben“. Das heißt, sie mussten dem Sperrfeuer folgen und jeden Deutschen töten oder gefangen nehmen, auf den sie beim Vorrücken trafen. Jeder Soldat sprang in einen Schützengraben und tat, was er konnte. Natürlich war das verwirrend. Pat war plötzlich allein in einem Schützengraben. Er wusste nicht, ob er vor oder hinter den anderen war.

Als er in einem Graben um die Ecke bog, tauchte vor ihm plötzlich ein Deutscher auf, der zu seinem Empfang bereit war. Gewehr und Bajonette des Deutschen richteten sich auf Pat. Sofort ging Pat, das Gewehr über die Schulter gehängt, auf den Deutschen zu und hielt beide Hände vor sich, die Handflächen ein wenig erhoben. Er hob die Hände nicht über den Kopf. Das wäre zu viel gewesen, so als würde er sich ergeben.

„Kamarad!“ rief Pat und lächelte. Das Bajonett des Deutschen kam näher und war nur einige Meter von Pats Bauch entfernt.
„Sprechen Sie deutsch?“ fuhr Pat fort, „you sprechen English?“
„Nein English“, antwortete grimmig der andere unter seinem Helm hervor.

Der Deutsche war nun überrumpelt, er war überrascht worden. Er war auf einen Bajonettstoß des Feindes gefasst gewesen. Aber dieser seltsame Kanadier fragte ihn, ob er Englisch spreche und noch dazu mit diesem komischen Akzent. Der Deutsche schob mit einer Hand ganz verwirrt den Helm zurück und fasste mit der anderen sein Gewehr fester.

„Liebe mannen“, sagte Pat, „alles mannen.“ (Ich liebe Menschen, alle Menschen.)
„Alles mannen? Deutsch?“ antwortete der Deutsche ungläubig.

„Ya, alles mannen“, und Pat balancierte sein Gewehr auf den ausgestreckten Händen. Er wollte, dass der Deutsche versteht, dass er Patronen im Gürtel hatte und dass er sein Gewehr genau so wirksam gebrauchen könnte wie der Deutsche seines. Das könnte er, aber er würde es nicht tun. Widerstrebend verstand der Deutsche. Die beiden Soldaten setzen sich auf die Gewehrablage. Pat durchsuchte sein Gedächtnis nach deutschen Wörtern. Er wollte sagen: „Ich hasse den Krieg“, also versuchte er: „Nicht war“. Der Deutsche verstand nicht. „Nicht la guerre“, sagte Pat, der nach dem richtigen Wort suchte. Der andere zeigte Verachtung. Offensichtlich missfiel ihm der Gedanke an irgendetwas Französisches. Pat erklärte noch einmal, er liebe alle Menschen.

Die Anspannung dieses behutsamen Balancierens auf der Schwelle des Todes, dazu der seltsame Akzent und die unpassenden Wörter des unerschütterlichen Iren neben ihm waren zu viel für den Deutschen. Er hatte Pat zunächst mit Misstrauen betrachtet, aber jetzt konnte er nicht anders, er musste lachen.

„Ach“, brach es fast unkontrollierbar aus ihm heraus. Er wedelte mit seinem
Gewehr in der Luft herum, als wäre es ein Spazierstock. „Freund! Freund!“ rief er.

Sie schwätzten noch weiter, jeder in seiner eigenen Sprache, aber sie konnten sich gegenseitig verstehen. Schließlich ging jeder der beiden seiner Wege.


Aus dem Buch: 
Instead of cowardice or hate
COURAGE IN BOTH HANDS
Dramatic stories of real men and women who accomplished more than they believed they could
Allan A. Hunter
Copyright © 1962 by Allan A. Hunter Printed in the United States of America
BALLANTINE BOOKS, INC.
101 Fifth Avenue New York 3, N. Y.

„Hör endlich auf, mich zu lieben!“

Einige Jahre zuvor, nicht lange nach dem Ersten Weltkrieg, verrichtete Pat (Patrick Lloyd) Sozialarbeit – allerdings würde er es nicht so nennen – in einem Londoner Slum. In der Gemeinde gab es einen Arbeitslosen, der im Begriff war, sich zu Tode zu trinken. Er hatte eine Frau und Kinder und brauchte dringend Hilfe. Eines Tages, als Pat eine Treppe hinaufstieg, um im dritten Stockwerk einen Besuch zu machen, ging dieser Mann einige Stufen vor ihm her. Pat wusste, wie bitter sein Nachbar war, deshalb ging er weiter und sprach ihn nicht an. Der andere konnte das Schweigen nicht ertragen. Plötzlich drehte er sich um und schrie Pat wild ins Gesicht: „Hör endlich auf, mich zu lieben!“

Pat verstand, dass er besser nicht antworten sollte, und verschwand. Einige Tage danach drückte er dem Mann schweigend einen Zettel in die Hand, auf dem stand, dass da und da ein Tischler für eine kleine Arbeit gesucht werde. Diese Einfühlsamkeit hatte einige interessante Folgen. Als der Mann in einer Kneipe hörte, wie jemand eine beleidigende Äußerung über Pat machte, schlug er den Kritiker zu Boden. Aber das war nicht alles. Von da an nahm er auch andere Arbeiten an und kümmerte sich um seine Familie.

Aus dem Buch: 
Instead of cowardice or hate
COURAGE IN BOTH HANDS
Dramatic stories of real men and women who accomplished more than they believed they could
Allan A. Hunter
Copyright © 1962 by Allan A. Hunter Printed in the United States of America
BALLANTINE BOOKS, INC.
101 Fifth Avenue New York 3, N. Y.

„Ich habe keine Angst – hast du Hunger?“

Wie ein Magnet, der unweigerlich Eisenspäne anzieht, so zieht Pat (Patrick Lloyd) immer wieder die seltsamsten Zwischenfälle an. Eines Nachts wachte er durch ein Licht erschreckt auf, das ihm ins Gesicht schien.
„Gib dein Geld raus“, sagte der Mann hinter der Taschenlampe.
„Ich habe nicht viel“, antwortete Pat, der noch nicht wach genug war, um sich klar zu machen, wie komisch seine Antwort war. „Aber das, was ich habe, brauche ich selbst.“
„Wo ist es?“ Der Einbrecher schrie fast.
„Wenn ich dir alles geben würde“, antwortete Pat sanft, „dann hätte ich ja nichts mehr für mich.“ Schweigen. Dann sprach Pat weiter: „Weißt du was, ich habe zwar nur wenig, aber das könnten wir teilen.“ Er bemerkte, dass die Pistole langsam gesenkt wurde.
Pat: „Jetzt, wo du die Pistole nicht mehr auf mich richtest, könntest du dich doch setzen!“ Der Einbrecher hob die Pistole wieder an und zielte auf Pat. Er wiederholte seine Forderung. Pat sagte: „Ich habe keine Angst mehr vor dir.“
Einbrecher: „Warum nicht?“
Pat: „Das kann ich dir nicht erklären, es ist eben so: Ich habe keine Angst mehr vor dir… Hast du Hunger?“
Einbrecher: „Ja“.
Pat: „Wir wollen Kaffee trinken und Brötchen essen. Ich kann das ganz schnell machen.“
Einbrecher: „Na gut“. Sie saßen zusammen und aßen und sprachen miteinander.
Pat: „Warum machst du sowas?“
Einbrecher: „Mir fällt nichts anderes ein. Ich würde niemals betteln.“
Pat: „Es wäre schön, wenn du bei mir bliebst und ich dir bei der Arbeitssuche helfen könnte.“
Einbrecher: „Nein – du würdest mich reinlegen.“
Pat: „Warum lässt du nicht die Pistole hier? Wenn sie dich damit erwischen, kriegst du Ärger. Ich hebe sie für dich auf.“
Der Einbrecher sah das ein, ließ die Pistole dort und als sie sich trennten, gaben sie sich die Hand.

