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Samstag

"Was passiert, wenn... ?"

  Wir hatten einen Überfall durch faschistoide Typen, und die Reaktionen der Frauen waren sehr unterschiedlich, von Sich-schüchtern-zurückziehen und Angst bis zur Bereitschaft zur energischen, notfalls handgreiflichen Gegenwehr, dazwischen bloßes Zuschauen oder auch Vermitteln-wollen. Bei der ersten Diskussion darum stellten sich starke Verunsicherungen der Frauen untereinander durch diese Gegensätzlichkeiten heraus; so hatten nicht nur die Schüchternen Angst, in eine Knüppelorgie hineingezogen zu werden, sondern auch die Kämpferischen hatten Angst, daß die anderen Frauen ihnen bei einer effektiven Gegenwehr in den Rücken fallen könnten... Wir haben gemerkt: so geht das nicht - daß die Angst voreinander wichtiger wird als die gemeinsame Bedrohung.
  So haben wir erst einmal - buchstäblich Tag und Nacht, denn die "Faschos" hatten gedroht, wiederzukommen und dann massiv zu werden - in Kleingruppen miteinander diskutiert und diese Ängste auf den Tisch gebracht. Wichtig war dabei von der Struktur her, daß die Kleingruppen jeweils aus Frauen der unterschiedlichen Haltungen zusammengesetzt waren. Grundlegend war auch, daß nicht aus der Situation allein heraus entschieden wurde, sondern von dem persönlichen Hintergrund her: Dadurch, daß sich die Frauen ihre jeweiligen Lebensgeschichten mitteilten und voneinander erfuhren, erarbeiteten sie eine Verständnisbasis für ihre verschiedenen Reaktionsweisen. Das ist ein Unterschied zu allen Entscheidungssituationen, die ich sonst kenne. Von diesem Hintergrund aus konnten die Frauen akzeptieren, daß sie verschiedene Formen haben, sich zu verteidigen.
  Daraus haben wir dann eine gemeinsame Strategie entwickelt. Also weder einen Einheitsplan, noch eine Bildung von "Blöcken", wie sonst üblich. Sondern ein gemeinsames Verteidigungskonzept, in dem die unterschiedlichen Verhaltensweisen ihren Platz hatten. Wo sich die verschiedenartigen Frauen - an ihrem Platz und auf ihre unterschiedliche Weise - unterstützten, Vertrauen hatten und gaben und sich bestärkten.
  Das haben wir dann im Rollenspiel geübt. Und zwar so, daß die Frauen, die die "Typen" spielten, uns voll signalisieren konnten, daß wir wirklich Kraft ausstrahlten. Als dann die Typen tatsächlich kamen zum Nachtüberfall, hat das alles funktioniert: Jede wußte, was sie zu tun hatte, die Geschlossenheit, die wir dadurch erzielten, hat die Angreifer abgehalten von ihrem Vorhaben und hat eine Prügelei verhindert.



(Quelle: Sonja Badura, Interview mit Birgit Berg, aus: Konsens, eine Broschüre, hrsg. von der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden, 1990, S.47)

Grund-Schule der Gewaltabwehr

  Die siebenjährige Angelika ist bisher "lupenrein gewaltfrei" erzogen worden. So ist es nicht weiter verwunderlich, daß sie beinahe einen Schock bekommt, als sie die ersten Wochen an der Schule ist: Prügeleien, brutale Spielszenen, Nachspielen von Fernsehkrimis und  Western u.a.m. Da sie nicht mitprügelt, wird sie schnell zur Außenseiterin. Doch als solche bekommt sie es nun erst recht ab; sie hat gleichzeitig blaue, rote, braune und gelbe Flecken, niemand spielt mit ihr, und schließlich will sie schon gar nicht mehr zur Schule gehen wegen der täglichen Prügel. Vor allem der Nachbarjunge, Ralf, lauert ihr schon auf dem Schulweg auf und haut besonders kräftig, auch auf den Kopf.
  Angelikas Mutter kauft ein Buch über Selbstverteidigung. Sie sucht die Übungen heraus, die leicht auszuführen und wirksam sind. Sie sollen den Angreifer dabei nicht ernsthaft gefährden, sondern sozusagen nur seine eigene Angriffswucht gegen ihn selbst oder ins Leere lenken. Diese übt sie mit ihrer Tochter zusammen ein. Beide haben Spaß dabei und fühlen sich stärker.
  Ein paar Tage später kommt Angelika strahlend heim:
  "Ich hab's so gemacht, und der Ralf hat sich in 'ne Pfütze legen müssen!"
  Hinterher habe sich auch keiner von den anderen Raufbolden mehr an sie herangewagt.
Ein bißchen mulmig ist es der Mutter nur noch, weil sie daran denkt, daß nun der "Hereingelegte" Rache üben könnte. Aber am Nachmittag klingelt es an der Tür, es ist Ralf:
  "Derf i mit der Angelika spiele?"...



(Quelle: -bg-)

Meine Welt

  Eine junge Frau erzählt eine Erfahrung, über die sie selbst später noch überrascht war:
  Sie ging allein durch eine von Bäumen beschattete Straße nach Hause, als sie von einem Jugendlichen mit einem Messer angehalten wurde. Es war sorgfältig schwarz angemalt, um das Blinken von Lichtstrahlen zu verhindern. Dies war also kein unerfahrener Räuber. Aber als er sie festhielt und ihr Portemonnaie forderte, sagte sie einfach:
  "Du kannst mich hier nicht belästigen! Das ist meine Wohngegend!"
  Sie war in ihrem Gerechtigkeitsgefühl angegriffen. Sie lebte in einer Welt, in die der Angreifer nicht hineinkonnte. Und ihre Sätze hatten gewirkt. Ohne daß etwas in der Umgebung den Angreifer von körperlicher Gewalt abhielt, drehte er sich um und rannte weg.



