Am 20. Dezember 1950 fuhren die Studenten Georg von Hatzfeld und René Leudesdorff mit einem Fischerboot in Begleitung zweier Journalisten auf die Insel Helgoland. Deren Bewohner waren aufs Festland geflohen. Denn das Eiland wurde, obwohl völkerrechtlich auch nach dem verlorenen Krieg zum deutschen Staatsgebiet gehörig, seit Jahren von britischen Militärs als Bombentestgebiet missbraucht; dies hatte bereits zu öffentlicher Kritik geführt.
Die Angekommenen wurden vom Kapitän des britischen Wachbootes "Royal Eileen" zum Verlassen der Insel aufgefordert, weil bald wieder bombardiert werden könne. Die Journalisten fuhren zurück, die Studenten nicht. Das Boulevardblatt ”Abendpost” und die ”ZEIT” verbreiteten - wie abgesprochen - die Nachricht sofort: "Friedlicher ,Handstreich' gegen die Insel Helgoland". Der Ort, wo Hoffmann von Fallersleben am 26. August 1841 das Deutschlandlied gedichtet hatte, sah, zerbombt, aus ”wie nach dem Weltuntergang”.
Um den Ärger mit den Besetzern loszuwerden, baten die Engländer auch Deutschland um Hilfe. Doch sofort leisteten auch andere Widerstand. Die Wasserschutzpolizei Cuxhaven verwies darauf, dass Helgoland zu Schleswig-Holstein gehöre und sie daher nicht zuständig sei, der schleswig-holsteinische Innenminister ”bedauerte”, dass ihm keine Schiffe zur Verfügung stünden, und ein deutscher Kommandant mit deutscher Mannschaft auf einem Schiff unter englischer Flagge verweigerte den Gehorsam mit der Begründung: "Ich habe in Nürnberg gelernt, dass man Befehlen nur dann gehorchen soll, wenn man sie mit seinem Gewissen vereinbaren kann." (Die Androhung der Entlassung konnte weder ihn noch die Mannschaft überzeugen. Im Militärgerichtsverfahren zunächst suspendiert, wurde er später freigesprochen.)
Zwei Tage später brachten Journalisten die Warnung vor einem Sturmtief, das die Verbindung zur Insel möglicherweise für Wochen in Frage stellte: die Studenten verließen die Insel. Als sie am 27. Dezember mit Verstärkung heimlich zurückkehrten, war bereits ein Helgoländer dort, die Aktion zu unterstützen. Andere folgten, auch aus dem Ausland, die Sache bekam Fahrt: Glückwunschpost, Lebensmittel und Decken wurden gebracht. Ein Landrat rief die Bauern seines Landkreises auf, Lebensmittel für die nächste "Invasion" zu spenden. Silvester feierten auf Helgoland 20 Personen.
Die Briten verboten in einem Sondergesetz das Betreten der Insel. Als die Invasoren am 3. Januar von deutscher Polizei abgeholt werden sollten, entschieden sie sich mehrheitlich, um den Briten zu ermöglichen, das Gesicht zu wahren, "sich der Gewalt zu beugen”, und zogen ”unter Protest” ab. Am Pier stellte sich eine Truppe der deutschen Polizei auf. Unter der wehenden Europaflagge danken die Polizisten der völlig überraschten Gruppe: "Wir grüßen die tapfere Besatzung der Insel Helgoland! Wir danken ihr für ihren wochenlangen Einsatz im Interesse des Heimatrechts der Helgoländer und der Rückkehr des Felseneilands zum deut-schen Vaterland in einem geeinten Europa".
Als die Bombardierungen fortgesetzt wurden, gründeten am 8. Februar 1951 Invasoren die "Aktion Helgoland e.V.". Am 13. Februar richtete der Bundestag die Bitte an das britische Unterhaus, "einen Ölzweig des Friedens nach Deutschland" zu reichen. "Bomben auf Helgoland sind Bomben auf deutsches Land und das deutsche Volk". Am 21. Februar entschied der Verteidigungsausschuss des britischen Kabinetts, Helgoland als Bombenziel aufzugeben. Bundeskanzler Konrad Adenauer und der britische Premierminister Clement Attlee besiegelten die Erklärung fünf Tage später. Nach einem weiteren Jahr mit Bombardierungen und Besetzungen wurde Helgoland ab dem 1. März 1952 offiziell der deutschen Verwaltung überlassen.
Gesprochene Version auf : https://www.youtube.com/watch?v=_TGxCqc3O4w
Quellen:
- Leudesdorff, René (1987): Wir befreiten Helgoland Husum.
- Szezinowski, Herbert (1985): Friedenskampf um Helgoland Frankfurt am Main
- Heidelberger Profile [Universität Heidelberg]: "Indianerspiel" auf der Insel. Zwei Heidelberger Studis übten 1950 passiven Widerstand. [darin Bericht von Interview mit Hatzfeld] http://ruprecht.fsk.uni-heidelberg.de/ausgaben/49/ru04.htm
- Eva Quitt: Zwei Heidelberger Studenten erobern nicht nur Helgoland, sondern auch die Herzen der deutschen Bevölkerung. In einem historischen Krimi besetzen die jungen Menschen die Insel und ebnen so den Weg für eine Aussöhnung zwischen Deutschland und England. in: Mannheimer Morgen vom 20.12.2001
- Karsten Plog: Kleine Heimat im Meer: Vor fünfzig Jahren konnten die Helgoländer zurück auf ihre Insel, die den Briten als Bombenziel gedient hatte. in: Frankfurter Rundschau 27.02.2002
- weitere Medienberichte; persönliche Berichte von ”Helgoland-Besetzer” Hans Rondi, Essen
Quellen:
- Leudesdorff, René (1987): Wir befreiten Helgoland Husum.
- Szezinowski, Herbert (1985): Friedenskampf um Helgoland Frankfurt am Main
- Heidelberger Profile [Universität Heidelberg]: "Indianerspiel" auf der Insel. Zwei Heidelberger Studis übten 1950 passiven Widerstand. [darin Bericht von Interview mit Hatzfeld] http://ruprecht.fsk.uni-heidelberg.de/ausgaben/49/ru04.htm
- Eva Quitt: Zwei Heidelberger Studenten erobern nicht nur Helgoland, sondern auch die Herzen der deutschen Bevölkerung. In einem historischen Krimi besetzen die jungen Menschen die Insel und ebnen so den Weg für eine Aussöhnung zwischen Deutschland und England. in: Mannheimer Morgen vom 20.12.2001
- Karsten Plog: Kleine Heimat im Meer: Vor fünfzig Jahren konnten die Helgoländer zurück auf ihre Insel, die den Briten als Bombenziel gedient hatte. in: Frankfurter Rundschau 27.02.2002
- weitere Medienberichte; persönliche Berichte von ”Helgoland-Besetzer” Hans Rondi, Essen
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