Aus dem Buch: 
Instead of cowardice or hate
COURAGE IN BOTH HANDS
Dramatic stories of real men and women who accomplished more than they believed they could
Allan A. Hunter
Copyright © 1962 by Allan A. Hunter Printed in the United States of America
BALLANTINE BOOKS, INC.
101 Fifth Avenue New York 3, N. Y.

Dienstag

Weltkarte der Gewaltfreiheit / Weltkarte der Hoffnung - Ereignisse in Deutschland





Widerstand gegen den Nationalsozialismus / Faschismus

Wegen Widerstands gegen die Nazi-Gewalt wurden über 32.500 Deutsche die Geschwister Scholl (»Weiße Rose«) verurteilt und hingerichtet. Ohne Prozess wurden Ungezählte umgebracht.
In politischen Verfahren wurden 225.000 Frauen und Männer zu rund 600.000 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt

Rund eine Million Deutsche waren bis Kriegsbeginn aus politischen Gründen kurze oder lange Zeit
in den rd.100 KZs

Ungezählte versteckten Flugblätter in Einkaufskörben, Booten, Kinderwagen, machten Munition unbrauchbar, entfernten Kriegshetze-Plakate usw.

1943 Berlin Rosenstraße: 6000 Frauen erreichen Freilassung ihrer jüdischen Männer

In allen Nazi-besetzten Ländern gab es Widerstandbewegungen: z.B. wirksame passive Resistenz in Holland - v.a. ein umfassender Eisenbahnstreik

Mit fantasievollen Aktionen machte sich Polen für die Nazis schwer regierbar

Dänen kündigten demonstrativ an, den Judenstern zu tragen, auch der König, und brachten fast alle Juden nach Schweden in Sicherheit

In Bulgarien machte die Bevölkerung während der Nazi-Besetzung den Abtransport der Juden unmöglich, indem sie sich auf die Straßen zum Bahnhof legte

In Norwegen scheiterte das Nazi-Regime 1942 an dem geschlossenen Widerstand der Bevölkerung, vor allem der Lehrer
Ausführlicher Bericht zu diesem Ereignis

Hätte nicht die Widerstandsbewegung den Krieg verkürzt, wären die Atombomben auf Deutschland gefallen

Friedensbewegung nach 1945

'Kampf dem Atomtod"-Bewegung in Deutschland der 1950er Jahre: Massenstreiks erreichten, dass die Bundeswehr nicht atomar bewaffnet wurde

17. Juni 1953: in Ost-Berlin setzten Massendemonstrationen (von westlichen Medien verschwiegen) fast alle Forderungen der Arbeiterschaft durch

1957 erklärten sich 18 deutsche Wissenschaftler im „Göttinger Manifest“ gegen die Atombombe

Der Fall der Berliner Mauer und die deutsche Wiedervereinigung wurden durch gewaltfreie Politik von unten ("Montags-Demos", Runde Tische u.a.) eingeleitet: "Wir sind das Volk!"

Viele Aktionen, u.a. ein „Menschenteppich", stoppte IDEE-Militärelektronikmesse Hannover

Tiefflüge über dem Bundesgebiet wurden nach jahrelangen Protesten (Luftballonaktionen!) eingeschränkt

Wyhl - 12 Jahre Widerstand (v.a. Platzbesetzung 1975) verhinderten schließlich den Bau des ersten deutschen Atomkraftwerks

„Die Freie Republik Wendland" verhinderte zusammen mit regelmäßigen Atommüll-Blockade-Aktionen in Gorleben zwar nicht das Zwischenlager, aber das Endlager für Atommüll und die Plutoniumfabrik

Erfolge der deutschen Anti-AKW-Bewegung: über 80 geplante Atomkraftwerke wurden nicht gebaut, AKW-Export reduziert, die Plutoniumfabrik Wackersdorf verhindert, der Schnelle Brüter Kalkar ist heute Freizeitanlage

'Positiver Einbruch": Nach Tschernobyl wurde ein Güterzug in Frankfurt aufgebrochen, um verstrahltes Milchpulver „aus dem Verkehr zu ziehen"

Castor-Widerstand schuf Öffentlichkeit für gefährliche Atomtransporte

Polnische Gänse „flogen" aus Supermarkt zurück ins hungernde Polen...

Die „Bundschuh"-Bauern am Boxberg wehrten sich erfolgreich gegen Enteignung für Daimler-Teststrecke (1988)

Bürgerinitiativen verhinderten US-Hubschrauberlandeplatz im Raum Fulda (80er Jahre)

In Brunskappel (Sauerland) verteidigten Bewohner gerichtlich ihr Dorf, das durch eine Talsperre zerstört werden sollte ("Auf, auf zum fröhlichen Klagen!")

Bauern und Friedensgruppen bewahrten 1985 in Mainz-Finthen 60 ha Obstbauland davor, Militärgelände zu werden

Im Westallgäu verlegten Bäche, die zwangskanalisiert werden sollten, plötzlich ihr Bachbett...

Trachtendemos in Bonn - nach jahrelangem Widerstand gegen die Westallgäuer Autobahn wurde sie zur Bundesstraße zurückgestuft

Atomraketen verschrottet - 1986 INF-Vertrag nach sieben Jahren Widerstand gegen Pershing II und Cruise missiles - In Westdeutschland wurden wegen gewaltfreier Blockaden Zehntausende verurteilt, 200 kamen ins Gefängnis - nachträglich sämtlich freigesprochen!

Fantasievolle Aktionen in Mutlangen und im Hunsrück: Erntedank-, Senioren-, Konzert-, Tanz-Blockaden, Baukran-Besetzung ‚ Friedensmanöver parallel zum Raketenmanöver...

„Pflugschar"- Pflanzaktionen verwandelten in den Atomraketendepots „Todesland in Lebensland"; Gefängnisstrafen für „Hausfriedensbruch"

„Schwerter zu Pflugscharen": als das Tragen des Friedens-Symbols auf der Kleidung verboten wurde, schnitten viele DDR-Bürger*innen das Abzeichen heraus und trugen das Loch als Friedenszeichen...