(Quelle: ebda., S.30)

Ein Angebot

Ein Mann - der sagt, er habe seine Lebensweise verändert, um Menschen höher als Besitz zu würdigen.
An einem Tag kam er aus dem Busbahnhof, wo ein bewaffneter Räuber auf ihn traf. Doch der Mann ignorierte den Revolver und das Gemurmel und machte auf besorgt:
"Es ist kalt. Warum nimmst Du nicht meine Jacke?"
Als der bewaffnete Mann unbeholfen reagierte, sagte der andere wie selbstverständlich:
"Ich wollte gerade etwas essen gehen, kommst du mit?"
Er bot dem Angreifer sogar Geld an.
Dieser aber lehnte ab und verschwand.



(Quelle: Han Horstink, s.o.2., S.29)

Manchmal braucht es Vertrauen

Eines abends im Jahre 1982 wollten zwei ganz normale junge Frauen in Philadelphia ihre Miete bezahlen gehen. Sie hatten weder eine Handtasche noch einen Geldbeutel dabei. Nachdem sie die Miete bezahlt hatten, schlenderten sie wieder nach Hause - ohne einen einzigen Penny in der Tasche. Und es war ihnen anzusehen. Doch plötzlich stellte sich ihnen auf der dunklen und leeren Straße ein Mann in den Weg und hielt der ihm am nächsten stehenden ein Messer an die Kehle.
  "Ich will Geld. Ich habe kein Geld."
  So etwas geschieht heutzutage in den Straßen der Städte - der vor Schmerz fast verrückte Junkie, der an die Spritze will. Und wenn sein Versuch fehlschlägt, dann kann er nicht einfach ruhig wieder abziehen; mit Sicherheit würde sofort die Polizei alarmiert, die ihm mit heulenden Sirenen, Suchscheinwerfern und gezückten Revolvern nachjagte. Leuteüberfallen ist eben kein Geschäft, wo man sich von einer schlechten Aussicht abwenden kann, um gelassen einen lohnenderen Kunden zu suchen.
  Was sollten die beiden Frauen tun? Wenn eine floh, das erkannten sie gleich, dann würde die andere dem Messer zum Opfer fallen.
  "Ich will das eigentlich nicht tun", sagte der Junkie. "Es macht mir keinen Spass, Leuten weh zu tun. Aber manchmal muß ich einfach!"
  Das Messeer kam näher.
  "Und wenn es sein muß, mach' ich es jetzt. Wenn ich kein Geld kriege, muß ich jemandem weh tun."
  "Aber wir haben kein Geld!"
  "Ich muß aber Geld haben!"
  Sie fingen an, sich Alternativen für ihn zu überlegen. Aber keine war praktikabel.
  "Wenn ich kein Geld kriege, muß ich euch weh tun."
  "Paß auf", sagte die Kleinere, das Kinn über dem Messer. "Ich bleibe bei dir. Mary geht zurück in meine Wohnung und holt das Geld für dich."
  "Nein, auf keinen Fall. Sie ruft nur die Bullen an."
  "Nein, das tut sie nicht! Wirklich nicht! Ich bin doch hier. Sie ruft doch nicht die Bullen, wenn ich noch hier bin."
  Immer noch war die Straße menschenleer. Die drei befanden sich in einer dramatischen Lage. Das Messer war geschwärzt, um kein Licht zu spiegeln. In den jungen Frauen begann ein seltsames Verständnis zu wachsen. Er machte das wirklich nicht gerne. Es ging ihm tatsächlich schlecht. Er war unberechenbar. Außerdem hatte er mehr Angst als sie.
  "Paß auf, du kommst mit uns. Ich hab' ein bißchen Geld in meiner Wohnung. Komm mit."
  "Nein! Dein Mann ist in der Wohnung. Irgend ein Mann ist dort."
  Das Messer begann wieder zu drohen.
  "Es ist niemand dort. Ehrlich! Die Wohnung ist leer. Du mußt uns vertrauen. Los, wir gehen alle zusammen."
  "Es ist ein Trick."
  "Nein, es ist kein Trick."
  Gab er nach? Seine Lage war so unhaltbar wie ihre - noch unhaltbarer. Sie hatten einfach kein Geld bei sich, das sie ihm hier auf der Straße geben konnten. Er konnte drohen, wie er wollte, er konnte sie dadurch nicht zwingen, ihm etwas zu geben, was sie nicht hatten. Und wenn er sie verletzte, würde es auch nichts helfen. Er war in einer unmöglichen Lage, und diese schreckliche Ausweglosigkeit steigerte noch seine Verrücktheit und Frustration.
  "Vertrau uns doch!"
  Sie sprach ihn direkt an, von Person zu Person, sah ihm fest in die Augen - ein Mensch dem anderen.
  "Ich wohne gleich um die Ecke. Komm mit in meine Wohnung."
  Er wurde unsicher.
  "Es ist niemand da. Vertrau uns doch! Komm mit!"
  Langsam, das Messer bereithaltend, begann er, sich mit ihnen die dunkle Straße hinunter zu bewegen. Die junge Frau sprach normal und ruhig weiter.
  An der Außentür angekommen, zog er sie näher ans Messer heran.
  "Es ist gleich die Treppe hoch. Es ist niemand da. Vertrau uns nur!"
  In der Vorhalle. Die Treppe hoch. Den Schlüssel ins Schloß. Dann nahm die andere Frau den Platz unter dem Messer ein. Die kleinere ging in die Wohnung und suchte nach ihrem Geldbeutel. Zehn Dollar. Ein Zehn-Dollar-Schein - das war alles, was sie hatte. Sie rannte zurück zur Tür und gab es ihm.
  "Sonst hast du nichts?"
  Ein Gefühl plötzlichen Versinkens. Nach allem, was geschehen war, nach dem Anschein des Vertrauens, der scheinbaren Lösung ihrer Not - wollte er nach all dem noch mehr verlangen? Sie hatte nicht mehr Geld. Die Wohnungstür stand offen hinter ihr.
  "Das ist alles. Das ist wirklich alles."
  "Aber ich brauche doch nur fünf Dollar. Und ich hab' kein Wechselgeld."
  "Nimm es nur! Nimm es! Es stimmt schon."
  "Aber ich brauche doch nur fünf."
  Seine Hände zitterten und seine Stimme bebte.
  "Es ist in Ordnung. Nimm es! Nimm es!"
  Er sah auf den Geldschein hinunter, dann wieder in die Augen der jungen Frau.
  "Tschüß", sagte er. "Tschüß dann."
  Er stolperte die Stufen hinunter und hinaus in die Nacht.
  Die jungen Frauen plumpsten auf das Sofa, jetzt voller Angst, da sie nicht mehr unter Spannung standen.



