Donnerstag

Ein Amerikaner wurde nicht mit dem Bajonett aufgespießt

Vielleicht kann ein Tier nicht bereuen. Aber ein menschliches Wesen kann das. Das ist unser einziges Privileg. Und es ist der sicherste Tipp, wenn wir einander nicht von der Erdoberfläche vertilgen wollen. Reue ist keine Reaktion in Worten auf eine aus Worten bestehende Situation. Es ist eine Sache der Umkehr des gesamten Menschen. Die Ergebnisse kann man nicht messen und wägen. Sie können weit führen, wenn jemand auf dem alten Weg, der falsch ist, umkehrt und wenn er alles aufs Spiel setzt, indem er die neue Richtung einschlägt, die die richtige ist. Einer meiner Freunde erzählt, wie ein Mitmensch in einer extremen Situation seine Menschlichkeit behauptete.

Es geschah während des Zweiten Weltkrieges. Mein Freund, ein „Teufelsflieger“, wie die Deutschen die amerikanischen Gefangenen nannten, lief in einer Gruppe amerikanischer Kriegsgefangener mit. Sie trabten verzweifelt in Richtung eines Gefangenenlagers, das, so hatte der deutsche Hauptmann gesagt, fast 30 km entfernt war. Der Hauptmann war von Hass erfüllt. Es hieß, dass seine engsten Angehörigen bei einem Bombenangriff der Amerikaner getötet worden seien. Nun hatte er befohlen, dass jeder Amerikaner, der stolperte und fiel – auch wenn das am zu schnellen Schritt lag - mit dem Bajonett getötet werden sollte.

Mein Freund Jeff wäre fast gefallen, aber ein junger Soldat, der das beobachtet hatte, hielt ihn aufrecht, als der Hauptmann gerade nicht hinsah, und flüsterte ihm ins Ohr: „Not far, not far.“ Ein Amerikaner verlor, nur ein paar Schritte von ihnen entfernt, das Gleichgewicht.
„Erstich den Mann mit dem Bajonett“, schrie der Hauptmann den jungen Soldaten neben Jeff an. Der Soldat, dem das befohlen worden war, ließ sein Gewehr über der Schulter hängen. Hatte er nicht gehört? „Erstich den Mann!“ Diesmal schrie der Hauptmann.

Die Arme des Soldaten und sein fester Wille arbeiteten mit plötzlicher Entschlossenheit. Er konnte frei handeln, gehorchte nicht mehr der Routine von Befehl und Gehorsam. Er handelte aus seinem wahren Inneren, zog das Bajonett aus seinem Gewehr, steckte es in die Scheide am Gürtel, schwieg und bewegte sich nicht mehr. Er sah seinem Hauptmann in die Augen.
Der Hauptmann war so wütend, dass er ihn immer wieder ins Gesicht schlug. Der Soldat stand einfach da. Wahrscheinlich würde er das später mit dem Leben bezahlen.

Es war, als hätte sein Gewissen auf dem Boden vor ihm eine Linie gezogen, die er um nichts in der Welt überschritten hätte. Er würde keinen Schritt weiter in die falsche Richtung gehen. Davor hatte er seinen Willen den Kriegsgewohnheiten unterworfen. Das hatte er nun hinter sich. Er würde sich nicht mehr drängen lassen. Er war ein Mann und seine Integrität war entschieden. Vielleicht sind ihm die Worte nicht eingefallen, aber er drückte die Bedeutung, die hinter den Worten steht, in seinem Handeln aus: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können“ (Mt 10,28).

Aus dem Buch: 
Instead of cowardice or hate
COURAGE IN BOTH HANDS
Dramatic stories of real men and women who accomplished more than they believed they could
Allan A. Hunter
Copyright © 1962 by Allan A. Hunter Printed in the United States of America
BALLANTINE BOOKS, INC.
101 Fifth Avenue New York 3, N. Y.

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