Über Nacht wurden in den 1980er Jahren tausend NATO-Atomminenschächte entlang der DDR-Grenze von unbekannt zubetoniert



Sammlung von Ereignissen in Europa
Sammlung von Ereignissen in Nordamerika
Sammlung von Ereignissen in Lateinamerika
Sammlung von Ereignissen im 20. Jahrhundert

Weltkarte der Gewaltfreiheit / Weltkarte der Hoffnung - Ereignisse in Europa



1950er In Sizilien setzte der 'sanfte Rebell' Danilo Dolci mit Fastenaktionen ein Programm gegen Hunger und Elend durch, fastete gegen den Terror der Mafia und organisierte einen 'umgekehrten Streik': Arbeitslose bauten ohne Lohn eine notwendige Straße in der Region und erreichten damit eine Finanzhilfe für das Projekt

Schottland 1957: Raketenbasen wurden nicht gebaut wegen der Weigerung der Handwerker-Gewerkschaften

1968 Prag: „Prager Frühling" durch gewaltfreie Mittel herbeigeführt - auch beim Einmarsch konnten die Russen die Stadt nicht wie geplant einnehmen, Gespräche bremsten Panzer - und viele Straßenschilder waren vertauscht...

1972-1974 Mitten in einer bürgerkriegsähnlichen Situation auf Zypern mit Kämpfen zwischen Türken und Griechen bauten Jugendliche beider Völker gemeinsam ein Dorf wieder auf (Projekt der 'World Peace Brigades')

1977 verhinderte eine Platzbesetzung den Bau eines Bleiwerks in Marckolsheim im Elsaß - als der Zaun gebaut werden sollte, sprang die Bevölkerung in die Bohrlöcher

Reisen durch Mauern: „Bürgerdiplomaten" überquerten den 'Eisernen Vorhang', Quäker bereiteten u.a. durch heimliche Treffen zwischen Nachwuchsdiplomaten der verfeindeten Mächte die Ost-West-Öffnung vor

Mitten im Kalten Krieg der 80er Jahre arbeiteten in der damaligen UdSSR elf „Trust"-Gruppen heimlich für den Aufbau von Vertrauen zwischen UdSSR und USA; sie veranstalteten z.B. Ideenwettbewerbe zum Feindbildabbau.

Vor den Atomraketen in Mutlangen trafen sich im 'Kalten Krieg' russische und amerikanische Friedensarbeiter*innen zur 'Wurzelkonferenz statt Gipfelkonferenz' und pflanzten einen Baum

Anfang der 1980er Jahre Holland: Die Gruppe „Onkruit" ("Unkraut") drang ins Verteidigungsministerium ein, schweißte die geheimen Militärpläne aus dem Panzerschrank und streute sie aus dem Fenster in die Öffentlichkeit

1980er Jahre Italien: große Friedensbewegung am Stationierungsort der Cruise-missiles-Atomraketen in Comiso - 7000 italienische Kleriker rebellierten gegen die Kriegsvorbereitungen. - Kein AKW.

England: 300 Städte atomwaffenfrei. - Greenham Common: erste Menschenkette um Atomraketendepot. - Junge Engländer verhinderten mit einem Hard-Rock-Konzert Großmanöver.

'Lucas Aerospace': englische Arbeiter entwickelten einen exakten Plan zur Umstellung ihres Betriebs von Rüstung auf 150 sozial nützliche Produkte

1983: Englische Seeleute-Gewerkschaft boykottierte Atommüllversenkung

Schweiz: AKW Kaiseraugst verhindert. - Bewegung 'Schweiz ohne Armee'

Österreicher sorgten mit Beharrlichkeit dafür, dass ihr einziges Atomkraftwerk Zwentendorf nicht in Betrieb ging

Norwegen 1986: Umweltschutzbewegungen luden ihre Regierung vor ein eigenes 'Umweltgericht', verurteilten sie für ihre Umweltsünden und erlegten ihr 'Bewährung' auf. - Bei Prozessen gegen Totalverweigerer hielten sie selbst ein 'ethisches Gericht'. Als einer verurteilt wurde, besetzten Friedensleute das Gefängnis

‚Pflugschar-Aktion‘ in Schweden: eine pazifistische Angestellte des Verteidigungsministeriums schlug auf einem Schiff symbolisch mit dem Hammer auf Waffenexporte für Indien, ließ sich verhaften und öffentlich verurteilen

Im schwedischen Kynneljäll hielten die Bewohner dreier kleiner Dörfer seit 1980 eine Dauerwache durch, um Probebohrungen für eine Atomanlage zu verhindern - »und sie werden niemals aufgeben«...

Stockholm 1989: Friedensarbeiter in Strahlenanzügen luden dampfenden Schweinemist vor dem Regierungsgebäude ab, um die heimliche Atommülllagerung im Meeresboden bei Stockholm „ruchbar“ zu machen

„Arche": Lebens- und Dorfgemeinschaften in Südfrankreich, in denen alle Lebensbereiche nach Prinzipien der Gewaltfreiheit ausgerichtet sind. Aktionen gegen Atomanlagen und Algerienkrieg, für politische Flüchtlinge, Kriegsdienstverweigerung und Toleranz

Larzac, Südfrankreich: zehn Jahre Widerstand der Bauern gegen Militärgelände; phantasievolle Aktionen, z.B. weideten sie ihre Schafe in Paris unter dem Eiffelturm. 1981 Erfolg!

In Südfrankreich fällt ein Strommast der Energiegesellschaft COGEMA, gegen deren Uranabbau sich die Winzer wehren, ganz plötzlich „von alleine" um

15 Jahre Widerstand verhindern in Frankreich den „Grand Canal" (- 1997)

Lange Zeit brütete der Widerstand gegen den „Schnellen Brüter" von Malville (Frankreich) - 1997 wurde der „Superphénix“ abgeschaltet

Der Unabhängigkeitskampf Estlands und Lettlands gegen die UdSSR Anfang der 90er Jahre hatte ohne Waffen Erfolg

CSSR 1990: Unabhängigkeit durch ausschließlich gewaltfreien Umbruch

„Solidarnosc"-Gewerkschaft in Polen setzte ihre Forderungen gewaltlos durch

1991 Als der Krieg in Kroatien das Dorf Mrkopalj zu erreichen droht, besucht ein Einzelner das serbische Nachbardorf, erreicht Abbau von Barrikaden und beugt Kampfhandlungen vor
Ausführlicher Bericht zu diesem Ergeignis

„Geistige Republik Zitzer“: ein ganzes Dorf verweigerte im Bosnienkrieg den Kriegsdienst - der selbsternannten „freien Republik" können Bürger aus allen Ländern unterstützend beitreten

„Saat des Friedens"-Kampagne: 15.000 Samenpäckchen mit persönlichen Friedensbotschaften an Menschen im Bosnienkrieg, „mit Umweg“ über das deutsche Außenministerium gesendet, um eine Forderungsliste mit Vorschlägen zur Beendigung des Krieges unübersehbar zu machen (1994) - Später Darlehen für Gemüsesamengärtnereien

Balkan Peace Teams: internationales Friedensprojekt bietet unparteiisch im ehemaligen Jugoslawien Kontakte, Hilfen, Räume, Schutz, Methoden zur Entfeindung und gewaltfreie Trainings für friedenswillige Personen und Gruppen beider Seiten an