(Quelle: Dorothy T.Samuel, Safe Passage on City Streets, 1975; mit freundlicher Genehmigung des Agape-Verlages (s.o.17.), S.88ff)

Bewaffneter Raubüberfall

Ira Sandperl war auf dem Heimweg von einem Meeting im Mission District von San Francisco, einem Stadtviertel, in dem die Mexikaner die Mehrheit stellen, deren Leben meist von Armut geprägt ist. Er hatte versucht, die Anwesenden dazu zu bewegen, sich selbst zu organisieren, um ihre Situation zu verbessern. Das Treffen war gut gelaufen; er hatte einige Menschen in Bewegung gebracht und am Schluß hatten sie sogar noch Geld gesammelt: Sechs Dollar waren zusammengekommen. Für die Menschen in diesem armen Viertel war das damals ein ganz ansehnlicher Geldbetrag. Den trug Ira Sandperl jetzt spät nachts glücklich in seiner Tasche mit nach Hause.
Plötzlich - in einer unbelebten Seitenstraße - steht vor ihm jemand, der eine Pistole auf ihn gerichtet hält und ihn auffordert: "Gib mir all Dein Geld!"
Ira entgegnet ziemlich unbeirrt: "Kann ich nicht. Ich habe nur sechs Dollar, und die muß ich für unser Projekt geben."
Und er beginnt sogleich, ein paar Worte hinzuzufügen, wofür das Geld bestimmt sei.
Der Straßenräuber unterbricht: "Einen Dreck interessiert mich das. Los, gib mir jetzt endlich Dein Geld."
Darauf Ira: "Ich mach dir einen Vorschlag: Ich geb dir die Hälfte."
Der Räuber: "Das hier ist keine Verhandlung, verdammt noch mal! Her damit, oder ich blas dich weg!!"

In diesem Augenblick fällt Ira Sandperl auf, daß der Mann, der ihn gerade bedroht, mager und hungrig aussieht. Ihm kommt plötzlich der Gedanke, daß der gewaltfreie Weg eine andere Herangehensweise verlangt - und damit gewissermaßen auch ein anderes "Drehbuch" in der Konfrontation mit diesem Menschen.
"Sag mal, wie lange hast du nichts mehr zu Essen gehabt?"
Sein Gegenüber antwortet jetzt: "Ist etwa zwei Tage her."
Darauf Ira: "Verdammt, ich kauf dir was zu essen. Komm schon, steh nicht rum. Wir gehn an der Ecke was essen."
Dabei macht Ira schon die ersten Schritte und gibt mit einer seinem Gegenüber zugewandten, auffordernden Bewegung zu verstehen, daß er darauf warte, mit ihm losgehen zu können, um dem Hunger des Fremden endlich Abhilfe schaffen zu können. Der Fremde geht tatsächlich mit und Ira spendiert ihm ein billiges Essen für 1,97 Dollar. (Zu dieser Zeit konnte man im ärmlichen Mission District für so wenig Geld noch ein richtiges Essen bekommen.)
Nachdem sein Gegenüber sich satt gegessen hatte, bietet Ira ihm 1,03 Dollar an. Der Fremde fragt:
"Was iat das?"
Ira: "Das ist der Rest von deinem Geld. Ich habe dir angeboten, daß wir fifty-fifty teilen, und möchte zu meinem Wort stehen."
Der Fremde lehnt das Geld nun ab: "Ich kann es nicht annehmen."



