Kürzlich erinnerte sich eine ca. fünfzig-jährige Lehrerin daran, daß sie ganz am Anfang ihrer Tätigkeit an der Schule sich plötzlich einer tödlichen Bedrohung gegenüber gesehen hatte. Folgendes war geschehen:
Die Lehrerin hatte der Mutter einer lernschwachen Schülerin empfohlen, diese in eine Sonderschule versetzen zu lassen. Die Mutter war auch damit einverstanden, denn sie selbst und auch ihr Mann hatten die Sonderschule besucht.
Ohne daß die Lehrerin dies ahnen konnte, fühlte sich jedoch der Vater des Kindes von diesem Vorschlag gekränkt. Also trank er sich Mut an und platzte am nächsten Tag mitten in den Unterricht. Mit erhobenem Messer stürzte er auf die Lehrerin zu. Die Kinder waren schreckensstarr; die Lehrerin eigentlich nicht minder, aber sie wandte sich doch dem Mann zu und fragte ihn äußerlich ruhig und geschäftsmäßig: "Wollen Sie hier hospitieren?"
Sogleich ließ der Angreifer das Messer sinken. Er hatte sicher mit einer erschreckten Reaktion der Lehrerin gerechnet, aber nicht mit dieser verwirrenden Frage. Vielleicht wußte er auch nicht genau, was mit "hospitieren" gemeint war. Jedenfalls schloß er aus den Gesten der Lehrerin, daß ihm eine positive Rolle zugedacht wurde. So folgte er einfach ihrer Empfehlung: "Nehmen Sie bitte hinten Platz!" Er setzte sich in die letzte Reihe und hörte die ganze Stunde mit an, wie die Lehrerin - innerlich immer noch zitternd - das Märchen weiter besprach, das sie gerade zu lesen begonnen hatte.
(Quelle: -bg-)
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