1992 Portugal: 500 Jahre nach der Entdeckung Amerikas landet ein Indianer auf dem Flughafen von Lissabon und pflanzt eine Fahne auf: „Ich habe Europa entdeckt!“

In Moskau wurde 1997 ein versuchter Militär-Putsch „gewaltfrei, nur durch Zivilen Ungehorsam“ (so Boris Jelzin wörtlich) abgewehrt - Menschen stellten sich waffenlos gegen Panzer

Sammlung von Ereignissen in Deutschland
Sammlung von Ereignissen in Nordamerika
Sammlung von Ereignissen in Lateinamerika
Sammlung von Ereignissen im 20. Jahrhundert

Weltkarte der Gewaltfreiheit / Weltkarte der Hoffnung - Ereignisse in Nordamerika



1955 Die Amerikanische Bürgerrechts-Bewegung mit Martin Luther King erreichte mit gewaltfreien Märschen und Aktionen die 'Civil Rights' (Bürgerrechte), die die schwarze Bevölkerung rechtlich gleichstellte - u.a. bei Wahlen und in bisher „weißen“ Schulen, Unis, Bussen, Kneipen, Arbeitsplätzen, Wohnvierteln. Aktionen z.B. Boykotts und 'Go-ins': Schwarze und Weiße gingen gemeinsam zur Wahl und betraten Behörden und Lokale, die für Schwarze verboten waren. - King wurde 1

1968 blockierten Indianer die Brücke über den St.-Lorenz-Strom für weiße Reisende und erreichten damit Aufhebung von Repressalien

1970 „Tag der Erde" in USA (22. April): 600.000 Demonstrant*innen bewirkten Umweltgesetzgebung (seither jährliches Ereignis, seit 1990 weltweit)

1971 Bangladesh-Krieg: in US-Häfen stoppten Pazifist*innen mit kleinen Kanus große Schiffe voller Waffenlieferungen, färbten das Meerwasser blutrot, errichteten mitten in Washington „Elendslager" und lösten damit eine Bewegung aus, die zur Beendigung des Kriegs führte

1978 „Marsch der gebrochenen Verträge": Demonstration der Indianer gegen die Menschen(un)-rechtspolitik des »Weißen Häuptlings in Washington«

„Pflugschar“-Aktionen: während des Vietnamkriegs machten in den USA Priester und Nonnen Einberufungsakten unbrauchbar, indem sie sie teils verbrannten, teils mit ihrem eignen Blut übergossen

Anti-Vietnamkriegs-Bewegung in USA - v.a. Befehlsverweigerungen, hunderttausende Deserteure, Veteranen, die ihre Orden auf die Stufen des Capitols warfen - verkürzten die Kriegsdauer „um mindestens 5 Jahre"

Weigerung von mehr als der Hälfte aller US-Wissenschaftler, an SDI (Weltraumbewaffnung) mitzuarbeiten (Mitte 1980er Jahre)

Anfang der 80er Jahre: Nonnen besetzten die Chefetage eines Rüstungskonzerns

„Reissäckchen-Aktion“ trug im Koreakrieg dazu bei, dass die USA gegen China nicht die Atombombe einsetzten: 45.000 Amerikaner*innen sandten Getreidesäckchen an ihre Regierung mit der Forderung, dem chinesischen Volk Nahrung statt Atombomben zu schicken (Versöhnungsbund-Aktion)

AKW-Baugelände-Besetzung USA - Seabrock: 18 Atomkraftgegner*innen steigerten durch Weitersagen die Teilnehmerzahl auf 180, dann auf 18.000, schließlich auf über 200 000, besetzten auch die Wallstreet-Börse... Seit 1978 AKW-Baustopp in USA

Seit 1982 „Sanctuary"-Bewegung in USA, gibt lateinamerikanischen Flüchtlingen Zuflucht vor Abschiebung (und wird dafür vor Gericht gestellt)

„Ethik-Fonds": Investment-Fonds, die nur bei Firmen investieren, die nichts mit Umweltzerstörung oder Unrecht in der „Dritten" Welt zu tun haben (gegründet in USA während des Vietnamkriegs)

Schienen-Besetzung vor Atomraketentransporten -„Beten vor Bombenzügen"

„Witness for Peace": an der Grenze von Nicaragua 80er Jahre Dauerpräsenz internationaler Friedensleute - im Fall einer US-Invasion hätten sie sich als „lebende Mauer aus unbewaffneten Menschen" entgegengestellt; ein Friedens-Alarmnetz hätte gleichzeitig in den USA 'gewaltfrei mobilgemacht' mit Besetzung von Parteibüros u.a. (500.000 Selbstverpflichtungserklärungen)

Sammlung von Ereignissen in Deutschland
Sammlung von Ereignissen in Europa
Sammlung von Ereignissen in Lateinamerika
Sammlung von Ereignissen im 20. Jahrhundert

Weltkarte der Gewaltfreiheit / Weltkarte der Hoffnung - Ereignisse in Lateinamerika



1931 Chile: Generalstreik führt zum Sturz des Diktators Carlos Ibanez del Campo

1933 Cuba: Diktator Gerado Machado y morales durch Generalstreik gestürzt

1944 Guatemala: Diktatorsturz durch Generalstreik (Jorge Ubico)

1946 Haiti: Diktator Elie Lescot durch Generatstreik gestürzt

1951 Panama: durch Generalstreik gewaltfreier Sturz des Diktators Arnulfo Arias

1956 Haiti: durch Generalstreik gewaltfreier Sturz des Diktators Paul Magliore

1957 Columbien: durch Generalstreik gewaltfreier Sturz des Diktators Gustavo Rojas Pinilla

1968 Die mexikanische Landarbeiterbewegung (mit Cesar Chavez) setzte ihre Rechte durch eine jahrelange Boykott-Kampagne durch (Traubenboykott 1960er Jahre). Motto: „Es ist möglich!"

1974 São Paulo: Siebenjähriger Streik der Zementarbeiter von Perus setzte gerechte Löhne und menschliche Arbeitszeiten durch - „Firmeza permanente" (Ausdauer, Festbleiben)

An 1977 Buenos Aires: Jahrelange wöchentliche Mahnwachen der „Madres de Plaza de Mayo- Mütter der Verschwundenen" auf der. Plaza de Mayo vor dem Regierungssitz erreichen in den 80er Jahren Gesetze gegen das 'Verschwindenlassen' und verheimlichten Mord

Seit 1981 „Peace Brigades International" begleiten und schützen bedrohte Personen, vor allem in Lateinamerika

1949 Costa Rica schafft als erstes Land der Welt die Armee ab

1974 Lateinamerikanische gewaltfreie Bewegung „Servicio Paz y Justicia“, auf Initiative des Internationalen Versöhnungsbunds gegründet, organisiert gewaltfreie Trainings, Aktionen, Menschenrechtsarbeit und Bildung vieler gewaltfreier Gruppen
In Lateinamerika gibt es über 30 000 gewaltfreie Gruppen

1976 Brasilien: gewaltfreier Kampf der Bauern von Mucatú um 10200 Hektar Land hat Erfolg

1977 Bolivien: Vier Bergarbeiterfrauen beginnen nach der Verhaftung ihrer Männer eine Fastenaktion in der Hauptstadt und erreichen, dass mehrere hundert politische Gefangenen sämtlich freigelassen werden