(Quelle: erzählt von Uwe Painke, Tübingen in seiner Arbeit: Selbstbestimmtes Handeln in Situationen personaler Gewalt (Hausarbeit zur Diplom-Vorprüfung) 1992, S. 18ff)

Im U-Bahn Tunnel

Ich kam gerade aus der U-Bahn und ging meinen Weg nach oben. Wie immer ein etwas längerer Tunnel, durch den die FußgängerInnen gehen müssen, um nach oben zu gelangen.
Ich komme an zwei Leuten vorbei: ein Mädchen und ein Mann bei ihr. Wie sie zueinander standen, war unklar. Doch mir war ein wenig mulmig. So drehte ich mich nach ca. 20 Metern nochmal um und schaute zurück. Das Mädchen wurde von dem Mann angesprochen, und noch war die Situation uneindeutig. Doch als ich blieb und eine Weile beobachtete, sah es nach Streit aus, und das Mädchen fing an zu schreien:  "Laß mich!".
Nun ging ich wieder zurück. Ich ging direkt auf die beiden zu und sagte zu dem Mann in meiner festen, klaren und lauten Art:  "Du läßt sie jetzt sofort los!"
Es war nicht aggressiv, nur äußerst deutlich.
Er zeigte einen harten Blick. Ich war mir nun selbst unsicher und meinte schon: Vielleicht holt er gleich ein Messer hervor. Doch ich hielt einfach seinem Blick stand. Dann ging ich wieder; und als ich mich noch einmal umdrehte, war auch er gegangen und hatte das Mädchen losgelassen. Es hatte also anscheinend etwas genützt.



(Quelle: Ute Delor, Freiburg)

Kleine Rettungsaktion

Sandweg am Abend: Ein Mann steigt aus einem Auto aus, läuft einer jungen Frau hinterher, versucht, sie mit sich zu ziehen.
Sie macht sich immer wieder los, wehrt ihn ab.
Eine andere Frau beobachtet die Auseinandersetzung, zögert, rennt den beiden dann nach.
Sie begrüßt die Belästigte wie eine alte Freundin und zieht sie in eine Kneipe.



(Quelle: Bericht in der Frankfurter Rundschau, 17./18.11.92 (Dorothee Beck))

Randale mit dem Beil

Von FreundInnen wurden wir zur Hilfe gerufen; sie wurden von einer Gruppe faschistoider Jugendlicher bedrängt. Und wir konnten zunächst noch ganz gut mit ihnen reden. Doch da fand nun einer, der stark betrunken war, ein Beil und schwang es in der Luft. Sofort war da auf einmal eine ganz eisige Stimmung, wir hatten völlige Angst, daß es echt zum Blutvergießen kommen könnte.
Ich ging zu ihm hin. Andere aus seiner Gruppe wollten mich zurückhalten, weil sie Angst um mich hatten. Doch ich ging, und ich sagte zu ihm:  "Das macht Angst mit dem Beil, auch den anderen. Da kann sehr viel passieren; und das bedroht uns. Da kann noch viel mehr ausgelöst werden, was wir nicht wissen."
Er sah mich zögernd an. Er redete nicht, ließ sich auf kein Gespräch ein. Doch dann nahm er das Beil und schleuderte es in hohem Bogen ins Gebüsch. Wir haben es auch später nicht mehr gefunden. Was er sich gedacht hat, oder ob er gar etwas 'eingesehen' hat, weiß ich nicht. Jedoch die Reaktion war deutlich und hat geholfen.

Ich war in dieser Situation ganz ruhig gewesen. Mir war klar: Das ist jetzt das einzig Mögliche, da auf ihn zugehen. Die Angst war da, aber sie hat nicht mein Handeln bestimmt. Ich konnte etwas tun, ohne daß mich die Angst lähmte. Danach dann, so am nächsten Abend, kamen schlimme Erinnerungen daran, und ich wünschte sehr, daß so was nicht noch einmal passiert.



(Quelle: Ulli Laubenthal)

Schul-Autorität

Eine pensionierte Lehrerin war einige Tage zu Besuch in New York. Am letzten Abend wurde sie auf dem Bürgersteig von einem jungen Mann angehalten. Er war mit einem Revolver bewaffnet und verlangte alles Geld von ihr. Andernfalls - so drohte er - würde er sie ermorden.
Da reagierte in der alten Frau die ganze Mentalität ihrer früheren Arbeit. Die Art der Schullehrerin kam in diesem Moment in ihrer ganzen Körperhaltung hervor: sie wurde groß, ihre Augen blinkten mit Autorität, und sie befahl:   "Hör sofort damit auf! Steck die Pistole weg!"
Die Reaktion zeigte Wirkung: In gleicher Weise mit der Körpersprache eines getadelten Schuljungen zuckte der Verbrecher zusammen. Er ließ die Hand sinken, in der er die Pistole hielt, und rannte aus der Straße weg.



(Quelle: erzählt von Dorothy T.Samuel, zitiert aus: Han Horstink, s.o.19., S.74)

Ein schöner Vormittag

In der Gruppe sitzen wir an diesem ersten sonnigen Vormittag im Frühling am freien Samstag im Garten. Keine große Arbeit, keine Termine, wir können es uns gut gehen lassen. Und ähnlich wohl auch die Gruppe Jugendlicher, welche im Laufe des Vormittags vorbeikommt und am Gartenzaun Halt macht. Doch ganz friedlich scheinen sie nicht zu sein. Schon fliegen einige Erdballen in unsere Richtung. Zugleich erkennt einer von uns die Gruppe und weiß: sowie wir nur einmal ganz harmlos zurückwerfen, wird es ernst. Doch die Würfe von der Straße lassen nicht ab, und die provozierende Spannung wird deutlicher. Verwirrung, Unmut an diesem sonst doch so schönen Vormittag.
Also macht Klaus sich auf und geht zu ihnen hin. Er spricht sie an und redet ein wenig zu ihnen. Doch die Spannung bleibt und scheint schärfer zu werden. Klaus setzt sich auf den Boden, direkt vor die Gruppe auf den Bordstein. Da tritt die erste Entspannung ein. Die Jugendlichen wissen nicht recht, damit umzugehen, daß da einer vor bzw. unter ihnen sitzt. Kurz danach wird es für sie noch erstaunlicher, als Klaus geht, im Haus verschwindet und gleich darauf mit ein paar Flaschen Bier und Chips wiederkommt. Sie unterhalten sich, finden anregende Themen, und die ersten Provokationen scheinen ganz vergessen.
Und endlich finden sie sogar einen gemeinsamen Weg: Hinein in den Gruppenraum, Musik hören und Neuigkeiten über das aktuelle Popgeschehen austauschen. Wo uns zuerst ein wenig die Angst vor dieser Jugendgruppe bewegt hat, da ist der gemeinsame Weg am Ende gestanden.




(Quelle: Ulli Laubenthal)

Der alte Mann

Ein älterer Mann hielt in einer kleinen Gasse eine Frau fest. Er sagte immer wieder, daß es ihm leid täte, daß er ihr nicht wehtun wolle, aber daß er es einfach tun müsste. Er sah schlampig aus und es war deutlich, daß es ihm nicht sehr gut ging.
Die Frau fing an, mit ihm zu reden. Sie sagte ihm, daß es für ihn überhaupt keine Notwendigkeit gäbe, sie zu vergewaltigen; daß Vergewaltigung etwas Schlechtes und gegen den Willen Gottes gerichtet wäre; daß er außerdem erheblich besser aussehen könnte, wenn er sich mehr pflegen würde. Dann sagte sie weiter, daß er nicht wirklich schlecht wäre und ihr das tatsächlich gar nicht antun wollte. Sie versuchte dabei vor allem, sein Selbstwertgefühl zu stärken. Auch erzählte sie von sich und ihren Kindern.
Als sie geendet hatte, dankte er ihr für die Tatsache, daß sie sich so um ihn bemühte und so mit ihm sprach. Das habe noch nie jemand mit ihm gemacht, denn er sei sehr einsam, sagte er; und weiter, daß er es ihr zu verdanken hätte, daß er nichts Schlechtes getan hätte. Sie sollte nun gehen, meinte er; und sie gingen beide ihres Weges.



(Quelle: Mary Crane,zitiert aus:Han Horstink,Übersetzung des Originals(zu s.o.2.)von A.D.(?),S.56f)

Üble Anmache

Wie an jedem Morgen, so gehe ich auch an diesem früh um halb sechs zur Arbeit. Dabei komme ich einen einsamen Weg entlang, kein Mensch weit und breit, keine Häuser oder Autos. Ich bin zu Fuß, und ich habe einige schwere Sachen dabei, da ich gleich nach der Arbeit noch wegfahren möchte.
Da steht auf einmal ein Typ vor mir und macht mich sehr direkt an: Mitkommen, miteinander ins Bett, und ähnliche Geschichten. Und nicht ganz harmlos; das war schon recht bedrohlich. Doch was tun? In anderen Fällen, in denen ich sowas erlebte, da kann ich schnell wegrennen; oder ich schreie laut und rufe andere Menschen. Doch hier? Ich bin ja nicht schlecht überrascht über diese Anmache so früh am Morgen; abends oder nachts - das kenne ich eher.
Da fange ich nun an, ganz ruhig mit ihm zu reden. Ich merke auch, daß er leicht alkoholisiert ist. Also, mein Ton ist ganz ruhig, nicht aggressiv, auch nicht laut: "Du, hör mal: ich muß zur Arbeit. Ich bin gerade auf dem Weg ins Krankenhaus. Da warten sie schon alle auf mich. Du kannst mich jetzt hier nicht lange aufhalten. Was werden die dort auf der Arbeit denken, wenn ich nicht komme!?"
Und weiter rede ich so, ich selbst wähle dieses Thema - sicher zehn Minuten lang - daß das nicht geht, was er will etc. Da zieht er wieder ab; ich komme wohlbehalten an meiner Arbeitsstelle an.
Und ich merke: das war nochmal gut gegangen. Nicht immer wäre ich dazu in der Lage gewesen. Trotz der deutlichen Bedrohung, die von diesem Typen ausging, hatte ich aber hier keine panische Angst. Ich konnte reagieren, und es kam spontan. Eine andere Wahl hatte ich ja auch nicht: wegrennen (mit all den Sachen) oder schreien (wenn niemand da ist). Doch hier konnte ich ruhig bleiben.



(Quelle: Claudia Schmidt-Brücken, Berlin)

Die Kunst der Versöhnung

Der Zug rasselte und ratterte durch die Vorstädte Tokios. Es war ein schläfriger Frühlingsnachmittag. Unser Wagen war vergleichsweise leer - einige Hausfrauen mit ihren Kindern im Schlepptau, einige alte Leute, die einkaufen gehen wollten. Gedankenverloren starrte ich auf die eintönigen Häuser und die staubigen Hecken.

An einer Station öffneten sich die Türen und die Ruhe des Nachmittags wurde gestört. Ein Mann stolperte in den Wagen. Laut stieß er gewalttätige und unverständliche Flüche aus. Er trug Kleidung eines Arbeiters, und er war groß, betrunken und dreckig. Laut schreiend stieß er mit einer Frau zusammen, die ein Baby hielt. Sie wirbelte um ihre eigene Achse und fiel in den Schoß eines älteren Ehepaars. Es grenzte an ein Wunder, daß dem Baby dabei nichts geschah.
Verschreckt sprang das Ehepaar auf und rettete sich zum anderen Ende des Wagens. Der Arbeiter wollte der alten Frau noch einen Tritt geben, doch er verfehlte sie in ihrer hastigen Flucht. Das erzürnte den Betrunkenen so sehr, daß er den Metallstab in der Mitte des Wagens ergriff und versuchte, ihn aus der Halterung zu reißen. Ich sah, daß er sich an einer Hand geschnitten hatte und blutete. Der Wagen ruckelte vorwärts, die Passagiere froren vor Angst. Ich stand auf.