1965 Nicaragua: gewaltfreie Gemeinschaft der Bauern von Solentiname (mit Ernesto Cardenal); wurde nach Übergang zu bewaffnetem Kampf zerstört

1975 Alagamar (Brasilien): 700 Bauernfamilien wehrten sich gegen Vertreibung, indem sie das Land bepflanzten. Bischöfe der Befreiungskirche vertrieben mit ihnen das Vieh der Landherren von den Pflanzungen. Auch in Venezuela, Paraguay, Peru, Kolumbien, Chile, Brasilien und anderen südamerikanischen Ländern eroberten sich Bauerngemeinschaften ihr Land durch Pflanzen zurück. Aktionen z.B.: ein ganzes Dorf zeltete vor dem Regierungssitz

1988 Chico Mendes verlor sein Leben, um den Regenwald zu erhalten

Sammlung von Ereignissen in Deutschland
Sammlung von Ereignissen in Europa
Sammlung von Ereignissen in Nordamerika
Sammlung von Ereignissen im 20. Jahrhundert

Weltkarte der Gewaltfreiheit / Weltkarte der Hoffnung - Ereignisse im 20. Jahrhundert



20. Jahrhundert, international

Um 1900 bewahrte Finnland seine Unabhängigkeit von Russland durch Gehorsams- und Kriegsdienstverweigerung - alle Männer verschwanden in den Wäldern...

1905 verhinderte ein Aufruf zur Kriegsdienstverweigerung einen Krieg zwischen Norwegen und Schweden

1909 wurde der spanische Krieg gegen Marokko abgebrochen, weil die Arbeitergemeinschaft (Aufruf Ferrer) in den Generalstreik trat

1906, Gandhi in Südafrika: erste bewusst gewaltfreie Aktionen (z.B. Passverbrennung); Januar 1908: Gandhi bildet dafür das neue Wort „satyagraha“ = „die Kraft, die aus Wahrheit und Liebe geboren wird“; 1913 Idee einer gewaltfreien Armee

1914 - der Eintritt Spaniens in den Ersten Weltkrieg wird durch eine Million Arbeiter verhindert

1918 weigern sich deutsche Matrosen, einen Verzweiflungskampf trotz Waffenstillstands auszuführen

1918 Gründung von SCI - Service Civil International: Jugendliche aus verschiedenen Ländern arbeiten gemeinsam in Friedensprojekten - »dann werden sie nicht aufeinander schießen«

1919 - die Besatzung von fünf Kreuzern der französischen Schwarzmeerflotte verweigerte den Dienst und verhinderte damit den Angriff Frankreichs auf die Sowjetunion

1919 Weigerung englischer Arbeiter, ein Schiff (»JolIy George«) mit Munition für Polen zu beladen

Seit 1919: Der von Gandhi in Indien initiierte Massenwiderstand gegen die englische Kolonialmacht umfasste außer Fasten und fantasievollen Aktionen (z.B. Salzmarsch) vor allem auch Abbau des Kastenwesens und Aufbau von Unabhängigkeit durch Selbstversorgung

1920 Generalstreik und viele Formen der Verweigerung von Zusammenarbeit verhinderten den Erfolg des „Kapp-Putschs" und damit den Sturz der Weimarer Republik

1920 Krieg zwischen England und Russland wurde verhindert, weil die englische Arbeiterschaft den Waffentransport verweigerte und mit Generalstreik drohte

1920 Oberschlesien - Verhinderung eines Munitionstransports durch die Arbeiterschaft während des russisch-polnischen Krieges

1923 "Ruhrkampf: durch den unbewaffneten Widerstand gegen die belgische und französische Besatzung wurde das Rheinland nicht von Deutschland abgespalten; die Truppen konnten die Kohlelieferung (Kriegsreparationen) nicht erzwingen

1934 »Bleib-drin-Streik«: 1934 fasten mehr als 1000 Bergarbeiter in ihrer Mine in Pécs (Ungarn)

1950 Helgoland als Abwurfziel für britische Bombardierungsübungen, wird seit 1950 von verschiedenen Gruppen, darunter 99 Jugendlichen, wochenlang besetzt. Die Briten geben die Insel frei

1950 Landschenkungsbewegung in Indien: Vinoba Bhave erreichte Anfang der 1950er Jahre eine freiwillige Umverteilung großer Landmengen an die Ärmsten und die gesetzliche Aufhebung des Großgrundbesitzes

Seit 1950 Tibet: konsequent gewaltfreier, spiritueller Widerstand gegen chinesische Besetzung

Ab 1952 Sit-ins und Go-ins: Schwarze besuchen Orte die für Schwarze damals verboten waren, z.B. verbotene Amtsgebäude als Aktion für Rassengleichheit, 1952 in Südafrika, 1960 in den Buckinghampalast

1958 Beginn der Ostermarschbewegung

1958 Sahara: Wüstenfahrt stoppte geplanten Atombombentest

1958 Japan: Hafenarbeiter von Yokohama weigern sich, ein Schiff mit Schweizer Raketen zu entladen

1958 Schiffsfahrten im Südpazifik gegen Atombombentests

1959 Bootsfahrt des „Comitee for Nonviolent Action" in die Atomsperrzone im Südpazifik

Seit 1960 Landrechtsbewegung im Inselstaat Vanuatu: Landbesetzungen gegen den Landraub der französischen Kolonialherren. 1981: die Unabhängigkeitsbewegung verbietet einem atomwaffenbestückten Schiff das Anlegen

1965 Zehntausend Japaner besetzen ein Ackerland bei Tokio, das als US-Flugplatz für 11-Bomber vorgesehen ist

1970 Gründung von "Wahat al-Salam / Neve Shalom" – Dorfprojekt "Oase des Friedens" in Israel, in dem jüdische und palästinensische Jugendliche zusammenwohnen, mit Friedensschule, Begegnungsprogramm

1971 „Green ban": australische Arbeiter verhinderten durch organisierte Arbeitsverweigerung 42 umweltzerstörende Großbauprojekte, u.a. ein Atomkraftwerk bei Melbourne

1973 „Chipko"-Bewegung: Anfang des Jahrhunderts umarmten Inder*innen (hauptsächlich Frauen) Bäume, um sie vor dem Fällen zu bewahren - 1980er Jahre Wiederaufleben dieser Tradition

1977 Australien: Gewerkschafter stoppen Urantransporte, indem sie sich auf die Bahnschienen legen

1979 Iran: Sturz des Schahregimes im Wesentlichen durch unblutige Unruhen und Generalstreik

1981 Südpazifikinsel Belau: erste atomwaffenfreie Verfassung der Welt (US-Bestechungsgelder an die Bewohner, damit sie dagegen stimmten - die nahmen das Geld und stimmten trotzdem dafür...)
Der Bau der chinesischen Atombombe wurde jahrelang verhindert durch ein internationales Netzwerk für die atomtestgeschädigte Südsee-Bevölkerung