Das Ganze ist nun zwanzig Jahre her. Ich war damals jung und in guter körperlicher Verfassung. Ich hatte fast jeden Tag runde acht Stunden Aikido trainiert, und das seit drei Jahren. Ich kämpfte gerne. Ich dachte, ich sei ziemlich gut. Mein Kummer war nur, daß meine Kriegskunst noch nie in einem echten Kampf auf die Probe gestellt worden war. Als Aikido-Schüler durften wir nicht kämpfen.
"Aikido", hatte mein Lehrer immer gesagt, "ist die Kunst der Versöhnung. Wer kämpfen will, hat seine Verbindung mit dem Universum unterbrochen. Wenn du versuchst, Menschen zu beherrschen, bist du schon besiegt. Wir lernen hier, Konflikte zu lösen, nicht sie anzufangen."
Ich hatte seinen Worten zugehört, und ich hatte es ernsthaft versucht. Ich war sogar soweit gegangen, den Chimpira aus dem Weg zu gehen, den Flipperpunks, die um die Bahnhöfe herumlungerten. Meine Geduld verschaffte mir ein Gefühl der Erhabenheit. Ich fühlte mich zugleich stark und heilig. In Gedanken jedoch wartete ich nur auf eine Gelegenheit, die es rechtfertigte, die Unschuldigen zu retten und die Schuldigen zu vernichten. Das ist sie! sagte ich mir, als ich aufstand. Hier sind Menschen in Gefahr, wenn ich nicht schnell handle, wird es wahrscheinlich Verletzte geben.

Als er mich aufstehen sah, erkannte der Betrunkene eine Chance, seine Wut auf ein Ziel zu richten.
"Aha!", brüllte er. "Ein Ausländer! Du brauchst sicher eine Lektion in japanischem Benehmen!"
Ich hielt mich lässig an dem Signalseil über mir fest und sandte ihm einen verächtlichen und abweisenden Blick zu. Ich hatte vor, diesen Truthahn auseinanderzunehmen, aber er mußte den ersten Schritt tun. Ich wollte, daß er explodierte, also spitzte ich meine Lippen und blies ihm einen unverschämten Kuß zu. "In Ordnung!", schrie er. "Du kriegst eine Lektion."
Er sammelte sich für einen Angriff. Doch einen Sekundenbruchteil, bevor er sich in Bewegung setzte, rief ihm jemand zu: "Hej."

Es war trommelfellzerfetzend. Ich erinnere mich genau an die seltsam freudige und fröhliche Art des Zurufs - als hättest du mit deinem Freund lange nach etwas gesucht und er sei gerade darüber gestolpert. "Hej."
Ich drehte mich nach links; der Betrunkene nach rechts. Beide starrten wir auf einen kleinen, alten Japaner. Er mußte wohl schon in den Siebzigern sein, dieser kleine Herr, wie er so dasaß in seinem Kimono. Von mir nahm er überhaupt keine Notiz, aber den Arbeiter strahlte er voller Freude an, als hätte er ihm das wichtigste und willkommenste Geheimnis mitzuteilen.
"Komm rüber", sagte der alte Mann in leichter Umgangssprache und lud den Betrunkenen ein. "Komm rüber, wir wollen miteinander reden." Er winkte ihm leicht mit der Hand.
Der große Mann folgte ihm wie an einem Faden. Er pflanzte seine Füße streitlustig vor den alten Herrn und überbrüllte das Rattern der Räder: "Warum sollte ich mit dir reden, verdammt noch mal?"
Der Betrunkene wandte mir nun den Rücken zu. Sollte sein Ellenbogen sich auch nur einen Millimeter bewegen, so wollte ich ihn in seine Socken hineinboxen.
Der alte Mann strahlt ihn immer noch an.
"Was hast du getrunken?", fragte er, und seine Augen blinkten vor Interesse.
"Ich habe Sake getrunken", bellte der Arbeiter zurück, "und es geht dich einen Dreck an."
Kleine Speicheltröpfchen trafen den alten Mann.
"O, das ist aber schön," sagte er, "wirklich schön. Du mußt wissen, ich trinke auch gerne Sake. Jeden Abend wärmen meine Frau und ich - sie ist 76, weißt du? - eine Flasche Sake auf und nehmen sie mit in den Garten. Dort sitzen wir dann auf einer alten Holzbank. Wir schauen zu, wie die Sonne untergeht, und wir sehen nach, was unser Persimonenbaum macht. Mein Urgroßvater hat den Baum gepflanzt, und wir machen uns Sorgen, ob er sich von den schrecklichen Eisstürmen erholt, die wir letzten Winter hatten. Unser Baum hat sich besser gehalten als ich fürchtete, besonders wenn man den schlechten Boden in Rechnung stellt. Es ist so eine dankbare Sache, ihn anzusehen, wenn wir unseren Reiswein trinken und draußen den Abend genießen - auch wenn es regnet!"
Er schaute den Arbeiter an und zwinkerte mit den Augen.
Während er versuchte, den Worten des alten Mannes zu folgen, begann das Gesicht des Betrunkenen sich zu besänftigen. Seine zu Fäusten geballten Hände lösten sich.
"Ja, ich habe Persimonen auch gern...", sagte er, und seine Stimme verlor sich.
"Ja", sagte der alte Mann lächelnd. "Und ich bin sicher, du hast eine wunderbare Frau."
"Nein", antwortete der Arbeiter. "Meine Frau ist gestorben."
Und ganz leise, sich im Rhythmus des Zuges hin und her bewegend begann der große Mann zu schluchzen. "Ich habe keine Frau mehr, ich habe kein Heim mehr, ich habe keine Arbeit mehr. Ich schäme mich so vor mir selber."
Tränen rollten über seine Backen, sein ganzer Körper verkrampfte sich vor Verzweiflung.
Jetzt war ich an der Reihe. Da stand ich in meiner jugendlichen Unschuld, mit meiner Gerechtigkeit, die die Welt für die Demokratie sichern wollte, und fühlte mich plötzlich dreckiger, als er es war.
Dann hielt der Zug an meiner Station. Als die Türen sich öffneten, hörte ich den alten Mann teilnehmend glucksen:
"Ach jemine, das ist aber wirklich eine schwierige Situation. Setz dich her und erzähl mir darüber."
Ich wandte den Kopf zu einem letzten Blick. Der Arbeiter lag ausgestreckt auf der Bank, sein Kopf im Schoß des alten Mannes. Der alte Mann strich ihm sanft über das schmutzige, verfilzte Haar.