1985 Australien, Regenwaldabholzung: vor Baggern graben sich Umweltschützer bis zum Kopf in Erde ein

Indianischer Überlebenskampf gegen radioaktive Verseuchung, Vertreibung und Ausrottung hat vielfältige juristische, kulturelle und spirituelle Formen

1985 Neu-Kaledonien: Einwohner gehen unbewaffnet auf die Truppen der französischen Kolonialmacht zu, nehmen ihnen die Gewehre ab und zerbrechen sie über dem Knie

1986 Philippinen: der überraschende Sturz des Diktators Marcos wurde durch Einübung gewaltfreier Methoden und Aktionen vorbereitet

1986 Silent Valley in Kerala (Indien): Aktionen vieler engagierter Gruppen bewahrten 1000 ha tropischen Wald vor Vernichtung durch einen Staudamm

1986 Ostindien: bei Baliapal sperrt die Bevölkerung ihr Gebiet für Regierungsvertreter, damit es nicht zum 'Nationalen Testgelände für Raketen' wird. Sie hält den Regierungschef 10 Stunden fest; fängt einen Offizier, der vom Meer her eindringen will, und versucht, einen eigenen Staat mit Selbstversorgung aufzubauen

1987 Aktion „Schwarze Flut": Die Bewohner Neu-Kaledoniens besetzen ihren eigenen Strand, der bis dahin Weißen vorbehalten war

Grönland: sogar im „ewigen Eis" gewaltfreie Aktionen gegen Naturzerstörung - z.B. Hundeschlittenblockade...

In Tasmanien wurde ein landschaftszerstörendes Wasserkraftwerk verhindert

1991 Madagaskar wird durch CODAG und 'Forces vives' von Diktatur befreit

Trotz der Apartheid und Kämpfen in Südafrika bildete sich eine Lebensgemeinschaft von Schwarzen und Weißen: die „Broken Wall Community"

1991 Burkina Faso: erste freie Wahlen und Entmachtung des Militärregimes
62 Völkerschaften in Burkina Faso leben friedlich zusammen durch traditionelle Methode „Rakiiere" (scherzhaftes Schimpfen)

1994 Ende der Apartheid in Südafrika (Nelson Mandela)

1996 Stopp der Atomtests im Mururoa-Atoll durch Greenpeace

Sammlung von Ereignissen in Deutschland
Sammlung von Ereignissen in Europa
Sammlung von Ereignissen in Nordamerika
Sammlung von Ereignissen in Lateinamerika

Freitag

Nonviolence Works! - Original brochure from 2010

In 2010 the brochure "Nonviolence Works!" was published by a collaboration from the english branches of:

Baptist Peace Fellowship
Fellowship of Reconciliation
Pax Christi

You can find a german translation - here
Hier findet man die deutsche Übersetzung







Kleine Wahrheitserfahrungen in der Armee

Jean-Baptiste Libouban:

In den Jahren 1958-59 mußte ich aufgrund gesetzlicher Verpflichtung einige Monate in den Reihen der französischen Armee verbringen, während der Algerienkrieg tobte.
Kriegsdienstverweigerung war zu dieser Zeit in Frankreich nicht anerkannt. Ich konnte, nicht ohne Kampf übrigens, einen Status als Sanitäter ohne Waffe bekommen. Diese Monate in der Armee waren sicherlich die reichsten meines Lebens an gewaltfreien Abenteuern. Es war ein idealer Ort zur Erprobung der Kraft der Wahrheit, des Widerstands gegen die täglichen Ungerechtigkeiten, die in dieser Art von Institution häufig vorkamen. Ich versuchte die Kraft des Nein, aber auch die Kraft des Ja, die ganz genauso wichtig ist. Kaum verging eine Woche, in der ich nicht konfrontiert wurde mit Situationen, die es mir einbrachten, auch Militärgefängnisse kennenzulernen, unter anderem das der Kaserne von Reutlingen, wo ich im Sommer 1958 einige Tage verbrachte.

Ich fand Freude daran, Mißbräuche anzuzeigen und diejenigen solidarisch zu unterstützen, die man verfolgte oder bestrafte aus dem einzigen Grund, damit die große Maschine des passiven Gehorsams zur Demütigung laufen konnte. Vor allem seit der Zeit, als ich Sanitäter wurde, und besonders in Algerien stellte ich mich zum Dienen ein und darauf, meine Zeit zu geben ohne zu rechnen, um die Kranken zu pflegen. Außerdem gibt es nichts Befriedigenderes als gute Arbeit zu leisten.
Diese Kraft des Ja wird in der Armee genauso wenig praktiziert wie die andere (d.h. die Kraft des Nein). Die Militärpflicht war nicht nach dem Geschmack meiner Kameraden. Einerseits, angesichts der Schikanen, versuchten sie sich ruhig zu verhalten, um ihre Lage nicht zu verschlimmern. Andererseits gehörte es - dazu passend - zum guten Ton, sich möglichst wenig zu kümmern und zu versuchen, sich gut Zeit zu gönnen. Dieser gängigen Trägheit begegnet die Armee im Allgemeinen mit Zwang und großen Abhandlungen über die Ehre, die Verteidigung der Interessen der Nation und das Pflichtbewußtsein.

Ich verhielt mich also dauernd im Gegensatz sowohl zu den Militärs, als auch zu den Kameraden. Wegen der Arche und der Gewaltfreiheit hatte meine Haltung direkten Zugriff auf die Ereignisse, und zwar ohne jede Rede gegen den Militarismus oder den Kolonialismus. Auf diese Weise kam die Kraft der Wahrheit ins Spiel, weil ich zum Wesentlichen kam.
In den letzten sechs Monaten meiner Zeit in Algerien, angesichts meiner Aktivität im Krankenhaus, bot mir die Armee eine Ausbildung als Unteroffizier des Sanitätscorps an. Als ich dies zurückwies, schlugen sie mir vor, wenigstens Soldat erster Klasse zu werden. Die Armee hielt uns zu dieser Zeit über die gesetzlich verpflichtende Zeit hinaus unter den Fahnen, um eine bedeutende Truppe in Algerien halten zu können. Nach dieser gesetzlichen Verpflichtungszeit bekamen wir den gleichen Sold wie die Freiwilligen; im Dienstgrad aufzusteigen bedeutete also sicher zu sein, eine bedeutende Geldsumme zu bekommen - kein Vergleich zu dem, was ein einfacher Soldat erhielt.
Zu ihrem großen Bedauern hatte ich keine andere Antwort, als ihnen lächelnd zu sagen, daß ich ihr Gefangener sei. Es war mir daher unmöglich, die Ehre und die Vorteile, die sie mir als Anerkennung meiner Dienste anboten, anzunehmen.

Dabei hätte es bleiben können. Aber so kam es nicht. Zu meiner großen Überraschung kündigten sie mir einen Monat vor dem Ende meiner Zeit an, sie gewährten mir einen Monat Erholung am Meer. Außerdem strichen sie die Monate Zusatzdienst, die ich wegen meiner Zeit im Gefängnis hätte anhängen müssen, weil sie nicht als Dienstzeit gerechnet wurden.
Hier, in diesen kleinen Aktionen habe ich die Kraft der Wahrheit begriffen. Unter der Offiziersmütze existiert ein Mensch, der eine Haltung als gerecht und wahr verstehen kann - viel mehr als man zu glauben geneigt ist. Es war übrigens nicht der einzige Fall dieser Art, den ich traf während jener Zeit, die ich in der französischen Armee verbrachte.

Bergarbeiterfrauen in Bolivien: “Befreiung aller Gefangenen!”

Nach sieben Jahren Militärdiktatur versprach am 22. Dezember 1977 Boliviens Präsident General Banzer anlässlich bevorstehender Wahlen eine Generalamnestie für politische Gefangene. Von dieser aber wurden 348 ausgeschlossen.
Aus der Zinnminenstadt Llallagua kamen am 28. Dezember vier Bergarbeiterfrauen, deren Männer von der Amnestie ausgeschlossen waren, mit ihren insgesamt 14 Kindern in die Hauptstadt La Paz, entschlossen, für die Freiheit der Gefangenen in einen unbefristeten Hungerstreik zu treten. Ihre vier Forderungen: Generalamnestie ohne Einschränkung; Wiederaufnahme aller entlassenen, gefangenen oder exilierten Bergarbeiter in ihre früheren Arbeitsstellen; Rückkehr aller Exilierten (ca. 17000 Personen) und Aufhebung der Besetzung der Bergbauzonen durch die Armee.

Nach Abweisung von der “Permanenten Versammlung für die Menschenrechte”, die eine derartige Aktion für unwirksam hielt, wurden sie im Haus des Erzbischofs Mons. Manrique aufgenommen. Drei Tage später schließen sich zwei weitere Gruppen von elf Personen dem Fasten an, das sie in einer Kirche und am Sitz der unabhängigen katholischen Zeitung “Presencia” durchführen. Solidaritätserklärungen kommen am selben Tag von der Gewerkschaftsföderation der Bergleute, der Frauen-Union Boliviens, dem Interfakultären Komitee der UMSA, der katholischen Kirche und der Permanenten Versammlung für die Menschenrechte. Diese lösen eine Welle der Zustimmung über das ganze Land aus.
Beauftragte der Ministerien suchen die Frauen auf und versprechen, “ihre Fälle” zu revidieren. Die Frauen bestehen dagegen auf der Erfüllung aller Forderungen, da es ihnen nicht nur um die eigenen Familien gehe.

In vielen Städten entstehen Unterstützungskampagnen, am 10. Tag fasten allein in La Paz 300 Personen mit, die meisten im Lande fasten in Kirchen. Universitäten, Betriebe und Minen streiken für kürzere oder längere Zeit, um ihre Solidarität auszudrücken. Expräsident Salinas, der mitfastet, leitet ein neu gebildetes Verhandlungskomitee. Die Regierung weist jedes Verhandlungsangebot zurück, bezichtigt die Streikenden der Subversivität und organisiert Gegendemonstrationen. Wegen der anhaltenden Solidaritätskundgebungen versucht General Banzer über den Erzbischof einen Kompromiss durchzusetzen, der aber von den Fastenden zurückgewiesen wird. Um die Koordinierung des Widerstandes zu behindern, organisiert daraufhin die Regierung über von ihr beauftragte Gewerkschaftskoordinatoren einen Streik, der den Verkehr lahm legt.
Schließlich kommt es doch zu Verhandlungen. Die Regierung bricht diese am Abend des 20. Fastentages ab.

In den frühen Morgenstunden des 21. Tages (17. Januar 1978) besetzt die Polizei viele Orte, an denen sich Fastende aufhalten, außer dem Haus des Erzbischofs, und führt sie z.T. in Krankenhäuser, z.T. in Polizeistationen ab. Das ruft Empörung hervor, immer mehr Menschen solidarisieren sich: 1200 Personen fasten. Der Erzbischof protestiert gegen die Übergriffe gegen die Kirche, exkommuniziert die dafür Verantwortlichen und kündigt gemeinsam mit anderen Bischöfen des Landes eine dreitägige Schließung aller Kirchen an, auch ein Sonntag ist davon betroffen. Gegen Abend ist die Regierung zur Fortsetzung der Verhandlungen bereit, um 23 Uhr wird ein Abkommen erzielt, das alle Forderungen der Fastenden erfüllt, um 23.30 Uhr wird das Fasten beendet, die große Mehrheit der Gefangenen und Verhafteten wird sofort entlassen und die erkämpften Rechte Schritt für Schritt verwirklicht.

(Nach: Hildegard Goss-Mayr [Hrsg.]: Geschenk der Armen an die Reichen. Zeugnisse aus dem gewaltfreien Kampf der erneuerten Kirche in Lateinamerika. Wien, 2. Auflage 1980, S. 123 - 126)

„Was habe ich dir getan?“ - Der Mann mir der Pistole

Er fuchtelte mit der Pistole „Was willst du von mir?“
Am 6. Mai 2001 traf ich im Zug zwischen Hamburg und Essen einen jungen Mann, etwa Mitte 20, einen Russen. Wir kamen ins Gespräch. Ich erzählte ihm von der Gütekraft, auch einige Beispiele gütekräftigen Verhaltens. Daraufhin erzählte er mir das folgende Erlebnis. Er schrieb es auf meine Bitte hin auf Russisch auf und wir übersetzten es gemeinsam. Er nannte mir seinen Namen, will diesen aber nicht erwähnt wissen.

„Ich war mit einem Freund in einer Kneipe. Es war mein erster Barbesuch in Deutschland. Wir hatten nicht vor, lange zu bleiben. Wir hatten nichts zu tun.
Wir gingen in die Bar. Sahen einige Leute, die da saßen und tranken. Manche von ihnen unterhielten sich mit dem Barkeeper, der auch aktiv mittrank. Ich weiß nicht, wie viel der Barkeeper getrunken hatte, bevor wir kamen, aber mit uns zusammen trank er sehr viel.
Zugleich machte dieser Mann eine Show hinter der Bar. Er zerbrach Gläser und ging barfuß über die Scherben. Natürlich verletzte er sich. Als wir schon fast Freunde waren, zog er eine Pistole und richtete sie gegen mich, vor meine Stirn. Ehrlich gesagt, dachte ich in diesem Moment nicht, dass die Pistole echt wäre. Für mich war einfach spannend, was er von mir wollte.
Nun begann dieser Barkeeper, mir von seinem Leben zu klagen und er beschuldigte mich, dass „meine Organisation“ ihn verfolge. Er erzählte so sicher, wie er für nichts und wieder nichts in Polen verwundet worden war. Und sagte, dass er mit dem Zweiten Weltkrieg nichts zu tun hätte, dass er sich nicht schuldig fühlen könne für das, was seine Eltern getan haben. Jede dieser Tiraden beendete er mit zwei Fragen: „Was habe ich dir getan?“ und „Was willst du von mir?“ Und dabei fuchtelte er mit der Pistole herum. Auf beide Fragen antwortete ich natürlich: „Nichts.“
Schließlich blieb mir nichts anderes übrig als ihn völlig betrunken zu machen, bis er in der Verfassung war: „Du bist mein bester Freund!“ Er gab mir die Pistole. Sie war echt. Ich brachte sie in Sicherheit. Später kam die Polizei, weil sich Menschen beschwert hatten, dass es zu laut wäre. Dann verließ ich mit meinem Freund schleunigst das Lokal.“