Als der Zug weggefahren war, setzte ich mich erstmal auf eine Bank. Was ich mit meinen Muskeln hatte tun wollen, war nun mit guten Worten erreicht worden. Ich hatte gerade Aikido in der Bewährung des Kampfes gesehen, und das Wesen dieses Kampfes war die Liebe. Ich mußte diese Kunst anscheinend mit einem völlig anderen Geist ausüben. Es sollte wohl noch lange dauern, bevor ich über die Lösung von Konflikten würde reden können.



(Quelle: Terry Dobson, org. in Reader's Digest 1981; mit freundlicher Genehmigung des Agape-Ver¬lages aus:John H.Yoder,Was würden Sie tun?,deutsch von Wolfgang Krauß,1985,S.84ff)

Randale vor der Hütte

 Ein Telefonanruf rief uns zur Hilfe: Nächtliche Randale - das war die Absicht einiger faschistisch ausgerichteter Jugendlicher, die vor der Pressehütte standen. Sie machten einigen Aufruhr vor dem Haus. Zwei waren betrunken; die waren auch besonders aggressiv. Und sie belagerten die Tür. Einer von uns, ein Ami, ging zu dem einen an der Türe hin und bat ihn, daß er doch da weggehen solle. Der Betrunkene sagte, gut, gehen wir da auf die Straße. Und es war klar: Er wollte den Zweikampf.
Sie gingen vor, und der Ami stand einfach ganz ruhig da. Das machte den anderen ganz hilflos, und provozierte ihn auch. Er nahm den Ami und stieß ihn rückwärts über eine Bodenkante auf die Erde. Er schlug ihn und rüttelte an ihm. Doch dieser blieb weiter ruhig, ertrug es noch und sagte nur:
"Was hab' ich dir denn getan? Ich schlage niemand. Ich habe dich ja auch noch nie gesehen."
Da endlich kamen zwei andere von dessen Kumpels und zogen den Besoffenen weg. Es ging ihnen wohl doch zu weit, was hier geschah. Und sie sagten es dem auch.
Der Ami war - wie gesagt - in der Situation ganz ruhig; doch als wir nachher noch darüber sprachen, hat er sehr stark am ganzen Körper gezittert.



(Quelle: Ulli Laubenthal)

Streit ums Fernsehprogramm

Ich arbeitete als Sozialarbeiter in einer neugegründeten Wohngemeinschaft, in der sehr verwahrloste Jugendliche einen neuen Halt finden sollten.
An einem trüben Tag gerieten zwei Jugendliche in Streit, weil jeder ein anderes Programm im Fernsehen anschauen wollte. Ich selbst war gerade in einem anderen Raum. Plötzlich bekam der eine einen Wutanfall und warf das Fernsehgerät zum Fenster hinaus. Durch den Knall aufgeschreckt, rannte ich hinüber. Als ich erzählt bekam, was los war, schaute ich zuerst gleich zum Fenster hinaus. Gott sei Dank war das Gerät niemandem auf den Kopf gefallen.

Dann fragte ich den Burschen - 1,80 groß und viel stärker als ich - ob er verrückt geworden sei. Ich verlangte von ihm, daß er die Glassplitter aufkehren sollte. Er weigerte sich. Mittlerweile waren alle zehn Jugendliche im Raum versammelt und standen neugierig hinter ihm, um zu sehen was passieren würde. Er stand mir gegenüber und wurde in seinen Worten immer aggressiver. Ich merkte: wenn mir jetzt nichts einfällt, dann schlägt er zu. Da kam mir der rettende Einfall. Ich sagte zu dem langen Kerl: "Ich verstehe, Du kannst das bei Deiner schwachen Gesundheit nicht machen."
Und wandte mich an den Kleinsten: "Vielleicht kannst Du das für Ihn machen?"
Die Reaktion: der Lange brach in ein brüllendes Gelächter aus und die ganze Gruppe lachte mit. Der Kleine fing an zu kehren; doch nach einer Weile nahm der Lange ihm den Besen ab und kehrte selbst weiter. Die Situation war entspannt.