Martin Arnold

„Gütekraft und Glauben“ - Bericht über ein Gruppengespräch

„Gütekraft und Glauben“
Bericht über ein Gruppengespräch von Quäkern nach Gütekraft-Referat von Martin Arnold
Langenburg, im Mai 2000

Zunächst gingen wir auf das Impulsreferat von Martin Arnold ein, in dem jeder aussprach, was ihm persönlich aus diesem Referat bemerkenswert war. Hier einige Gedanken aus dieser Gesprächsrunde:
- Die Menschheit steckt große Anstrengungen in Konflikte und deren meist mit Gewalt verbundenen Lösungen. Wir sollten lieber unsere Kraft darauf verwenden zu erforschen, wie wir durch gewaltfreie Aktionen solchen Konflikten begegnen können, ja sie erst gar nicht entstehen.
- Zwischen den Konfliktpartnern kann eine Beziehung hergestellt werden, mit Martin Bubers Worten ausgedrückt ein „Zwischenmensch“ entstehen.
- Vorraussetzung für eine gütekräftige Konfliktlösung ist eine Haltung, die positive Energie beinhaltet, die uns fähig macht, mitzutragen, mitzuleiden, Risiko auf sich zu nehmen. Das daraus resultierende Verhalten hat eine verändernde Kraft auch ohne Garantie auf Erfolg
- Diese grundlegende Haltung ist nicht ohne Gewissen oder Glauben möglich; ein Glaube, zu wissen, nicht allein zu sein, daß etwas da, in uns ist, das wahr und richtig ist, alles weiß und uns spüren läßt, ob man richtig handelt.
- Diese Haltung bewahrt vor lähmender Angst, macht uns fähig mit Kreativität und Phantasie weitere Möglichkeiten zu finden für einen überraschenden Ausweg aus der Konfliktsituation. Das Wissen „es gibt immer noch eine andere Möglichkeit“ hilft!
- Gütekräftiges Handeln ist keine Ausnahme, sondern eine permanente Möglichkeit im Alltag dem Anderen zu begegnen.
- Letztendlich bleibt aber der Erfolg den Anderen mit meiner Gütekraft zu erreichen ein Geschenk – „der Geist weht wo er will“.

Schon in diesem ersten Gesprächsabschnitt wurde uns deutlich, wie vielschichtig wir den für uns zum größten Teil neuen Begriff „Gütekraft“ betrachteten.
Im Weiteren versuchten alle Teilnehmer bei sich nachzuspüren, ob es Erlebnisse gab, in denen „Gütekraft“ zugegen war:
- Eine Freundin berichtete:“ Wenn ich aus dem Meeting kam, waren alle so nett zu mir. Ich erkannte, es waren nicht die Anderen, sondern ich hatte aus dem Meeting etwas mitnehmen können, das den Anderen in einer besonderen Weise ansprach, ohne daß ich mich besonders anstrengen mußte. Es ist eine „himmlische Gütekraft“ oder auch „göttliche Kraft“ die unzerstörbar ist, im Gegensatz zur berechnenden „äußeren Kraft“ (=unsere Zivilisation)“
Auch wenn unserer Meinung nach gütekräftiges Handeln zugegen war, bleibt eine für uns positive Konfliktlösung ein Geschenk und an den folgenden Beispielen mit „Nicht-Erfolg“ haben wir viele Aspekte der Gütekraft herausarbeiten können.
- Eine wirklich ehrlich gemeinte Bitte um Verzeihung wurde nicht angenommen sondern niederschmetternd, ja verletzend abgewehrt.
- Einer anderen Freundin blieb der Zugang zur Konfliktpartnerin, trotz mehrerer Bemühungen, zunächst gänzlich verwehrt.
Dazu kamen uns folgende Gedanken:
- Jemandem verzeihen können heißt nicht, daß der Andere die Verzeihung auch annehmen kann.
- Wir müssen Geduld haben, „den Geist wehen lassen“, der Erfolg ist ein Geschenk und nicht programmierbar
- Wir können versuchen uns zurückzunehmen, uns auf eine „andere Stufe zu stellen“, das heißt versuchen eine andere Möglichkeit zu finden, bzw. dem Anderen auf einer anderen Ebene begegnen.
- Wir müssen lernen den Anderen in seiner Wahrheit erst einmal anzunehmen
- Güte kraft läßt sich mit reiner, unberechnender Liebe beschreiben, die spontan und gewaltlos ist und durch mich wirken kann
In unserem Gespräch wurde auch klar, daß es gerade kleine, oft im Verborgenen bleibende, Handlungen sind, die von Gütekraft Beispiel geben:
- ein verschenkter Fahrschein, der zu einem unerwarteten Augenleuchten bei der beschenkten Obdachlosen führte
- eine positive, offene Einstellung und ein freundliches Begegnen meines Gegenübers von dem ich weiß, daß er wütend auf mich ist, nimmt ihm den Wind aus den Segeln und gibt ihm die Möglichkeit mir ohne Abwehr zu begegnen.
- Kinder sind direkt und klar und handeln noch spontan gütekräftig

Das eigentliche Thema der Gesprächsrunde streiften wir immer wieder und gingen dann konkret darauf ein mit den Fragen einer Freundin: “Wie kann ich einen Gott ertragen, der einen Holocaust zuläßt?, der soviel Gewalt zuläßt?- wird „Glauben“ dadurch nicht fragwürdig?“
Zusammenfassend lassen sich unsere Überlegungen wie folgt darstellen: Wir haben die Freiheit der Entscheidung bekommen und müssen mit allen Konsequenzen leben, dürfen Gott aber nicht dafür verantwortlich machen. „Das von Gott“ ist im Opfer und im Täter, aber nicht automatisch in jedem lebendig.
Wenn wir die Kraft in uns wirken lassen, kann „Gutes heraufkommen“ und wird „Schlechtes heruntergedrückt“. Diese Kraft ist immer wieder neu erfahrbar, läßt uns Eins-Sein mit der Quelle und gibt uns ein Vertrauen des Getragenseins; das bedarf keiner bestimmten Religion.
Aus diesem Vertrauen, aus dieser Liebe, die ich erfahren habe, kann ich gütekräftiges Handeln entwickeln und ich empfinde bei der Rückbesinnung auf diese Geborgenheit ein großes Maß an Dankbarkeit. Auch wenn ich mich der Quelle nur annähern kann, sie nicht beim Namen nennen kann, gibt mir dieses Bewußtsein seine große Kraft. Kraft für reine und spontane Liebe zu meinem Nächsten, wie auch zu mir. Diese Liebe ist ohne Besitzansprüche und ohne Kopfbeteiligung sondern ganz aus der Quelle genähft. Tägliche Besinnung, Andacht und Meditation kann wie eine „Ladestation unserer Batterie“ sein, die Liebe und Gütekraft spendet.

Charlotte Haake (Quäkergruppe Stuttgart)