(Quelle: Fritz Karas, Köln)

Das Gelächter

Ein junger Mann muß eine mit Skinhaeds besetzte Treppe hinunter und ahnt schon: das geht nicht gut! Beim ersten Tritt in seinen Allerwertesten folgt er einer blitzartigen Eingebung, dreht sich um, schaut dem Treter ins Gesicht und sagt für alle vernehmbar laut:  "Entschuldige, daß ich mit meinem dreckigen Hintern an Deinen sauberen Schuh gekommen bin!"

Ein, zwei Sekunden Stille, dann brüllendes Gelächter. Sogar der Treter stimmt gequält mit ein, wohl weil er kein Spielverderber sein oder vor seinen Kumpels keine Schwäche zeigen will. So kommt der junge Mann heil die Treppe runter, kann unbehelligt weitergehen.



(Quelle: aus einem Arbeitsblatt der AG-Vermittlung des BSV)

Angriff in der Klasse

Kürzlich erinnerte sich eine ca. fünfzig-jährige Lehrerin daran, daß sie ganz am Anfang ihrer Tätigkeit an der Schule sich plötzlich einer tödlichen Bedrohung gegenüber gesehen hatte. Folgendes war geschehen:

Die Lehrerin hatte der Mutter einer lernschwachen Schülerin empfohlen, diese in eine Sonderschule versetzen zu lassen. Die Mutter war auch damit einverstanden, denn sie selbst und auch ihr Mann hatten die Sonderschule besucht.
Ohne daß die Lehrerin dies ahnen konnte, fühlte sich jedoch der Vater des Kindes von diesem Vorschlag gekränkt. Also trank er sich Mut an und platzte am nächsten Tag mitten in den Unterricht. Mit erhobenem Messer stürzte er auf die Lehrerin zu. Die Kinder waren schreckensstarr; die Lehrerin eigentlich nicht minder, aber sie wandte sich doch dem Mann zu und fragte ihn äußerlich ruhig und geschäftsmäßig: "Wollen Sie hier hospitieren?"
Sogleich ließ der Angreifer das Messer sinken. Er hatte sicher mit einer erschreckten Reaktion der Lehrerin gerechnet, aber nicht mit dieser verwirrenden Frage. Vielleicht wußte er auch nicht genau, was mit "hospitieren" gemeint war. Jedenfalls schloß er aus den Gesten der Lehrerin, daß ihm eine positive Rolle zugedacht wurde. So folgte er einfach ihrer Empfehlung: "Nehmen Sie bitte hinten Platz!" Er setzte sich in die letzte Reihe und hörte die ganze Stunde mit an, wie die Lehrerin   - innerlich immer noch zitternd - das Märchen weiter besprach, das sie gerade zu lesen begonnen hatte.



(Quelle: -bg-)

Unerwartete Reaktion

Seit Monaten arbeite ich an einer Sammlung gewaltfreier Aktionen. Ich habe mich ganz in diese Haltung hineingedacht und hineingefühlt. Mit allen meinen Gedanken bin ich dabei. So kommt es mir eines abends gar nicht zu Bewußtsein, daß ich mich in einer gefährlichen Situation befinde: der Gang alleine als Frau durch eine ziemlich dunkle Seitenstraße.
Ich betrete eine Telefonzelle und führe ein erfreuliches Telefonat. Auf einmal wird die Tür aufgerissen. Eine Horde Randalierender steht vor mir, angetrunken, in schwarzer Kleidung mit viel Metall an den Lederjacken. Sie haben kahlrasierte Schädel, von denen ihnen oben die Haare zu Berge stehen; Nadeln sind in den Ohren zu sehen, und sie tragen Schlagringe und -ketten.
"Wird das Scheißhaus endlich frei?" brüllt der an der aufgerissenen Tür und schwingt drohend eine Bierflasche gegen mich.
Die Stimmung, in der ich mich befunden habe, ist so stark, daß ich mich auch jetzt nicht aus der Fassung bringen lasse. Strahlend wende ich mich zu dem Grölenden und sage ganz unbefangen und mit ruhiger Herzlichkeit: "Ja, gleich. Ich bin bald fertig. Prost."
Verblüfft bleibt ihm der Mund offenstehen, die Bierflasche trudelt ins Leere und die Tür fällt zu. Ich sehe die jungen Leute die Straße runterschlurfen; da ist irgendwie die Luft raus.
Im Nachhinein hab' ich überlegt, womit ich das eigentlich bewirkt habe. Wie gesagt: ich war allein, keine Vorsätze, keine besonderen Machtmittel. Ich denke, es kam daher, daß ich unerwartet reagiert und mich nicht auf Drohungen eingelassen hatte. Das Gewaltmuster griff dadurch nicht und lief ins Leere.

Überraschungseffekt

Auf ihrem Heimweg im Dunkeln bemerkt eine Frau, wie ein Mann sie scharf beobachtet, und spürt dann, daß er hinter ihr hergeht. Sie ist allein in der menschenleeren Straße; und ihr wird unheimlich. Kurz entschlossen wendet sie sich um und spricht den Mann an:
"Guten Abend, ich habe eine Bitte: Würden Sie mich begleiten - zu meinem Schutz, damit mir nichts passiert?" Verblüfft sagt der Fremde zu. Auf dem Weg unterhalten sie sich "unbefangen" über alles mögliche; wohlbehalten kommt die Frau zu Hause an. Aber beim Abschied sagt der Mann unvermittelt: "Gehen Sie nicht mehr so spät allein im Dunkeln. Sie hatten Glück. Ich hatte ganz was anderes vor. Aber mit ihrer Bitte haben Sie mich total verblüfft. Das hat mich ganz bei meiner Ehre gepackt." Doch sogleich fügte er hinzu: "Machen Sie das nicht nochmal!"


(Quelle: -bg-)